Kapitel 18
Azael
Ich sehe zu, wie Lucifer Elenas Stirn mit seinem Finger berührt und diese sofort in einen Traumlosen Schlaf sinkt. Scheiße. So sollte das nicht ablaufen.
Ich wende mich ab und krame aus dem überdimensionalen Kleiderschrank, den Camio für seine Fülle an Klamotten zusätzlich benutzt, ein T-Shirt. Elenas Flügel sind bereits verschwunden, als ich ihr das schwarze T-Shirt überziehe und sie auf meinen Armen zum Bett trage.
»Was jetzt?«
Ich drehe mich Damian zu, der sich seufzend über sein Gesicht fährt. Dass Elena etwas besonderes ist, haben wir mittlerweile alle bemerkt. Aber ein Engel? Wie ist das möglich?
»Wie ist sie auf die Erde gelangt?«, frage ich Lucifer.
Der Teufel steht mit einem süffisanten Grinsen an der Tür gelehnt.
»Theoretisch ist das nicht möglich. Vater lässt jeden Weg aus dem Himmel strengstens Bewachen. Nur seinen geliebten Erzengel gewährt er freies geleit.«
Ich nicke, während ich mich durch meine Erinnerungen wühle. Elena kann kein Erzengel sein. Als wir aus dem Himmel verbannt wurden, müsste sie noch ein Kind gewesen sein und die Erzengel waren einer der Ersten, die Gott erschaffen hat.
Nach uns.
»Viel wichtiger ist, von wem hat sie gesprochen?«
Mein Blick gleitet auf Elena, die friedlich im weichen Bett liegt. Die blonden Haare aufgefächert auf dem weißen Kissen. Die Lider sind sanft geschlossen. Jetzt gleicht sie wirklich einem Engel. So wunderschön und einzigartig. Das seltsame Kribbeln breitet sich wieder in meinem Körper aus. In letzter Zeit fühle ich es öfters. Erst dachte ich, dass es mit der körperlichen Veränderung zusammenhängt. Dass wir unsere Menschlichkeit verlieren und zu seelenlosen Monstern werden. Mittlerweile bin ich anderer Meinung. Denn dieses Gefühl habe ich nur, wenn sie in der Nähe ist. Elena weckt etwas in mir. Nein. Sie lässt endlich etwas in mir ruhen. In ihrer Nähe habe ich nicht das Gefühl, dass meine inneren Dämonen sich aus ihrem Gefängnis befreien. Ich spüre Frieden. Etwas, das ich seit Jahrhunderten nicht mehr gespürt habe. Nicht seit jenem Tag, als sie uns alle verraten haben. Aus Angst.
»Ich habe da so eine Vermutung«, raunt Lucifer und grinst breit.
Die Hände tief in seinen Taschen geht er auf Elena zu. Ich beobachte ihn aufmerksam, als er sich dem Bett nähert, aus dessen Richtung zarte Atemgeräusche dringen. Sanft schiebt er ihr eine blonde Strähne hinter sein Ohr.
»Oh ja. Ich bin mir sehr sicher«, flüstert Lucifer, als Flügelschlagen an meine Ohren dringt.
Sekunden später taucht einer der Dämonen vor dem Fenster auf.
»Meister«, krächzt er. »Sie kommen.«
Mein Herzschlag setzt aus, ehe er doppelt so schnell weiter rast.
»Bring sie hier weg«, brummt Damian.
Ich blicke meinen langjährigen Freund an, der sich augenblicklich seiner Verwandlung hingibt. Die schwarzen Flügel breiten sich auf. Sein Gesicht schmerzverzerrt. Seine Muskeln definieren, härten und vergrößern sich. Damians moosgrüne Augen werden dunkler, während sich seine Sinne schärfen.
»Luc's.« Ich wende mich ihm zu. »Bring Elena in Sicherheit«
Er wendet sich mir zu. »Sicher? Ich könnte recht nützlich sein.«
»Nein!« Camio schüttelt den Kopf. Auch er ist bereits verwandelt. »Das ist unsere Schlacht.«
Lucifer zuckt mit den Schultern, bevor er Elena auf seinen Arm hebt.
»Wie ihr meint. Ich lasse euch Mélchon und Dragon da.« Er nickt zum Fenster, vor dem einer der beiden Dämonen flattert.
»Danke.«
Lucifer geht langsam Richtung Fenster, öffnet es und lässt einen kühlen Luftzug hinein. Er dreht sich uns zu. Elena schlafend in seinen Armen.
Auch wenn ich weiß, dass das unser Ende ist, lächle ich, denn das erste Mal seit einer sehr langen Zeit fühle ich eine innere Ruhe. Lucifer wird Elena beschützen und vielleicht erzählt er ihr die Wahrheit über all die Geheimnisse, die der Himmel verbirgt. Auch wenn es schmerzt, dass ich sie nie wieder sehen kann. Ihre Stimme hören oder ihren Körper berühren kann, weiß ich, dass es das richtige ist. Hier kann sie nicht bleiben. Zu gefährlich wäre es für sie. Die Erzengel würden kurzen Prozess mit ihr machen und allein die Vorstellung lässt mich zusammenzucken. Elena wird es in Los Angeles gut gehen. Und vielleicht findet sie ihr Glück, denn wir waren nie für sie bestimmt. Nie ihre Zukunft.
Es gab nie ein Happy End für uns. Das wurde damals entschieden. Auch wenn wir durch sie verhindert haben, dass wir zu Abtrünnigen wurden - zu Monstern - können wir unserem Schicksal nicht entkommen. Er hat es entschieden, dass wir sterben, und das bereits vor einhundert Jahren.
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