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Hätte mir am Morgen jemand gesagt, dass ich den Rest meines Nachmittages im Krankenhaus verbringen würde, dann hätte ich ihm vermutlich kein Wort geglaubt.
Hätte derjenige mir gesagt, weshalb ich den Rest meines Nachmittages im Krankenhaus verbringen würde, dann hätte ich ihn vermutlich für verrückt erklärt.
In tausend Jahren hätte ich nicht für möglich gehalten, was heute passiert war.
Noch immer völlig erschlagen von den Ereignissen, lag ich im Krankenhausbett und ließ die Routineuntersuchungen über mich ergehen.
„Ich denke Miss Mayner, dass der Schock viel größer war, als der eigentliche Schaden. Dennoch sollten sie sich ein paar Tage schonen und größere Anstrengungen vermeiden", sprach der Arzt mit beruhigender Stimme auf mich ein. Ich hörte ihn kaum.
Zu allgegenwärtig hatte ich Matts Bild vor meinen Augen. Sein letzter Blick an mich, bevor er gegangen war. Voller Enttäuschung. Nie hatte ich gewollt, dass er mich eines Tages so ansieht.
„Weshalb ist sie dann ohnmächtig geworden?", drang Jacksons besorgte Stimme aus einer Ecke des Raumes zu mir durch.
„So ein harter Sturz kann für den Körper erst einmal eine große Erschütterung sein. Das steckt nicht jeder so einfach weg. Es besteht jedoch kein Grund zur Sorge. Nach einer guten Mütze voll Schlaf werden sie sich morgen Früh wieder wie neu fühlen", erklärte der Arzt geduldig.
Ich bezweifelte es, doch ich nickte bloß. Alles was ich wollte, war, dass er das Zimmer verließ. Die Fragen, die Jackson auf der Zunge brannten, waren quasi greifbar.
Es gab einiges zu erklären.
Als er das Zimmer endlich verließ, versuchte ich, mich im Bett aufzurichten, um Jackson ansehen zu können.
Sofort war er bei mir, um mir zu helfen. Sein Gesicht war jetzt ganz nah an meinem.
„Danke", flüsterte ich.
„Du hast also einen Freund", brachte er das Thema gleich auf den Punkt.
Es war keine Frage. Dennoch schwang in seiner Stimme kein Vorwurf mit. Der eiserne Griff, der sich um mein Herz gelegt hatte, löste sich etwas.
Er würde es mich erklären lassen.
„Er ist nicht mein Freund."
„Nun, er hat sich aber ganz so aufgeführt, als wäre er es."
Wieder kein Vorwurf. Zumindest nicht in meine Richtung.
„Er ist es nicht. Bitte, das musst du mir glauben. Ich hätte sonst nie..."
„Du hättest mir sonst nie mitten im Meer einen runtergeholt?", beendete er den Satz für mich.
Die gelassene Nüchternheit, mit der er das aussprach, brachte mich kurz völlig aus dem Konzept.
„Ja", hauchte ich und lief so rot an, dass ich den Blick abwenden musste.
„Ewa, ich fand das heute mit dir wunderschön. Aber wenn du da gerade in einer festen Sache steckst, dann will ich mich nicht dazwischen hängen. So etwas mache ich einfach nicht."
Überrascht sah ich ihn an. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte oder weshalb ich ihm jemals ein anderes Verhalten zugetraut hätte. Möglicherweise hatten mich seine sexuelle Offenheit und seine zügellose Art so denken lassen. Doch der Respekt, den er vor Beziehungen hatte, beeindruckte mich.
„Matt und ich sind nur Freunde. Aber in letzter Zeit ist es etwas kompliziert."
„Kompliziert, weil er mehr für dich empfindet", schlussfolgerte er richtig.
Ich nickte.
„Und was ist mit dir? Empfindest du auch mehr für ihn?"
Obwohl er sich nichts anmerken ließ, spürte ich, dass er gespannt auf meine Antwort wartete.
Sein autoritärer Tonfall war der eines Mannes, der die Wahrheit wissen wollte.
Und ich wollte ehrlich zu ihm sein.
„Ich weiß es nicht. Matt ist mein bester Freund und ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Aber ...", die letzten Worte kamen mir nur schwer über den Mund.
„Aber du weiß nicht, ob du genug für ihn empfindest, um eine Beziehung mit ihm zu haben", nahm Jackson mir diese Aufgabe ab.
Der Mann konnte meine Gedanken lesen. Er wusste genau, was ich ihm sagen wollte. Es war so einfach, sich mit ihm zu unterhalten, selbst wenn das Thema so kompliziert war.
„Das reicht mir erst einmal", sagte er.
„Was?", fragte ich ihn verwirrt.
„Ewa du bist eine tolle Frau. Und absolut heiß."
Verlegen wollte ich den Blick abwenden, doch er hielt mein Kinn fest und zwang mich, ihm in die Augen zu blicken.
„Wenn du es auch möchtest, dann würde ich dich gerne weiterhin treffen. So lange, bis du weißt, was du willst. Und wenn ich mir genug Mühe gebe..."
Bei seinen letzten Worten beugte er sich dicht zu mir herab und berührte sanft meine Lippen.
„...dann entscheidest du dich vielleicht für mich", hauchte er in meinen Mund und verschloss ihn zu einem hungrigen Kuss.
Sofort sprang mein Körper auf seine Berührungen an und mein Puls jagte in die Höhe, als seine Hand unter die Decke griff und er mit seinen Fingern langsam an meinen Beinen hinauffuhr. Immer näher dorthin, wo ich bereits feucht für ihn wurde.
Plötzlich sprang die Tür auf und schlug mit einem lauten Krachen gegen die Wand.
Eine aufgelöste Kelsey stürmte in den Raum.
„Süße, was ist passiert?",rief sie und blieb wie angewurzelt vor dem Bett stehen.
Ertappt zog Jackson seine Hand zurück und räusperte sich verlegen.
„Oh", machte Kelsey.
„Wollte euch nicht stören", stotterte sie und warf Jackson einen verwirrten Blick zu.
„Du störst nicht. Ich wollte ohnehin gerade gehen, damit Ewa sich etwas ausruhen kann", sagte dieser und wandte sich ab, um seine Tasche zu holen.
Kelseys schenkte mir einen ihrer, Was zum Teufel ist hier los Gesichtsausdrücke.
Was sie tatsächlich aussprach, war, „Ausruhen. Klar. Danach sah es aus, als ich reingekommen bin."
Ich kannte meine beste Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie sich diese Bemerkung nicht hatte verkneifen können.
Um eine Antwort verlegen, starrte Jackson sie an.
Er kam zu mir und beugte sich hinunter, um mir einen Abschiedskuss auf die Wange zu geben.
„Meine Nummer ist jetzt in deinem Telefon gespeichert. Ruf an, wenn dir danach ist", flüsterte er, bevor er das Zimmer fluchtartig verließ und Kelsey im Vorbeigehen nur ein leises Tschüs entgegen murmelte.
„Was machst du hier?", fragte ich meine Freundin verwirrt.
„Ich habe eine Nachricht von deinem Handy aus bekommen, dass du hier im Krankenhaus liegst. Da bin ich sofort hergekommen. Ich vermute, Officer Lover Boy steckt dahinter."
Sie zog sich einen Stuhl zum Bett heran und ließ sich genüsslich darauf fallen.
„Also was ist passiert? Oh bitte sag mir, dass der Orgasmus so intensiv war, dass du ohnmächtig geworden bist!"
Bei dem hoffnungsvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht musste ich laut loslachen.
„Nicht ganz", schaffte ich zu antworten.
Als ich mich beruhigt hatte, erzählte ich ihr die ganze Geschichte.
„Ich bin gleich wieder da", sagte sie, nachdem ich mit meiner Erzählung durch war.
„Wohin willst du gehen?", fragte ich sie überrascht.
„Auf die Toilette. Und dort werde ich den kleinen Vibrator benutzen, den ich für Notfälle immer bei mir trage."
„Kelsey", rief ich gespielt entsetzt.
„Du kannst dich doch nicht auf Grundlage meiner sexuellen Erlebnisse befriedigen! Das ist merkwürdig", lachte ich.
„Oh Schätzchen, bilde dir bloß nichts ein. Es geht hier nur um den Adonis, den du dir da geangelt hast. Oder besser gesagt, den ICH dir geangelt habe! Hast du diese Oberarme gesehen? Verdammt! Den Kerl will ich bespringen und von oben bis unten ablecken!"
Jetzt konnten wir uns vor Lachen beide nicht mehr halten. Erst als ich keine Luft mehr bekam und mein Bauch wehtat, beruhigte ich mich wieder.
„Was würde dein fester Freund dazu sagen." Besonders betonte ich die Worte fester Freund und sah meine Freundin mit vorgetäuscht strenger Miene an.
„Ach der. Naja, das wollte ich dir schon letztes Mal sagen. Es läuft im Moment nicht so gut zwischen uns. Wir überlegen, uns zu trennen."
„Kels, wieso sagst du mir das erst jetzt", schockiert griff ich nach der Hand meiner Freundin und hielt sie fest.
„Ich wusste nicht, wie ich es sagen soll. Und irgendwie wollte ich auch gar nicht darüber reden", gestand sie mir.
„Und möchtest du jetzt darüber reden?", fragte ich vorsichtig.
Sie schüttelte bloß traurig den Kopf.
Ich kannte Kels gut genug, um zu wissen, dass sie es tatsächlich so meinte, wie sie es sagte und wirklich nicht darüber sprechen wollte.
Sie war einer dieser Menschen, die ihre Probleme erst einmal für sich alleine lösten, bevor sie mit jemand anderem darüber reden konnten.
„Wenn du mich brauchst, bin ich immer für dich da. Und wenn du irgendwann bereit bist darüber zu reden, dann kannst du zu mir kommen, auch wenn es mitten in der Nacht sein sollte. Das weißt du oder?"
Kels zog mich für eine Umarmung an sich und küsste mich freundschaftlich auf den Mund.
„Ich weiß. Ich hab dich lieb Ewa."
„Ich dich auch Kels."
„Genug geschmollt. Jetzt erzählst du mir mehr über diesen Adonis."
Wir redeten so lange über Jackson, Matt und auch über Miguel, bis der Arzt kam und verkündete, dass ich das Krankenhaus ohne Sorgen heute noch verlassen konnte.
Als Kelsey mich mit ihrem Wagen vor meiner Haustür absetzte, waren wir zu einem Entschluss gekommen, wie es weitergehen sollte.
Ich musste mit den drei Männern reden und alle Karten offen auf den Tisch legen. Keine Geheimnisse mehr. Sie mussten voneinander wissen.
Allein der Gedanke an diebevorstehenden Gespräche mit ihnen machte mich so nervös, dass ich am liebstenwieder in Ohnmacht gefallen wäre.
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