Kapitel 30
[Gelangweilte Auftragskiller und die dazugehörigen Heiratsanträge]
~aka: Nicholas vermisst seinen neuen besten Feind~
Zugegeben, Nicholas hatte nicht wirklich lange nachgedacht, als er diesen Plan beschlossen hatte.
Er hatte eigentlich überhaupt nicht nachgedacht (so musste sich also Charles fühlen) und hatte einfach eine Entscheidung getroffen, weil ihm langweilig war.
Die Leiterin hatte sie bezahlt und sich danach nie wieder gemeldet. Sie waren also wieder arbeitslos und was machten Auftragsmörder ohne Aufträge?
Sich langweilen.
Im Moment war die Nachfrage nach Killern leider nicht gerade hoch. Charon hatte zwar Interesse an ihnen gezeigt und wollte sie anstellen, doch die Familie Rune hatte eine Vergangenheit mit den Tripes, (es ging um eine Pokernacht, die schief gelaufen war, sodass der Vater der Rune-Brüder keinen Kontakt mehr mit Charon Tripe haben wollte und nie wieder darüber sprach) weshalb sie ablehnten und hofften, dass sie nicht in diese Sache hineingezogen wurden.
Normalerweise konnte Nicholas mit Langeweile gut umgehen. Er war intelligent und hatte mehrere Hobbys, von Stricken bis hin zum Bombenbau, aber trotzdem wollte seine Stimmung sich nicht heben, obwohl er gerade eine wunderschöne Autobombe mit Fernzünder gebaut hatte, die er vermutlich nicht benutzten durfte.
Er war zwar ein Killer, tat es aber nicht, um seine eigenen potenziellen Opfer auszuschalten. Wo bliebe denn da der Spaß?
„Nick! Mir ist so langweilig. Tu etwas dagegen!" jammerte Charles, der sich kopfüber auf die Couch gelegt hatte, die in der Wohnung stand, die sich die drei Brüder gemietet hatten, bis sie für einen neuen Auftrag beworben wurden.
„Sehe ich etwa aus, als hätte ich Spaß? Ich hasse es, keine Arbeit zu haben" seufzte Nicholas ebenso genervt von dieser Langeweile wie sein älterer Bruder auch.
William saß einfach teilnahmslos daneben und hatte die Augen geschlossen.
Möglicherweise schlief er, Nick aber vermutete, dass er einfach keine Lust auf seine Brüder hatte und deshalb nur so tat als ob.
"Will, hast du ne Idee?" fragte Charles nur mit seinem theatralischen, jammernden Ton in der Stimme, den er immer anschaltete, sobald ihm auch nur eine einzige Sekunde langweilig war.
William aber machte nur die Geste für »Halt die Klappe« mit seiner Hand und tat weiterhin so, als würde er schlafen.
Gerade als Nicholas seine extrem bescheuerte Idee aussprechen wollte, die aus verschiedenen Aspekten wie Frauenkleidung, einem Dudelsack, einer Horde Wildschweine und einem Haufen Papierkranichen bestand, wurde er (Gott sei Dank) unterbrochen.
Das Klingeln von Charles' Telefon ließ alle drei aufhorchen und sobald Charles das Handy aus seiner Tasche gezerrt hatte, nahm er die unbekannte Nummer an, die ihn angerufen hatte.
Nicholas und William hörten gespannt zu.
„Die Rune-Brüder. Sie grillen während wir killen! Was kann ich für Sie tun?" fragte Charles so euphorisch wie immer, wenn er das Diensthandy, auf dem ausschließlich Aufträge einkamen, annahm und wie immer hatte er einen bescheuerten Spruch auf Lager, die selten wirklich Sinn ergaben. Er stellte das Handy auf Laut, damit alle drei zuhören und antworten konnten.
„Ist jemand anderes mit Ihnen im Raum oder sind Sie mit Ihren Brüdern alleine, Mister Rune?" fragte eine elektrisch-verstellte Stimme über das Handy und die Geschwister sahen sich wissend an.
Es war nicht selten, dass ihre Kunden ihnen zuerst nicht vertrauten und sich vergewissern wollten, dass sie bei ihnen richtig waren.
