15
Ich konnte kaum glauben, dass Damian Luciens Bruder war. Überhaupt, dass Lucien einen Bruder hatte.
Besser gesagt, Halbbruder.
Der Sohn von Ares.
Die Worten waren viel schlimmer, als der Fakt, dass Lucien einen Halbbruder hatte.
Ares wollte mich Tod sehen und nun ging ein Sohn von ihm auf unsere Schule.
Kein Wunder, dass Lucien so reagiert hatte. Und dennoch waren weitere Fragen offen geblieben, auf dem Stapel, welcher sich die letzten Wochen gesammelt hatte.
So viele Fragen waren unbeantwortet und ich fragte mich, was noch kommen würde, welche Geheimnisse noch offenbart werden würden und welche Geheimnisse uns zerstören konnten.
Jetzt müssten wir erst einmal Luciens Bruder unter Beobachtung halten. Neben Ares und den Dämonen, konnte er zu einer weiteren Gefahr werden.
Auch mussten wir herausfinden, welche Rolle seine Freundin Payton spielte und wie sie in das Puzzle hereinpasste, wobei ich ahnte, dass Lucien das bereits wusste.
Zumindest war er auf die Anwesenheit der Brünette nicht überrascht gewesen. Als gehörten Damian und sie zusammen.
Seufzend zog ich mir die Decke über den Kopf, in der Hoffnung das Gedankenkarussell zu stoppen.
Sich pausenlos Gedanken zu machen würde niemanden weiterhelfen.
Ein leises Piepen ertönte von meinem Telefon. Widerwillig richtete ich mich auf und nahm es in meine Hände.
Auf dem Bildschirm erschien eine Nachricht von Penny.
"Heute 12.30 bleibt bestehen? Ich freue mich. Kuss Penny!"
Leise stöhnte ich, bevor ich mich aus dem Bett rappelte. Die Verabredung mit Penny und Tyler zum Waffel essen im Café hatte ich fast vergessen. Es war nicht so, als hätte ich keine Lust, doch sehnte ich mich grade nach einem Tag ohne Action, nur für mich allein.
Nach dem Tod meiner Mutter war ich oft allein gewesen und hatte das Gefühl der Einsamkeit gehasst, doch nun vermisste ich es manchmal. Jeden Tag passierte etwas Neues und alles schien sich zu überschlagen.
Am liebsten würde ich die Zeit mit meinen Händen festhalten und stoppen, wie es mir lieb war. Doch selbst in einer übernatürlichen Welt mit Engeln und Dämonen war das nicht möglich.
Deshalb sollte ich meinen Hintern aus dem Bett bekommen, um nicht zu spät zu kommen.
Eilig kämmte ich mir meine Haare, setzte mir eine Mütze auf, schlüpfte in meine Sachen und eilte in die Küche.
"Guten Morgen, Liebling", grüßte mich mein Vater, während er sich einen Kaffee einließ. Er sah ausgeschlafener aus als sonst. Die Haare waren wieder ein Stück kürzer, wie auch sein Bart. Die Augen hatten ein Stück ihres Leuchtens zurückerhalten.
"Gibt es etwas, was ich wissen muss?", fragte ich neugierig und versuchte die Freude in meinem Herzen zu kontrollieren. Diesen Anblick von ihm hatte ich furchtbar vermisst.
"Ich habe wieder geschrieben", antwortete mein Vater mir und bekam das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht. "Erst fiel es mir so schwer, die richtigen Worte zu finden, doch dann flossen sie von allein auf das Papier!"
Seine Erfolge lösten ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Seine Art hatte ich so sehr vermisst, wie ich es gar nicht geahnt hatte. Doch nun wo er lächelnd vor mir stand, hoffte ich, er würde nicht erneut in diesen traurigen und melancholischen Mann zurück verfallen. Und ich wusste, dass ich das verhindern konnte, indem ich am Leben blieb.
"Das freut mich für dich", erwiderte ich lächelnd, während ich meine Schuhe anzog.
"Wohin gehst du heute?", fragte er mich, derweil er sich mit seinem Kaffee an den Tisch setzte.
"Ich gehe mit Tyler und Penny essen."
Von der Garderobe nahm ich mir meine Jacke und kramte aus einem der Schubfächer meinen Schal heraus. Er würde etwas gegen die eisige Kälte helfen.
"Habt viel Spaß. Komm nicht allzu spät nachhause. Es wird früh dunkel", erinnerte mich mein Vater, lächelte kurz und legte die Hände um die warme Tasse, bevor er aus der Tasse schlürfte.
