2 - Die Maske
Die erste Sache, die ich es herausfinden konnte - es gab zwei Hauptstraßen zur Festung.
Das war ungewöhnlich. Klar, viele der an der Festung liegenden Städte wurde ebenfalls von einer hohen und dicken Mauer geschützt, ehe sich die Festung auf einer kleinen Anhöhe hinter einer zweiten Mauer erheben würde.
Doch in Othello war das etwas anders.
Bevor wir uns in die Festung begaben, hielten wir auf einem Hügel an und stiegen aus, um nochmal Kraft zu tanken.
Nicht nur die dreiwöchige Reise hatte an uns gezerrt, sondern auch der Druck, mit dem wir anreisten.
Wir alle wusste nur im Groben, was uns erwarten würde - was schlecht ist. Schlau wäre es gewesen, sich mit dem neuen König auf einem neutralen Gebiet zu treffen. Stattdessen begaben wir uns direkt in das winterliche Wespennest, irgendwo tief in den Othello Bergen.
Mein Vater hatte einfach nicht mehr abwarten können, es machte ihn rasend, dass niemand genaue Angaben über Othello und seinem König machen konnte. In erster Linie war es gut, denn offentsichtlich hatten sich der König als noch nicht um die umliegenden Reiche gescherrt und ihnen einen Besucht abgestattet - allerdings konnte das auch nur ein Schein sein.
Vielleicht hatte er schon Verbündete, von denen wir erstens nichts wussten und zweitens auch keine Ahnung hatten, weil sie noch weiter außerhalb regieren könnten.
Es war zum Haare raufen.
Offentsichtlich würde Othello eine sehr harte Nuss werden, denn ich denke nicht, dass wir die ersten sind, die im Verborgenen auskundschaften.
Ich hatte nur die Zähne fest aufeinandergebissen, während ich mir die Festung auf dem Berg vor uns angeschaut habe.
Sie war groß, aus grauem Stein erbaut, wirkte mächtig und alt, jedoch auch überraschend schlicht. Es gabe vier große breite Türme mit silbrig-türkis schimmernden Spitzkuppeln, um in jeder Himmelsrichtung einen Überblick zu behalten. Zusätzlich gab es einen großen Turm in der Mitte der Festung. Ansonsten sah man noch ein paar Dächer weiterer Gebäude, die sich hinter den Mauern befinden mussten. Der Wind dort oben ließ die Fahnen an den Stangen aufwehen, doch ich war zu weit weg, um das Wappen zu erkennen.
Mein kräftiger und schneller Herzschlag beruhigte sich zunehmend etwas.
Nun gut, diese Festung lag zwar sehr weit oben, dennoch war sie wahrscheinlich standardmäßig, wie alle anderen Festungen in diesem Baustil, im Inneren gestaltet.
Wir hatten schon weit aus kunstvollere Gebäude gesehen mit tausend Erkern und Türmchen.
Jedoch... vielleicht war das auch so gewollt in diesem Fall. Immerhin hatte man dadurch einen perfekten freien Blick und eventuell zwar geballte Angriffsflächen, allerdings konnten diese Angriffsflächen widerum perfekt ausgestattet sein.
Unterhalb der Festung, auf der linken Seite, befand sich eine Stadt direkt an einem breiten Fluss, der den Berg mit der Festung anscheinend zu umrunden schien. Die warmen Lichter in der einsetzenden Dämmerung wirkten warm und einladend, weswegen mein Unbehagen weiter schwand.
Meine Augen zuckten nun zu der rechten Seite des Berges. Dort führte eine breite Brücke über den Fluss. Diese Brücke war mit vier Wachtürmen ausgestattet, zwei an jeder Flussseite. Vor dieser Brücke gabelte sich die Hauptstraße nach links weg zur Stadt und führte im anderen Abschnitt direkt auf die Brücke zu. Erstaunlicherweise war die Stadt mit keiner Stadtmauer gesichert.
War das fahrlässig oder benötigten sie schlichtweg keinen Schutz?
Nachdenklich betrachtete ich erneut die imposante Brücke, die aus dem gleichen grauen Stein erbaut war wie die Festung. Hinter der Brücke befand sich eine Mauer - dann schlängelte sich zwischen Bäumen erhahnend ein Weg hoch zur Festung - das war es dann auch wieder.
Auch das war verwunderlich.
Der König schien sich ja sehr sicher zu fühlen, wenn er so wenige Vorsichtsmaßnahmen ergriff...
Die Temperatur fiel spürbar um weitere Grade, weswegen wir uns nicht mehr lange auf unserem Posten aufhalten wollten. Wer wusste schon, ob wir nicht ebenfalls beobachtet wurden.
Nachdem wir mit dem obersten und leitenden Wächter gesprochen hatten - Sir Kardivan - stiegen Leronel und ich nach einem kurzen Blickwechsel wieder in die Kutsche ein und wir setzten unsere Fahrt fort.