„Nur ich und meine Brüder, Miss? Mister? Mistery?" fragte Charles so charmant wie eh und je, als hätte er nicht vor ein paar Sekunden noch gelangweilt in die Luft gestarrt und sich darüber beschwert, dass er nichts zu tun hatte.
„Gut" der Stimmverzerrer wurde abgestellt und die Stimme klang nun wieder normal, „Ich bin mir sicher, Sie wissen wer ich bin, sobald Sie mich sehen, aber da es in dieser besonderen Lage etwas schwer ist, ein direktes Gespräch mit Ihnen zu führen, bin ich gezwungen, Sie so zu kontaktieren. Ich bin Asperia Salem, aus dem Clan der Assassinen und Tochter des Helio Salem. Ich hatte leider nie das Vergnügen, Sie zu treffen, aber Sie kennen meinen Bruder, Liope" stellte sich die Stimme vor, wie sie es immer taten, wenn sich große Familien, wie die Salems oder Tripes, sich einen Auftragsmörder besorgten. Zwar hatten die Salems eigentlich keinen Grund dazu, da sie selbst diese Jobs ausführen konnten, doch Nicholas kannte den Clan der Assassinen und hatte seinen Vater schon oft zu deren Treffen begleitet, zu denen nur die Familienoberhäupter und deren älteste Kinder durften. Nicholas war nur eine Ausnahme gewesen, da William keinen wirklichen Grund hatte, zu diesen Veranstaltungen zu gehen und Charles...Charles eben Charles war.
„Ah. Asperia Salem. Wie schön, Sie endlich kennenzulernen. Was verschafft mir die Ehre, ein Geschäft mit einer Salem höchstpersönlich einzugehen?" fragte Charles nur noch aufgeregter als zuvor. Nicholas konnte es ihm nicht verübeln, er selbst hatte wahnsinnigen Respekt vor dieser Assassin-Familie und hatte nie mit einem Anruf von einer der ihren gerechnet.
„Nun ja. Ich bin heute aufgewacht und hatte Lust eine Armee auf die Beine zu stellen um den Sohn von Charon Tripe wieder auf unsere Seite zu ziehen obwohl er versucht hat mich vor ein paar Tagen erst umzubringen und da habe ich sofort an Liope gedacht, der von einer gewissen Rune-Familie geschwärmt hat, die er kennenlernen durfte, als er bei einem Assassin-Treffen mit einem der Brüder geflirtet hat. Oh. Sollten Sie mein Angebot abschlagen oder mit verraten, werde ich euch finden, einen Polster auf eure Gesichter pressen und warten, bis ihr aufgehört habt unter meinem Griff zu zappeln, während ich noch an der Vernichtung eures Rufes arbeite, um euch und die Ehre eurer Familie vollends zu zerstören. Na, wie klingt das für euch?" fragte Aspen nur fröhlich, als würde sie die drei Brüder auf einen netten Brunch einladen.
Diese warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie wussten genau, was die anderen dachten und nickten beinahe zeitgleich, als hätten sie stumm bereits einen Schlachtplan ausgearbeitet.
„Wir bitten um einen Moment, um uns zu besprechen, Miss Salem. Bitte entschuldigen Sie vielmals" flötete Charles fröhlich in sein Handy, bevor er es auf stumm schaltete und sich mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu seinen Geschwistern wandte.
Nicholas war zu vertieft in seinen Gedanken. Liope Salem hatte damals mit ihm geflirtet? Er hatte es als einen netten Plausch unter Arbeitskollegen aufgenommen.
Als er noch einmal über das Gespräch nachdachte, viel es auch ihm auf und er wollte im Boden versinken.
Vielleicht sollte er den Flirtkurs, den Charles ihm angeboten hatte, damit er wenigstens erkennen konnte, wenn ein Mensch mit ihm flirtete und nicht nur ein normales Gespräch führte, doch annehmen und wirklich lernen was soziale Interaktionen eigentlich sind.