"Werde ich nicht", versprach ich ihn und verließ das Haus.
☁️
Noch vor Penny und Tyler war ich am Café angekommen, da ich den frühen Bus geschafft hatte. Eine kurze Weile überlegte ich draußen zu warten, doch der peitschend kalte Wind, brachte mich schneller in das Café als gedacht.
Bereits als ich die Türen öffnete, spürte ich die wohlige Wärme, mit dem süßen Duft nach Vanille und der Röstbohnen für den Kaffee.
Meine Mutter war früher gerne in diesem Café gewesen. Sie liebte die Atmosphäre, die sich bis heute kein Stück geändert hatte.
Noch immer waren die Wände in einem hellen Braunton, die Sitze aus Kisten mit Kissen, auf den Tischen standen Öllampen, die Wände waren mit Bilderrahmen geschmückt, auch welchen Bilder von einigen älteren Bewohnern und Festigkeiten der Stadt waren und es wurde noch immer der Apfelstrudel angeboten, den ich durch dieses Café lieben gelernt hatte.
Auf dem alten Lieblingsplatz meiner Mutter ließ ich mich nieder und legte meine Sachen auf den benachbarten Sitz.
"Miss Bronte, Aspen!", rief eine freundliche Dame von der Theke aus. Aufgeregt kam sie mit ihrem Notizbuch zu mir gelaufen.
"Es ist so schön, dich wieder hier zu sehen", erwiderte sie lächelnd.
"Ich freue mich ebenfalls. Hier hängen so unzählige Erinnerungen an meiner Mutter."
Kurz blickte ich mich um und sah wie meine Mutter durch das Café lief.
"Sie fehlt uns wirklich sehr, aber wir freuen uns, dass du wieder hier bist."
Sie deutete mit dem Finger auf die Karte vor mir. "Möchtest du etwas bestellen?"
Kopfschüttelnd lehnte ich ab. "Ich warte noch auf Freunde!"
Sie nickte lächelnd und kehrte zurück zur Theke, um den Kaffee zu brühen.
Aus meiner Tasche zog ich meine Telefon, um die Uhrzeit zu prüfen und Penny eine Nachricht zukommen zu lassen, als ich eine dunkel gekleidete Person das Café betreten sah.
Als ich den Blick anhob, konnte ich meinen Augen kaum glauben.
Damian Black spazierte völlig entspannt durch die Tür herein und blieb vor der Theke stehen.
Charmant lächelnd lehnte er sich auf den Tresen und schmachtete die Barista an.
Kurz musste ich die Augen verdrehen, dass seine Masche klappte.
Während Damian auf seinen Kaffee wartete, drehte er sich eine Zigarette und spielte an seinem Feuerzeug herum, bis sein Blick den meinen traf.
Kurz grinste er mich an.
Genervt wandte ich rasch den Blick ab und durch scrollte die Nachrichten in der Schulgruppe.
Dennoch konnte ich spüren, wie Damian mich ununterbrochen beobachtete.
Tief atmete ich durch, um mich zu beruhigen. Es war der falsche Ort und die falsche Zeit, ihm eine Szene zu machen.
Doch hörte er nicht auf mich anzustarren. Eilig ließ ich mein Telefon in die Tasche sinken, schnappte mir diese und eilte an die Theke.
"Warum starrst du mich so an?", fragte ich Damian mit fester Stimme.
Langsam ließ Damian sein Feuerzeug in die Hosentasche gleiten, während er nicht aufhörte zu grinsen.
"Ich starre dich nicht an", erwiderte er seelenruhig, bevor er sich zu mir drehte.
Fast überheblich blickte er mich mit seinen grauen Augen an.
"Und was tust du dann?", blaffte ich ihn genervt an.
"Beobachten?", erwiderte er, fast selbstverständlich, als hätte ich es wissen müssen.
Mit gehobenen Augenbrauen starrte ich Damian an.
"Dann hör auf mich zu beobachten!", meckerte ich ihn an und schnappte mir meine Tasche.
"Oder starrst du mich nur an, weil du planst, wie du mich tötest?"
Leise lachte er und zeigte erneut seine weißen Zähne.
"Dich töten? Meine Zeit kann ich auch anders verschwenden."
Kopfschüttelnd lachte Damian, als wären meine Worte absurd, gar lächerlich.