Unsere Karavane war sehr kurz.
Zwei Kutschen, in einer saßen Leronel und ich und in der anderen befand sich Gepäck und Vorräte. Anonsten hatten wir noch acht Wächter, die mit uns reisten.
Wahrscheinlich sollte ich mehr über unsere eigene Fahrlässigkeit nachdenken, als mir Gedanken um die Fahrlässigkeit eines anderen zu machen.
Es dauerte bestimmt nochmal über eine halbe Stunde, bis wir die Brücke erreicht haben - statt unsere Kutsche zu durchsuchen, winkten uns die Wächter einfach durch und schon befanden wir uns in wenigen Minuten auf der anderen Seite.
Verblüfft und alarmiert zugleich warfen Leronel und ich uns erneut einen Blick zu.
Wenn man uns nicht durchsuchte, so waren sie wohl schon über uns informiert und hielten es nicht für nötig, einen näheren Blick auf uns zu werfen.
Seltsam blieb es dennoch.
Ich hatte die Wächter genauestens unter die Lupe genommen, als ein paar am Kutschfenster vorbeigegangen sind. Sie waren genauso ausgestattet wie unsere Wächter Zuhause - nur natürlich dicker angezogen.
Grauweißes Fell schmückten ihren Kragen, Broschen hielten ihr weißen Umhänge fest. Die Oberkörper wurden von einem lederähnlichen Brustpanzer geschützt. Stiefel und Hosen glichen ebenfalls den unserer Wächter und auch auf ihren Rücken hatten sie Schwerte in ihren Vorrichtungen befestigt.
Nichts, das ungewöhnlich oder anders erschien.
In meinem Kopf ratterte es weiter, als wir die ziemlich steile Anfahrt nach oben starteten. Der Weg war von Fackeln erleuchtet und die Tannen um uns herum trugen alle eine schwere, dicke Schneematte.
Zwischen ihren Wipfeln sah ich die warmen Lichter der Stadt am Flussufer, die nach und nach kleiner wurden.
Schließlich kamen wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich an.
Als wir den Eingang zur Festung passierten, wurden wir natürlich wieder nicht kontrolliert - und so durften wir über eine Zugbrücke unter einem mächtigen Torbogen in die Festung einfahren.
Die Hufe der Pferde klapperten laut über das Pflaster und wir schienen eine Weile wie durch einen Tunnel zu fahren, was weitere Fragen in mir aufwarf.
Endlich lichtete es sich jedoch ein wenig und ein erstaunlich großer, von der Mauer gesicherter Innenhof tat sich vor uns auf.
Eine der im Wind wehenden Fahnen geriet in mein Blickfeld.
Der Untergrund war weiß, darauf waren... zwei blasstürkise Flügel abgebildet, die sich nach oben wölbten und in ihrem Inneren eine silberne Krone einrahmten.
Dieses Wappen sah ich zum ersten Mal.
Eine Krone war klar, aber die... die Flügel? Was hatte denn das nun wieder zu bedeuten?
Die Kutsche fuhr eine Kurve, wenn ich es richtig einschätzen konnte, und hielt dann an. Stille senkte sich über uns alle, eines der Pferde wieherte leise.
Leronels dunkelblaue Augen bohrten sich in meine - er wirkte genauso verloren wie ich. Dabei machten wir das hier doch nicht zum ersten Mal - langsam gingen mir seine und meine Hilflosigkeit auf die Nerven. Wir standen noch nichtmal vor dem König und sahen jetzt schon so aus, als würden wir am liebsten gleich wieder fliehen.
Leronel war der erste, der sich aus der Starre zog, mir einen letzten Blick zuwarf, bevor er sich zur der Wagentür der Kutsche vorbeugte. In diesem Augenblick wurde von einem der Wächter die Tür geöffnet und das warme Licht der aufgehangenen Fackeln im Innenhof fiel in das Innere der Kutsche.
Leronel hievte sich in einer eleganten Bewegung aus der Kutsche, bis er aus meinem Sichtfeld verschwand. Ich schluckte, nahm nochmals einen tiefen Atemzug, ehe ich ihm wenig später folgte und dankend seine Hand entgegennahm, die er in meine Richtung streckte.
Plötzlich schlug mein Herz wieder in einem langsamen und gleichmäßigen Rhythmus. Es war, als hätte sich diese Maske wie von allein auf mein Gesicht gesetzt, als ich in das Freie trat.
Ein automatischer Vorgang.
Das Gefühl, das ich sonst hasste, nahm ich dieses Mal erfreut in mir auf. Es war, als würde ich alte, dennoch bequeme Schuhe anziehen und deren Ledersohle schon die Form von meinem Fuß angenommen haben.
Die Maske, die sonst lästig war, würde mir jetzt vielleicht helfen, alles ohne Probleme durchstehen zu können.
Die Maske, mit der ich alle täuschen würde - und es auch beim König schaffen werde.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro