9
Ruckartig riss ich meine Augen auf. Dunkelheit, völliges schwarz, umgab mich. Stocksteif lag ich da, versuchte meine panische Angst und meine Atmung zu kontrollieren.
Jemand musste das Licht anmachen. Jemand muss das Licht anmachen, wiederholte es sich ständig in meinem Kopf.
Tief holte ich Luft, bevor ich meinen Mut zusammennahm und mich zu meinem Lichtschalter beugte.
Erleichterung durchströmte mich, als Licht das Zimmer flutete und ich feststellte, dass ich allein war.
Dämonen hatten mich in meinem Albtraum verfolgt, bis sie mich töteten. Meine Schreie konnte ich noch immer hören, den Schmerz noch immer fühlen.
Mit zittrigen Beinen richtete ich mich auf und schwankte zum Bad. Das kalte Wasser brannte auf meiner Haut, holte mich aber wieder wieder in die Realität zurück und erinnerte mich an die Party von Noah, auf die ich heute Abend noch musste.
Lucien hatte ich nichts davon erzählt. Entweder hätte er es mir ausgeredet oder es nicht erlaubt. Wobei mein Bild sich über ihn seit gestern ein wenig geändert hatte.
Am Nachmittag war er nicht lange geblieben, nur bis er den Kaffee getrunken hatte.
Eine Weile hatten wir uns nur seltsam angeschwiegen, bis wir uns über Dinge wie Filme und Kekse unterhielten. Es klang banal, doch es war schön gewesen. Es hatte sich für wenige Minuten alles normal angefühlt, als würde ich mich mit einem engen Freund unterhalten, über eben diese Banalen Dinge.
Das kurze Piepen des Ofen riss mich aus den Erinnerungen. Gähnend nahm ich das Brötchen aus dem Ofen und bereitete mir ein Frühstück zu, wie ich es lange nicht mehr gegessen hatte.
☁️
Den ganzen Tag hatte ich mir Zeit für mich genommen. Ich hatte mir meine Haare geschnitten, Spülungen genutzt, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich sie besitze und mein Zimmer zusammengeräumt.
Lucien hatte sich nicht einmal bei mir gemeldet, noch war er bei mir aufgetaucht. Nicht einmal Dämonen waren aufgetaucht. Der Tag konnte nur noch besser werden.
Mittlerweile hatte ich sogar Lust auf die Party bekommen. Endlich könnte ich mehr Zeit wieder mit meinen Freunden verbringen und etwas Abwechslung genießen.
Nach einen kurzen Blick auf die Uhr stürzte ich mich auf meinen Kleiderschrank. Ein Kleidungsstück nach dem anderen flog aus dem Schrank, bis ich ein locker sitzendes schwarzes Kleid fand. Ich hatte zwar keine Ahnung wann ich es mir gekauft hatte, aber für die Party schien es mir passend.
Rasch zog ich mich an und legte etwas Make-Up auf, vor allem einen roten Lippenstift, der zu meinen Haaren passte und dunklen Eyeliner, bevor ich meine Haare halbwegs zusammenband und mich vor den Spiegel stellte.
Tief atmete ich durch.
Ich war es nicht gewohnt, mich so zurechtzumachen. Dennoch gefiel es mir. Ich wirkte wieder lebendig, als hätte ich endlich Farbe bekommen, obwohl das Outfit schwarz war.
Aus meinem Kleiderschrank holte ich mir noch meine rote Lederjacke und streifte sie mir über, bevor ich mich auf mein Bett setzte und auf Tyler wartete.
Mit wippendem Fuß blickte ich immer wieder auf mein Telefon. Sobald Tyler da war, wollte er sich bei mir melden.
Es dauerte nicht lange, bis ich seine Nachricht erhielt. Eilig schnappte ich mir meine Handtasche, hinterließ meinem Vater einen Zettel, das ich später Zuhause sein würde und schloss die Tür ab.
Freudig ließ ich mich neben Tyler auf den Sitz fallen.
"Du siehst großartig aus, Aspen", erwiderte Tyler und fuhr los.
"Du genauso!"
Tyler hatte sich einer seiner Poloshirts angezogen mit einer grauen Hose. Es stand ihm ausgezeichnet.
"Wir schaffen das schon", munterte ich ihn kurz auf, bevor wir das Auto verließen. Von außen hörte man bereits den übermäßig lauten Bass der Boxen, gemischt mit dem lautem Stimmengewirr der vielen Leute.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie viele Leute Noah zu sich Nachhause eingeladen hatte.