„Ich erkläre diese Frau für Heilig. Wäre ich nicht die Homosexualität in Person, würde ich sie sogar heiraten." Nicholas hatte Charles noch nie so ernst erlebt. Er hatte noch nicht einmal gewusst, dass das möglich war. „Und sollte jemand diese wunderbare Göttin verletzten, dann werde ich die Welt vernichten und danach mich selbst."
„Aw, Sie schmeicheln mir wirklich, Charles. Ich fühle mich geehrt, dass sie derartige Gefühle mir gegenüber hegen. Aber wie wäre es, wenn wir uns irgendwann einmal zu einem Kaffee verabreden und uns erst besser kennenlernen, bevor Sie ihr Leben für das meine geben" schlug Asperia amüsiert vor, die hohe Sprache noch immer mit falschem Vergnügen anwendend, doch ihre Stimme klang nicht mehr durch das Telefon verstellt, sondern real, als wäre sie in diesem Raum.
Und tatsächlich. Auf dem Fensterbrett kniete eine kleine Frau mit wilden, pechschwarzen Haaren und dunkler Haut. Ihre Augen waren grün und orange, als würden sich diese beiden Farben um die Herrschaft der Iris streiten und ein freches Grinsen zierte ihre Lippen.
Sie wirkte vielleicht klein und war viel zu dünn für normale Maße, aber dennoch strahlte sie eine gewisse Macht aus, die Nicholas sich nicht erklären konnte. In ihrer Hand hielt sie auch noch das Handy, mit dem sie die Rune-Brüder angerufen hatte und ohne weitere Worte zu wechseln, bestieg sie die Wohnung durch das geöffnete Fenster.
Nicholas konnte sich genau daran erinnern, dass er dieses Fenster geschlossen hatte.
Sie waren Auftragskiller, ihre Sinne waren geschärft und ihre räumliche Wahrnehmung perfektioniert, sodass ihnen nichts entgehen konnte, aber dennoch hatte diese Frau es irgendwie geschafft, unbemerkt das Fenster zu öffnen und das Apartment zu betreten.
Hätte sie sich nicht gemeldet, hätte sie vielleicht sogar Nicholas töten können, bevor es irgendjemand bemerkt hätte.
Es war ein erschreckender und zugleich beeindruckender Gedanke und Nicholas war froh, diese Frau nicht auf der gegenüberliegenden Seite zu haben, sondern auf der seinen.
„Miss Salem" antwortete Charles ruhig, als hätte er dieser Frau nicht gerade einen indirekten Heiratsantrag gemacht. Naja, vermutlich hatte er nur wieder einmal vergessen, nachzudenken, bevor er seine extrem große Klappe geöffnet hatte.
„Ich bitte dich. Nach diesem Gespräch können wir uns doch duzen, nicht wahr? Ich fühle mich wie meine Mutter, wenn ich mit >Miss Salem< angesprochen werde und ich würde nur wirklich ungern wie sie enden. Nennt mich Aspen, nicht Asperia. Die Chance, dass ich euch erwürgen werde, steht noch offen" warnte Asperia die drei Brüder und Nicholas konnte hören, dass Charles ein leises „Ich bitte darum" von sich gab, das von der Assassine jedoch ignoriert oder nicht aufgenommen wurde (Nicholas tippte auf das erste, wenn er das Zucken ihrer Mundwinkel richtig deutete).
„Wir fühlen uns sehr geehrt, von einer bekannten Assassinen wie Ih- dir angesprochen zu werden, Aspen. Du hast Glück. Unser letzter Auftragsgeber hat sich wohl zurückgezogen und wir langeweilen uns bereits. Hoffen wir, dass dein Auftrag interessant wird," sagte Nicholas noch immer bewundernd und mit leuchtenden Augen.
Asperia Salem selbst stand vor ihm, in Fleisch und Blut. Ihre Aura war so mächtig, stark und unbändig. Wie das Meer während eines Sturms.