"Du bist Ares Sohn. Was denkst du, was ich von dir halte?", fragte ich ihn offen, während ich eine tiefe Furche zwischen meinen Augenbrauen spürte.
"Ich sag dir mal eines, kleine Aspen", erwiderte Damian und lehnte sich zu mir. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und jagte eine Gänsehaut über die Arme. "Ich interessiere mich weder für Ares, noch meinen Bruder oder was mit deinem Leben geschieht. Das sind nicht meine Probleme."
"Der Kaffee", unterbrach die Barista das Gespräch und überreichte mit roten Wangen den Kaffee an Damian.
"Danke Ihnen vielmals."
Er nahm den Kaffee in seine Hand und machte sich dran das Café zu verlassen.
Schwer schluckte ich und stieß die angestaute Luft aus.
Sprachlos blickte ich Damian hinterher und versuchte zu begreifen, was eben geschehen war.
"Bin gleich wieder da!", rief ich der Barista zu und rannte Damian hinterher.
Doch bevor ich draußen war, sah ich ihn schon in seinen schwarz matt lackierten Wagen steigen.
Kurz warf er mir einen verachtenden Blick zu, bevor er laut quietschend losfuhr.
Seufzend fasste ich mir an die Schläfen. Kopfschüttelnd kehrte ich in das Café zurück.
Mittlerweile wusste ich nicht mehr, was ich glauben sollte. Wollte er wirklich mein Leben verschonen, oder war das alles nur Show?
☁️
Während Tyler und Penny mir gegenübersaßen und ihre Kekse aßen und die warme Schokolade tranken, stocherte ich gedankenverloren in meinem Apfelstrudel herum.
Damian und all seine Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
"Der Apfelstrudel möchte gegessen werden!", erwiderte Penny schmunzelnd und trank von ihrer Schokolade. Ein kleiner Schokoladenrand bildete sich um ihre Lippen herum.
"Was?", schreckte ich aus meinen Gedanken hoch und blickte zu meinem Strudel. Als er serviert wurde, war der hübscher gewesen.
Nach und nach schob ich mir ein Stück in den Mund, bevor er Ping ertönte, gefolgt von einem lauten Motor brummen außerhalb des Cafés.
"Darf ich dich entführen? Komm nach draußen; Lucien."
Kurz lehnte ich mich von meinem Stuhl zur Tür und entdeckte Lucien mit seinem Motorrad. Bei seinem Anblick raste mein Herz ununterbrochen. Nur schwer konnte ich mich beruhigen.
"Von wem ist die Nachricht?", fragte mich Tyler neugierig. Lächelnd steckte ich mir ein Stück Strudel in den Mund, um ihm nicht antworten zu müssen, zog mich an und richtete mich auf.
"Ich muss los. Wir sehen uns morgen", murmelte ich mit vollem Mund und eilte zur Tür.
"Wir wissen doch alle, zu wem du hinwillst", rief Penny über den Stuhl gelehnt mir hinterher. "Treibt es nicht zu bunt!"
Lachend verließ ich das Café. Pennys Art war zwar verrückt, aber auf eine liebevolle Art und Weise.
"Ich hoffe ich störe nicht", sagte Lucien, als er mich erblickte und reichte mir den Helm.
"Hast du!"
Leise lachend nahm ich ihn den Helm ab. "Wohin willst du mich bringen?"
Lucien schüttelte grinsend den Kopf und wies mich an auf das Motorrad zu steigen.
"Sonst wäre es doch keine Überraschung!"
☁️
Wir fuhren bis kurz außerhalb der Stadt und landeten in einem seltsamen Straßenviertel und blieben vor einem rustikal und heruntergekommenen asiatisches Imbiss stehen.
Skeptisch zog ich den Helm aus und betrachtete mit skeptischem Blick das Gebäude.
"Ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll", erwiderte ich und musste leicht lachen.
Lucien verdrehte gespielt die Augen. Grinsend schüttelte er den Kopf.
"Bewerte nichts anhand seines Aussehens", erwiderte und wies mich an ihm zu folgen. "Du wirst es lieben!"
Halbwegs überzeugt folgte ich Lucien in den Imbiss herein. Drinnen sah es genauso aus, wie von draußen.
Hinter der Theke und der Kasse befand sich eine große Reklame mit einer großen Auswahl an Essen und Getränken, die auf den ersten Blick wirklich gut aussahen. Vielleicht sollte ich Lucien vertrauen, dass der Imbiss gut sein könnte.