"Das wird super", murmelte Tyler, während er unsicher voraus blickte. Ich wusste wie sehr er Partys hasste.
"Lass uns reingehen. Mir ist wirklich kalt!"
Tyler betrachtete mir kurz, bevor wir uns in Bewegung setzten.
So näher wir dem Haus kamen, umso lauter wurde die Musik. Man konnte bereits die Vibration spüren.
"Aspen! Tyler!", rief eine schrille Stimme nach uns.
Penny kam aus dem Haus geeilt. In ihrer Hand hielt sie eine Bierflasche. Lachend kam sie auf uns zu. Eng umarmte sie uns beide.
"Ich bin froh, dass ihr beide gekommen seid", rief sie uns über die Musik hinweg zu.
"Wie viel hast du schon getrunken?", rief Tyler in Pennys Ohr. Diese zeigte auf ihr Bier und deutete eine Eins an mit ihren Fingern.
"Kommt mit rein!"
Leise seufzte ich, bevor ich Penny folgte.
Der Lärm wurde im Haus nur noch lauter. Überall drängen sich Menschen eng einander. Ein paar stand küssend an der Theke, während sie sich wie wild berührten.
Peinlich berührt schaute ich davon, doch sie waren nicht die einzigen die rummachten.
Andere dagegen tanzten zu dem lauten Bass der Musik, während sie den Alkohol in sich hineinschütteten.
Manche lagen bereits ausgelaugt auf dem Sofa, dem erbrechen nahe.
Es war eine verdammt schlechte Entscheidung gewesen hierher zu kommen. Nun gab es aber kein zurück mehr.
"Da hinten ist Noah!", schrie ich Penny über die Musik hinweg und wies uns an ihr zu folgen. Durch die Mengen drängelten wir uns ihr hinterher, bis wir Noah erreicht hatten.
Er lehnte an die Theke, unterhielt sich mit einem seiner Kumpel und trank sein Bier. Als er Penny sah, stellte er es auf die Theke und zog sie zu sich. Eng umschlangen seine Arme sie und küsste Penny innig.
Noahs Freund zuckte nur mit den Schultern, als er uns anblickte.
"Man sieht sich, Jackson", erwiderte er und klopfte Noah kurz auf die Schulter, bevor er sich abwandte.
Noah schien gar nicht zu bemerkten, dass sein Freund gegangen war, stattdessen ließ er seine Hände merklich zu Pennys Po fahren.
Ich verdrehte die Augen und nahm Tylers Arm, um mit ihm zu gehen. Tyler hatte die beiden wie hypnotisiert beobachtet. In seinen Augen konnte ich sehen, wie verletzt er war.
Er sollte sich das nicht länger ansehen.
Doch bevor wir gehen konnten, lösten sich Penny und Noah voneinander.
"Ihr seid also doch gekommen. Hätte ich nicht erwartet", erwiderte Noah überheblich grinsend und lehnte sich wieder an die Theke.
"Wir bleiben auch nicht lange."
Er hob lachend die Hände und griff danach direkt wieder zu seiner Bierflasche.
"Keine Eile! Wir haben genug Alkohol, auch für euch beide."
"Wir trinken nicht", mischte sich nun auch Tyler ein, der sich aus seiner Starre gelöst hatte.
Erneut lachte Noah los, woraufhin Penny ihn kurz einen scharfen Blick zuwandte.
"Dann halt nicht, Langweiler", kommentierte Noah und packte Penny an der Hand. "Viel Spaß euch!"
Penny folgte lachend Noah und ich ahnte bereits, wo ihr Weg hinging.
"Tyler."
Bevor ich meinen besten Freund aufhalten konnte, stürmte er bereits davon.
Kurz berührte ich mit den Fingern meine Schläfen.
Tyler war meine einzige Mitfahrgelegenheit gewesen. Ins Noahs Auto würde ich keinen Fuß setzen, solange er betrunken war.
Eilig gab ich mir einen Ruck und eilte dahin, wo Penny und Noah verschwunden warne. Leise öffnete ich die Tür und spähte herein. Beide lagen lachend auf dem Bett, waren aber noch bekleidet.
"Penny?"
Ruckartig fuhr sie herauf. Sofort schoss ihr die Röte ins Gesicht.
"Was willst du, Rotschopf", maulte Noah genervt und setzte sich auf. Sein Shirt war im ungünstig verrutscht und entblößte seine markanten Hüftknochen.