„Keine Sorge, Kleiner," antwortete Aspen ihm grinsend (Er war mindestens 30 Zentimeter größer als sie, akzeptierte den Spitznamen jedoch), „ich bin bei diesen Chaoten schon seit fast einem Monat und es gab keinen Tag, an dem mir wirklich langweilig wurde. Ich denke, ich kann euch mit genügend Spannung versorgen. Jetzt kommt. Robb, Alessia und Lorcan warten schon im Bus. Ihr kennt sie bestimmt noch aus der Arena. Ihr wart mehrere Male zur Folter verabredet. Wenn wir sie warten lassen, dann stellen sie noch etwas dummes an, wenn sie das nicht schon längst getan haben!" spornte Aspen sie an und tatsächlich.
Als Nick mit seinen Brüdern und Aspen nach draußen ging, sah er einen quietschgelben Schulbus vor dem Apartmentkomplex stehen. Er war vollgefüllt mit bunten Gummienten und einer echten Ente (woher auch immer diese kam) und am Steuer saßen drei Idioten.
Auch wenn dies wie ein Fehler des Autoren wirken könnte, meint dieser es vollkommen ernst.
Es war ein gelber Schulbus, dessen Sitze mit bunten Gummienten besetzt waren und Robb hing von der Decke, Alessia saß am Fahrerstuhl und Lorcan hatte es irgendwie geschafft, seine Beine aus dem Fenster neben dem Fahrersitz baumeln zu lassen. Das einzige was sie gemeinsam hatten: Sie hielten das Steuerrad mit nur einer Hand und hatten diese miteinander verbunden (Woher hatten sie bitte drei Handschellen?!)
„Steigt ein, Jungs. Wir sollten hier weg. Auf dem Weg hier her haben wir einen Laden ausgeraubt. Der hat aber aus irgendeinem Grund nur Gummienten verkauft. Naja, wir sollten uns jedenfalls beeilen bevor die Polizisten, die wir auf dem Weg getroffen haben, bemerken, dass wir ihre Handschellen haben. Los geht's!" erklärte Aspen (nicht wirklich) und schon saß Nicholas am Boden (er stahl den Gummienten (und der einen echten) nur ungerne den Platz) des genannten Busses. Er bereute seine Lebensentscheidungen in diesem Moment.
Denn wer auch immer auf die Idee gekommen war, Alessia, Robb und Lorcan fahren zu lassen, war ein verdammter Idiot.
Und wer auch immer auf die Idee gekommen war, Aspen von allen traumatisierten Mitgliedern des Widerstandes mitzuschicken um drei Auftragskiller abzuholen, war ein noch viel größerer Idiot.
Denn, wie man sich vielleicht denken kann, wenn man sich nicht zu Dritt eine einzige Gehirnzelle teilt (damit sind natürlich nicht unsere drei Genies, Alessia, Lorcan und Robb gemeint), ist es nicht so einfach einen Bus zu fahren, während nur eine Person wirklich normal sitzt (was man von Alessia auch nur behaupten kann, wenn man seine beiden Augen schließt und luzide Träume hat) und die anderen beiden von der Decke oder aus dem Fenster hingen und sie sich die Hände per Handfesseln zusammengebunden hatten.
Am Ende des Tages war von mehreren Wahnsinnigen die Rede, die einen Schulbus geklaut hatten und vollkommen von Sinnen durch die Stadt fuhren (sogar Psychiatrien in der Nähe waren gecheckt worden, ob spezielle Patienten nicht zufälligerweise nicht mehr in ihren Räumen saßen) und dabei immer wieder bunte Gummienten verloren, wenn sie so scharfe Kurven fuhren, dass der gesamte Bus beinahe umkippte.
(Aspen hatte sogar ihren eigenen Abschnitt bekommen, weil sie auf dem Bus gesurft war und dabei >Alle meine Entchen< gesungen hatte. Sie war stolz auf sich selbst).
Jap. Nicholas hatte definitiv den Verstand verloren und er wünschte sich Casmiel Tripe zurück, der als einziger ein normales Gespräch mit ihm geführt hatte, in dem er sich nicht gelangweilt und traumatisiert hatte.
Und sobald man sich Casmiel Tripe als Gesprächspartner zurück wünscht, weiß man, dass man einen Fehler in seinem Leben begangen hatte.
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