15
Everything will be okay in the end.
If it's not okay, then it's not the end.
-Ed Sheeran
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Ella
Der Kanadier drehte sich weg, um mir nicht in die Augen zu sehen. Ich fragte ihn erneut, was passiert sei. Ein gequälter Laut drang aus seinem Mund und er hielt sich schnell die Hand davor. Überfordert stand ich da und sah ihn nur stumm an.
Unsicher, was ich tun sollte, ging ich auf ihn zu und legte vorsichtig meine Hand auf seinen Oberarm. "Es wird alles gut, Shawn." Er drehte seinen Kopf zu mir und schütteltete hektisch seinen Kopf. Der Kanadier biss sich auf die Unterlippe und versuchte, wieder ordentlich zu atmen. "Du verstehst das nicht.", murmelte er leise und sah von mir weg. "Dann erklär es mir doch. Ich bin sicher, ich kann es verstehen."
Sein Blick huschte wieder zu mir und widerwillig seufzte er. Er nahm sich ein neues Glas aus dem Schrank, da das vorherige immer noch zerbrochen vor ihm lag. Er reichte mir auch ein Glas, was ich dankend annahm. Während er die Gläser mit Wasser füllte, musterte ich ihn besorgt von der Seite. Was brachte ihn so aus der Fassung?
Er verließ die Küche und stellte sich vor das große Fenster im Wohnzimmer, von dem man einen perfekten Blick auf den nächtlichen Betrieb in Toronto hatte. Ich blieb stumm und wartete darauf, dass der Sänger anfing, zu reden. Ich hörte ihn erneut laut atmen, bevor er sagte: "Du weißt ja bereits, dass mein Dad eine Krankheit hat. Er-" Shawn stockte und nahm einen Schluck von seinem Wasser. "Er hat MS. Multiple Sklerose. Eine Krankheit, bei der der Körper sich selbst zerstört. Es kann nicht geheilt werden, nur vermindert, aber bei meinem Dad wird es immer schlimmer."
Stumm sah ich ihn an. Er erwiderte meinen Blick und erhob dann erneut die Stimme: "Er ist zusammen gebrochen, als wir in Manchester waren und muss jetzt im Rollstuhl sitzen. Die Ärzte wissen nicht, wie schnell das jetzt alles geht, wie lange er noch leben wird und das macht mir Angst. Es macht mir so, so große Angst." Eine einzelne Träne verließ seine Augen und ich konnte ihm ansehen, wie schlecht es ihm wirklich ging. Er überspielte es nicht mehr, er strahlte nicht mehr durchgehend und zeigte, wie es in seinem Inneren aussah.
Er sah mich an und ich schaute ihm direkt in die Augen. Meine Augen wurden glasig und ich hatte das Gefühl, gleich weinen zu müssen. Jetzt konnte ich Aaliyah verstehen, ich konnte Shawn verstehen. "Weißt du, es ist schwer, zu wissen, dass dein Vater sterben wird und du nichts tun kannst. Ich wünschte, ich könnte für ihn sterben, doch-" Ich unterbrach ihn. "Shawn, ich kann verstehen, dass dich das fertig macht, aber wünsche dir niemals, dass du anstatt deines Vaters stirbst. Du darfst nicht einmal daran denken." Er sah mich an und ich fühlte mich unter seinem Blick unwohl. Es war als würde er mir in die Seele schauen können und alle meine Lasten, Ängste und Gefühle sehen.
Ich brach den Blickkontakt ab und schaute wieder auf die Stadt vor uns. Ich wusste, dass die Krankheit seines Vaters schlimm war, aber ich hatte nicht erwartet, dass sie so extrem war. Als Violet die Diagnose bekommen hat, dass sie Krebs hatte, war ich am Boden zerstört und sie war nur die Schwester meines damaligen Freundes.
"Worüber denkst du nach?", fragte der Sänger mich, während er seinen Blick über die Lichter der Stadt gleiten ließ. "Ich kann erahnen, wie du dich fühlst. Eine Person, der ich sehr nahe stand, hat vor mehreren Jahren die Diagnose von Lungenkrebs bekommen und ist vor zwei Jahren gestorben. Ich war am Boden, da sie mir wirklich viel bedeutet hatte. Sie war wie meine kleine Schwester. Violet war immer voller Leben, hat gestrahlt und war euphorisch. Sie hatte immer so viel Energie und hatte diesen Tod nicht verdient. Dieses Leben hatte sie nicht verdient."