"Mit meiner Freundin reden!"
Meine Stimme duldete keine Widerrede. Seufzend richtete sich Penny auf und schloss die Tür hinter sich.
"Was gibt es?", fragte sie und zum ersten Mal hörte ich etwas gereiztes in ihrer Stimme.
Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte. Eilig nahm ich meinen Mut zusammen und sprach das aus, was ich seit langem sagen wollte.
"Ich glaube, Noah ist nicht der richtig für dich."
Entsetzt blickte sie mich an, bevor sie leise lachte.
"Nicht dein ernst, Aspen, oder?"
"Noah ist seltsam. Er verschwindet immer wieder von der Oberfläche, spielt sich wie der größte auf. Er wird dir das Herz brechen und das will ich verhindern."
Penny blickte mich nur herablassend an. Ihre blauen Augen wirkten mit einmal so kühl und ihr blaues Kleid verstärkte den Effekt.
"Du willst mir Beziehungstipps geben? Du warst es doch die seinen Exfreund das Herz gebrochen hat!"
Ihre Worte setzten mir einen Stich ins Herz. Penny hatte die schwerste Zeit meines Lebens angesprochen, von der wir uns geschworen hatten nie wieder zu sprechen.
"Du weißt, aus welchem Gründen ich es getan habe. Er war nicht gut und meine Mutter ist gestorben..."
"Lass mich einfach in Frieden mit deinen Ratschlägen und krieg erstmal dein Leben in den Griff, bevor du über meines Urteilst."
Wütend öffnete sie die Tür, rauschte in das Zimmer und schmiss sie lautstark vor mir zu.
Geschockt blieb ich zurück. Immer wieder durchfuhr ein unangenehmes Stechen meine Brust. Während ich mich zurück kämpfte, rang ich nach Atem, was bei dieser stickigen Luft schwer fiel.
Erschöpft ließ ich mich auf eines der Sofas fallen.
Ich hatte ein riesiges Problem. Nicht nur, dass Tyler verschwunden, ich mich mit Penny gestritten und sie furchtbare Erinnerungen in mir heraufgebracht hatte, sondern auch, dass ich hier festsaß, ohne das mich jemand nachhause bringen konnte.
Verzweifelt ließ ich meinen Kopf gegen die Lehne sinken.
"Da sieht jemand fertig aus. Zu viel getrunken?", fragte eine dunkle Stimme, die mir unbekannt war. Ich hatte zuerst gehofft es war Lucien, doch ich irrte mich.
Vor mir stand ein junger Mann, vielleicht Mitte neunzehn, Anfang zwanzig. Er hatte tiefschwarzes Haare, die ordentlich gegelt waren und dunkle Augen, die wie Onyx.
"Du solltest etwas trinken", riet er mir mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.
"Ich trinke nicht", antwortete ich ihm, überlegte es mir aber sofort anders. Vielleicht konnte mich mit etwas Alkohol meine miese Laune und die üblen Gedanken für eine Nacht vertreiben.
"Meinetwegen."
Der junge Mann lächelte nett und half mir beim aufstehen.
"Cassian. Cassian Moore", stellte er sich mir vor, während er uns irgendetwas zusammenmischte.
"Aspen."
Noch immer lächelnd reichte er mir einen Becher. Was auch immer da drin war, roch stechend.
"Auf einen guten Abend."
Zusammen tranken wir das übel riechende Zeug. Es brannte und ich konnte spüren wie es die Speiseröhre entlangfloss. Dennoch nahm ich noch einen Schluck bis das Zeug leer war.
"Bist du ein Freund von Noah", schrie ich über die Musik hinweg, die erneut lauter gedreht wurde.
Kurz blickte er mich stirnrunzelnd an, bis er nickte.
"Ja, ein alter Bekannter aber nur", erwiderte er und mischte uns erneut was zusammen.
"Willst du tanzen?"
Er reichte mir seine Hand.
Kurz blickte ich in die schwarzen Augen. Sie hatten eine Wirkung, als würden sie mich in einen Bann ziehen. In einen wunderschönen Bann.
"Gerne."
Während ich ihm zur Tanzfläche folgte, schien die Musik lauter geworden zu sein und alles drehte sich leicht.
Nur Cassian war klar zu erkennen.
"Du solltest das austrinken, bevor du es verschüttest."
Schmunzelnd deutete er auf meinen Becher in der Hand. Eilig trank ich die Flüssigkeit aus. Mit jedem Schluck brannte es weniger in meinem Hals.