"Was willst du bestellen?", fragte er mich und musterte die leuchtende Reklame.
Sprach- und ahnungslos betrachte ich kopfschüttelnd das große Angebot. Ich hatte keine Ahnung, was ich bestellen wollte, denn ich war noch nie asiatisch essen gewesen und wusste nicht, was es schmeckt.
"Ich bestell dir etwas", erwidert Lucien zwinkert und lief zur Kasse.
Schulterzuckend wandte ich mich ab und suchte mir einen der vielen leeren Tische. Meine Mutter hatte mir gesagt, ich solle nie ich Restaurants gehen, wo kaum Menschen waren und genau jetzt war ich in so einem Geschäft.
Auf einem Stuhl ließ ich mich sinken. Der Tisch war der einzige, der nicht bekleckerte und abgeräumte gewesen.
Kurz darauf kam Lucien mit einem Tablett, samt zwei Pappbecher aus welchem Dampf stieg und zwei Dosenflaschen mit Cola. Alles stellte er auf den Tisch und schob mir einen der Pappbecher zu.
"Mit extra Süß-Sauer Sauce!
In Luciens Augen sah ich die Begeisterung aufblitzen, als er den Pappdeckel löste und mit den Stäbchen die Nudeln anhob.
"Du liebst asiatisch, oder?", fragte ich Lucien schmunzelnd, während ich meinen eigenen Pappbecher. Unbeholfen nahm ich die Stäbchen in meine Hände.
"Und du hast noch nie asiatisch gegessen?"
Kurz seufzte ich, bevor ich nickte und zur Gabel griff.
"Wie ist das möglich?", fragte mich Lucien ungläubig und schüttelte fassungslos seinen Kopf, bevor er sich die Nudeln in den Mund schob.
"Das schmeckt himmlisch", nuschelte er mit vollem Mund und stöhnte leise.
Ein lautes Lachen entfuhr mir. Es dauerte einige Momente, bis ich mich wieder kontrollieren konnte und selbst die Nudeln probierte. Schon nach dem ersten Bissen merkte ich, wie recht Lucien hatte. Das Essen war unheimlich gut.
"Wenn du so weiter schlingst, verschluckst du nicht noch", erwiderte Lucien, wobei sich ein leichtes Grübchen auf seiner Wange bildete.
Auch wenn er es nicht zugab, spürte ich, dass er es genoss recht zu haben, dass dieser Imbiss der Beste war.
"Das war vielleicht eine gute Idee gewesen", murmelte ich und schob mir bereits die nächsten Nudeln in den Mund.
☁️
Nach dem Essen hatte mich Lucien bis nachhause gefahren. Es war bereits dunkel geworden und eine Stille hatte sich über die Stadt gelegt.
Stillschweigend setzte ich den Motorradhelm ab und reichte ihm Lucien, welcher mich seltsam beobachtete.
"Warum starrst du mich so an?", fragte ich ihn unruhig und fummelte an dem Bändchen meiner Jacke herum.
Er dennoch schüttelte nur ruhig den Kopf und verstaute den Helm im Koffer.
"Danke dir, für die Überraschung", bedankte ich mich bei ihm und lief zu meinem Haus.
Erneut spürte ich wie sein Blick mir folgte. Bevor ich die Tür aufschloss, schloss ich kurz meine Augen und versuchte ruhig zu atmen. Meine Hände zitterten leicht, als ich mit dem Schlüssel das Schloss aufschließen wollte.
Die Gefühle für ihn waren da. Das wollte ich mir nicht länger vorlügen. Doch wusste ich nicht, ob die Gefühle da waren, weil wir das Bund hatten oder ob es wirklich etwas zwischen uns gab.
"Aspen warte!", hörte ich Lucien nach mir rufen.
Mit höher schlagendem Herzen drehte ich mich in der Tür um und sah, wie er auf mich zueilte.
"Ich wollte dir etwas geben. Ich glaube ich vertrau dir genug und du bist bereit dafür."
Unter seiner Jacke holte er eine leuchtende Klinge hervor und überreichte sie. Zögerlich und äußerst behutsam nahm ich sie in meine Hände.
"Lucien, ich weiß-"
Rasch schüttelte er den Kopf. Behutsam berührten seine Finger meinen Arm. Schlagartig spürte ich wieder die wohlige Wärme.
Meine Augen trafen die seinen und erneut hatte ich das Gefühl mich in ihnen zu verlieren.
"Vertrau mir."
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