Ich sah ihn an. "Außerdem kann ich mich daran erinnern, dass sie seit sie zehn Jahre alt war, ein Fan von dir war. Ich weiß nicht, wieso ich das noch weiß. Sie hat immer alle mit ihrem Gequatsche über dich genervt." Auf Shawns Gesicht legte sich ein Lächeln und er trat unauffällig einen Schritt näher an mich heran.
"Erzähl mir mehr von ihr. Es scheint, als würde dich der Gedanken an sie sehr glücklich machen." Ich schluckte schwer, denn er hatte recht. Der Gedanke an Violet machte mich glücklich, aber der Nachgeschmack, der folgte, verursachte eher Angst und Schmerz.
"Sie sah aus, wie ein kleiner Engel. Jeder, der von ihr angesehen wurde, musste Lächeln. Violet hatte eine Ausstrahlung von Stärke und Freude. Ich war glücklich, wenn ich in ihrer Nähe war. Sie erhellte meinen Tag. Eine Zeit lang hat sie mich daran gehindert, das beste in meinem Leben zu tun, nur weil ich bei ihr sein wollte. Ich wollte ihre ganze restliche Zeit mit ihr verbringen. Sie war wie meine kleine Schwester, die mir alles bedeutete. Als sie starb, konnte ich zwar etwas verlassen, aber gleichzeitig hat sie mich verlassen. Und es tat so weh, weißt du?" Die Tränen flossen mir übers Gesicht. Die Erinnerungen schmerzten, die Bilder in meinem Kopf schmerzten, das Gefühl nicht genug getan, zu haben, schmerzte.
"Das klingt grausam und wundervoll zugleich.", sagte Shawn leise. Der Schmerz in seiner Stimme war trotzdem, nicht zu überhoren. Ich nickte nur und starrte dann weiter in die Nacht. "Kann ich dir etwas zeigen?", fragte er mich nach einer Weile Schweigen. Verwundert sah ich ihn an, nickte aber letztendlich. Er nahm meine Hand und zog mich mit sich durch die Wohnung. Vor einer Tür, die er vorhin ausgelassen hatte, blieb er stehen und sah mich noch einmal an, bevor er die Tür öffnete.
Zum Vorschein kam ein Musikzimmer. Es hingen Gitarren an den Wänden, ein großer Flügel stand in der Mitte des Raumes und im ganzen Raum lagen Notenblätter verteilt.
"Das hier darf sonst niemand sehen. Es ist der Ort, an den ich mich immer zurückziehe, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Ich schreibe dann alles auf und versuche, meine Gedanken zu ordnen.", murmelte Shawn. Ich ließ seine Hand los und ging auf das Klavier zu. Ich strich vorsichtig mit meinen Fingern über die Tasten und hatte das Bedürfnis, zu spielen. Ich setzte mich auf den Klavierhocker und sah fasziniert auf das Instrument vor mir.
Shawn kam zu mir und fragte, ob ich spielen könnte. Ich nickte nur abwegig. Ewig hatte ich nicht mehr gespielt und der Versuchung zu widerstehen, war fast unmöglich. Der Sänger sah mich auffordernd an und wartete anscheinend darauf, dass ich anfing, zu spielen. Wie automatisch fanden meine Hände die richtigen Tasten für das Stück, das ich damals immer gespielt hatte. Nothing else matters von Metallica. Shawn sang leise mit und diesmal störte es mich gar nicht. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und spielte das Lied zu Ende.
"Ich habe schon so lange nicht mehr gespielt.", seufzte ich, woraufhin Shawn meinte, dass ich hier immer spielen könnte. Ich lächelte und schlief dann mit meinem Kopf auf der Schulter des Kanadiers im Sitzen ein.
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Was haltet ihr von dem Kapitel? 🤔
Ich wurde gezwungen, weiter zu schreiben... Selxmends 😂❤️
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