Rasch stieg mir der Alkohol zu Kopf. Meine Welt schien sich zu drehen. Meine Füße schwankten bedrohlich, doch die Sorgen und der Kummer war verschwunden. Auch die ganzen Gedanken erfüllten nicht mehr meinen Kopf.
Alles fühlte sich sorglos und unbeschwert an.
Lachend tanzte ich mit Cassian.
Seine Augen beobachteten mich intensiv, während wir uns zu der Musik bewegten.
"Warum bist... du mir nie eher aufgefullen", lallte ich vor mich hin und musste lachen.
"Ich kann gut in der Masse untertauchen", erwiderte er grinsend und zwinkerte mir kurz zu.
Mit einmal spürte ich seine Hand an meiner Hüfte und wie mich enger zu sich zog. Kurz stoppte meine Atmung, bevor ich leise Luft holte.
"Du aber kannst gar nicht untergehen in der Masse", murmelte er in mein Ohr.
Ein Schauer lief über meine Arme.
"Du bist wunderschön."
Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meine.
Eine Gänsehaut rauschte über meinen Rücken. Ich wollte ich von mir wegstoßen, doch irgendetwas gefiel mir.
Ein seltsames Gefühl floss durch meinen Körper, welches mich zu ihm zog. Ich wollte nicht von ihn weg und könnte es wahrscheinlich auch nicht.
Alles um mich herum drehte sich wie ein Karussell. Meine Beine waren wackelig. Ohne ihn würde ich zusammensacken. Doch er hielt mich eng umschlungen fest.
Ich erwiderte seine Kuss und zog ihn enger an mich heran, sodass ich seinen Körper an meinem spürte. Seine Lippen wanderten zu meinem Hals und verteilten Küsse auf diesen. Leise seufzend glitt mein Kopf in den Nacken und genossen was seine Zunge machten.
"Lass uns woanders hin", murmelte er in mein Ohr und hielt meinen Kopf mit seiner Hand.
Etwas in mir schrie ihm nicht zu folgen, etwas warnte mich vor ihm, doch mein Körper wollte mir nicht gehorchen. Als würde mich jemand steuern folgte ich ihm.
Wir verließen das Haus.
Dunkelheit umgab uns. Die Kälte umhüllte mich wie ein eisiger Schleier und ließ mich frösteln, doch auch mein Verstand wieder klarer werden.
"Wir sollten zurückgehen", erwiderte ich unsicher und stoppte in meiner Bewegung.
Seit wir das Haus verlassen hatte, die Musik leiser geworden waren und die Menschen weniger, fühlte ich mich ein Stück besser. Mit einem Mal spürte ich das etwas seltsam war, auch wenn ich noch nicht greifen konnte, was es war.
"Drinnen ist es viel zu laut", sprach Cassian ruhig. Mit einem Mal funkelten seine Augen nicht mehr anziehend, sondern wirkten unheimlich.
"Lass mich los", ging ich ihn an und wollte mein Handgelenk aus seinem reißen, doch hielt er es eng umschlungen.
Mit einem Ruck zog er mich an sich. Eng umschlungen hielt er mich fest, sodass ich nicht zurückweichen konnte.
Sein Gesicht war meinem ganz nah. "Dir hat es doch auch gefallen", flüsterte er.
Ein Zittern erfasste meinen Körper, welches nicht von der Kälte stammte. Ängstlich versuchte ich zurückzuweichen.
"Ich bin betrunken. Da passiert das mal."
Leise lachte er, bevor seine Lippen meine Wange entlangstrichen.
Stocksteif stand ich da, nicht in der Lage mich zu wehren. Angst kroch in jedes meiner Glieder. Ich hätte verdammt nochmal nicht auf diese Party kommen sollen. Mein Gefühl betrügt mich nie.
"Wir haben dir versprochen, dass wir kommen", sprach er leise in mein Ohr.
Mein Herzschlag beschleunigte sich rasant. Schock durchfuhr meinen Körper. Nichts hielt mich mehr davon ab, mich zur Wehr zu setzen.
Das war kein Freund von Cassian, weder war er überhaupt ein Mensch. Es war ein Dämon von Ares.
Ruckartig riss ich mich von ihm los. Doch noch immer drehte sich alles. Stolpernd stürzte ich zu Boden, wobei etwas meinen Arm aufriss.
Schreiend presste ich meinen Arm auf die Wunde. Sogar im dunklen konnte ich das Blut sehen.
"Er wird dich immer finden, Aspen."
Plötzlich knackte Cassian seinen Nacken und aus dem schönen Mann wurde ein hässlicher Dämon, mit flackernden Augen.
Panisch versuchte ich wegzurutschen, doch der Dämon kommt immer näher.
Ängstlich reiße ich meine Arme hinauf, als ich ein lautes Zischen höre. Ruckartig öffne ich die Augen.
Der Dämon hatte sich wieder in Cassian verwandelt. In seiner Brust steckte ein schimmernder Pfeil.
Bevor er ihn rausziehen kann, zerfällt er in staub.
"Aspen!"
Ich dachte es wäre Lucien gewesen. Mal wieder hätte er mich gerettet. Aber bereits in der Dunkelheit erkannte ich, das es nicht Lucien war, sondern Noah.
In seiner Hand hielt er einen Bogen, von dem er den Pfeil hatte abfeuern müssen. Sprachlos setzte ich mich auf.
Er eilte auf mich zu und ging vor mir in die Hocke. Kopfschüttelnd betrachtete ich ihn und versuchte zu begreifen, was geschah.
Noah hatte einen Dämonen getötet, mit einem Pfeil und einem Bogen. Der Noah, den ich über alles hasste, hatte mir mein Leben gerettet. Vor einem Dämonen.
"Wie-wie?", stotterte ich vor mich hin.
Lucien hatte mir erzählt, das nur die Waffen der Engel Dämonen töten konnten. Warum tötete ein gewöhnlicher Pfeil den Dämonen?
"Wer bist du?"
Noah streckte seine Hand nach mir aus, doch ich schreckte zurück.
"Wer bist du?", schrie ich ihn, voller Panik. Noah war mir schon immer seltsam vorgekommen, aber das war zu viel.
"Sei leise, bevor man uns hört", stieß er aus und blickte sich kurz um. "Vielleicht solltest du mir erklären, wer du bist, Aspen! Warum hat der Dämon dich angegriffen und wieso konntest du ihn sehen?"
Stirnrunzelnd betrachtete ich ihn, bevor ich ihm antwortete, auch wenn ich ihm alles andere als traute.
"Es gibt Engel und Dämonen und Ares, irgendein Gott des Krieges, jagt mich mit seinen Dämonen, weil ich einen Bund mit einem Engel habe, welches die ganze Menschheit schützen soll", sprudelten die Worte nur so aus mir heraus.
Tief holte ich Luft, bevor ich zu Noah schaute. Er musste mich für verrückt halten, obwohl er den Dämonen selbst gesehen hatte.
Er legte den Kopf in den Nacken und seufzte. Dann schaute er mich wieder an. Zum ersten Mal sah ich etwas in seinen Augen, was mir bisher fremd gewesen war. Mitleid.
"Ich kenne die Welt, Aspen. Ich bin mit ihr aufgewachsen", erklärte er mir. "Nur hatte ich gehofft, dass Penny oder du, diese Welt niemals kennenlernen müsst."
Mit leicht offenem Mund starrte ich ihn an.
Langsam begriff ich seine Worte.
"Wie?", flüsterte ich.
"Ich gehöre einem alten Stamm von Dämonenjäger an. Unsere Aufgabe ist es, Dämonen zu finden und zu töten. Daher reise ich sooft und bin teilweise Monate verschwunden."
Meine ganze Welt fing an sich zu drehen. Mein bisheriges Leben und all jene Erinnerungen zogen wie ein Film an mir vorbei, doch jedes Mal veränderte sich eine Erinnerung.
Mein Leben kam mir mit einmal wie eine seltsame Lüge vor.
Die ganze Zeit hatte eine andere Welt neben mir existiert. Und Noah wusste davon. Endlich begriff ich warum er so war wie er war. Er versuchte uns vor dieser Welt zu schützen. Nun steckte ich aber mittendrin.
Wir beide steckten mittendrin.
Vielleicht sollte ich wütend auf ihn sein, dass er niemals etwas erzählt hatte. Doch ich fühlte Erleichterung. Endlich war ich nicht mehr allein. Ich hatte jemanden, den ich kannte, der ebenfalls dieser zweiten Welt angehörte.
"Danke", hauchte ich und fiel ihn in die Arme.
Nur zögerlich schlossen sich seine Arme um mich. Eng umschlossen sie mich. Zum ersten Mal verschwand das Gefühl der Einsamkeit.
Kurz schloss ich die Augen, bis es mir nicht mehr gut ging.
Das Adrenalin war verschwunden, stattdessen überrollte mich eine Welle der Übelkeit. Kalter Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Mein Magen krampfte sich zusammen.
Ruckartig stieß ich Noah von mir und übergab mich.
"Aspen!", rief Noah und kniete sich neben mich. Er nahm meine Haare und hielt sie mir aus dem Gesicht, bis sich mein gesamter Mageninhalt ausleerte.
"Dieser Dämon muss dir etwas ins Getränk gemischt haben", knurrte Noah wütend und blickte zu dem Haufen Asche.
"Geht schon", murmelte ich und wollte mir mit dem Ärmel über den Mund wischen.
"Du blutest!", rief Noah und deutete mit dem Kopf auf den Arm. Der Lederstoff war aufgerissen. Noch immer trat Blut aus der Wunde.
Erschöpft wollte ich auf den Boden sinken, als es mir erneut hochkam.
"Ich sollte dich woanders hinbringen", bemerkte Noah und berührte mich vorsichtig an der Schulter.
"Ich will nur Nachhause", murmelte ich.
"Du kannst erstmal hier bleiben. So solltest du nicht allein sein und die Wunde muss dringend versorgt werden."
Er half mir beim aufstehen.
Alles um mich herum verschwamm zu einem einzigen Brei. Noah hatte ja recht, aber hier wollte ich nicht länger bleiben.
Ich wollte mich von ihm lösen, doch hielt er mich weiterhin fest.
"Lass sie sofort los", donnerte eine Stimme.
Ruckartig wurde ich losgelassen. Es donnerte kurz, bis ich zwei Menschen zu Boden gingen sah.
Stirnrunzelnd versuchte ich auszumachen, wer gekommen war.
"Lucien", rief ich.
Seine Faust traf Noahs Gesicht.
"Hast du sie angefasst? Sie ist betrunken! Was macht sie allein mit dir hier?", schrie er und setzte erneut eine Faust an.
"Ich habe ihr geholfen", knurrte nun Noah und packte die Faust von Lucien.
Mit einem Mal ließ Lucien die Faust sinken.
"Das Symbol", bemerkte Lucien. Ich versuchte auszumachen, was Lucien gesehen hatte, doch in der Dunkelheit sah man nichts.
"Du gehörst zu den Jägern."
Zögerlich richtete sich Lucien auf. Noah stand ebenfalls auf, wobei Lucien jeder seiner Bewegungen folgten.
"Die Jäger sind seit Jahrhunderten ausgestorben."
Kopfschüttelnd betrachtete Lucien Noah. Mit einem dröhnenden Kopf und unzähligen Fragen beobachtete ich die beiden.
"Scheinbar nicht. Sonst würde ich das Symbol nicht tragen und deine Freundin nicht vor einem Dämonen bewahrt haben", kommentierte Noah herablassend und blickte wieder zu mir.
"Was", entfuhr es Lucien. Sein Kopf fuhr zu mir herum.
Kurz zuckte ich mit den Schultern, wobei die Bewegung ein Stechen in meinem Kopf jagte.
"Er hat ihr etwas ins Getränk gemischt und wollte sie hier draußen töten. Ich habe ihr gerne geholfen, obwohl das deine Aufgaben gewesen wäre."
Wütend funkelten Luciens Augen Noah an, bevor er zu mir eilte.
Unerwartet legten sich Luciens Hände um meine Wange.
"Ist alles gut? Hat der Dämon dir etwas getan?", fragte er mich eindringlich, bevor er nach Wunden suchte.
Vorsichtig hob er meinen Arm an.
"Ein Stein", murmelte ich nur erschöpft. Auch wenn alles sich in mir dagegen sträubte, legte ich meinen Kopf vor Müdigkeit an Luciens Brust.
"Und zu viel Alkohol", bemerkte Noah.
"Das wird wieder", flüsterte Lucien mir zu. Mühelos hob er mich in seine Arme.
"Du willst mich doch nicht so mit dem Motorrad nachhause fahren?", scherzte ich und lächelte müde.
"Nein, ich habe eine viel bessere Idee."
Lucien entfaltete seine Flügel. Erneut war ich sprachlos über die Schönheit von ihnen. Mit dem Fingern wollte ich nach ihnen fassen, doch war ich zu müde.
"Die lassen dich verdammt heiß aussehen", murmelte ich leise, bevor ich die Augen schloss und in Dunkelheit davondämmerte.
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