Frohe Weihnachten, ich liebe dich, Baby
„An was denkst du?", fragt George, während ich verträumt in das Kaminfeuer schaue.
„Ich habe es dir so schwer gemacht, mich zu lieben", flüstere ich. „Warum hast du trotzdem zu mir gehalten? Und den vergifteten Wein getrunken?"
„Du hast es mir nicht schwer gemacht, du hast mir die Augen geöffnet. Ich war ein verwöhnter, verdrehter Fatzke, der die Welt verändern wollte und dafür hätte ich alles in Kauf genommen. Ich hätte niemals der ehrlichste König der Dynastie sein können, weil meine Krönung schon eine Lüge gewesen wäre!"
Ich nicke.
„Trotzdem, ich wollte nicht, dass du für mich stirbst."
„Ich bin ja nicht gestorben", erwidert George und blinzelt.
„Was ist mit dir passiert, nachdem das Schiff untergegangen war?", frage ich leise.
Mitch tritt an den Tisch. „Möchten die Herrschaften noch Nachtisch? Meine Frau hat eine sehr leckere Creme Souflé zubereitet."
„Gerne", antwortet George, doch ich schüttele den Kopf.
„Einen Cappucino, bitte."
Mitch geht und George fragt: „Du verschmähst den guten Nachtisch? Den hast du doch früher immer geliebt, du kleine Naschkatze!"
„Da ist Alkohol drin. Ich versuche gerade, mich zu entwöhnen...", antworte ich und drehe mein Wasserglas.
„Oh, sorry, ich vergaß. Werde zuhause gleich alle Flaschen in den Müll werfen", erklärt George besorgt und ich schaue ihn wieder an.
„Das musst du nicht, ich schaffe das schon. Also?"
„Was nach meinem Ertrinken passiert ist? Ich bin im Wasser zu mir gekommen und habe mich an einem Brett festhalten können. Damit bin ich tagelang im Meer umhergetrieben, bis mich ein Schiff aufnahm, das nach Amerika segelte. Natürlich wollten sie nicht umkehren, damit ich dich suchen konnte...", schließt er traurig.
Er macht eine Pause, der Nachtisch kommt und ich warte einen Moment, bis Mitch wieder fort ist. Dann erzähle ich: „Ich bin an der Küste Irlands wach geworden. Erst da hab ich kapiert, dass ich hätte tot sein müssen. Hab mich zu einem Farmhaus geschleppt und die haben mich auf gepäppelt. Als ich fit genug war, bin ich nach Deutschland gereist. Ich habe meinen Schmuck verkauft, damit habe ich gutes Geld gemacht."
George nickt.
„Geld, ja. Ich hatte nichts, bis auf unseren Ehering und die goldenen Manschetten, aber die hatten mir die Seeleute schon abgeknöpft. Als ich nach Wochen in New York ankam, konnte ich mir die Rückfahrt nicht leisten, also hab ich mich einer Schmugglerbande angeschlossen, weil ich möglichst schnell Geld brauchte. Doch ich war zu ungeschickt und wurde erwischt. Ich saß drei Tage im Bau, bis mich die Frau des Polizeiinspektors frei gekauft hat. Ich sollte ihr Chauffeur sein, doch in Wahrheit hatte sie sich in mich verliebt."
Ich starre George an, der sich den Zuckerguss von den Lippen leckt und stelle mir vor, wie er seine Künste an einer gesichtslosen Frau anwendet. Mir wird schlecht.
„Und... hast du...?", flüstere ich.
Er nickt. Das Feuer spiegelt sich in seinen Augen.
„Sie hat mir dafür die Überfahrt bezahlt. Doch am Tag der Abreise drohte sie mir, mich zu verraten, wenn ich nicht noch einen weiteren Monat mit ihr schlafen würde. Ich wollte nicht wieder in den Bau, du ahnst nicht, wie schrecklich es dort war...zu dieser Zeit damals..."
„Also bist du geblieben."
„Ja. Ein Jahr später starb sie an einem Herzinfarkt und ich fuhr endlich zurück nach England. Natürlich hatte ich mich verkleidet. Onkel Wilhelm war König! Deshalb bin ich schnell wieder abgehauen, bin zunächst nach Innsbruck gereist. War in unserer alten Berghütte und habe ein Taschentuch gefunden, es roch noch nach dir, also warst du da gewesen!"
„Ja. Aber ich musste vorsichtig sein, weil Max und Sophie sie öfter genutzt haben. Sophie war eine ausgezeichnete Bergsteigerin."
„Mich hätten sie fast erwischt. Ich bin in die Berge geflüchtet und habe alles nach dir abgesucht. Kam in einen heftigen Schneesturm und habe mich in einer Höhle versteckt. Dort bin ich erfroren und bin erst wieder aufgewacht, als die Schneeschmelze eingesetzt hatte. Mein dritter Tod."
„Oh mein Gott...George!", hauche ich und schon ist sein Intermezzo mit der amerikanischen Polizistengattin vergessen. Der Angesprochene murmelt: „Wollen wir gehen? Ich habe das Gefühl, wir kommen von der Vergangenheit nicht los. Und zuhause hören nicht so viele Ohren mit."
Ich nicke. George bezahlt und ich verabschiede mich herzlich.
„Wirklich lecker. Ich würde gerne öfter herkommen", sage ich draußen und schlinge fröstelnd die Arme um mich. „Aber ich glaube, Mitch hat langsam bemerkt, dass ich nicht Jennifer bin."
George lächelt und legt den Arm um mich.
„Hm, hat er. Obwohl er richtig lag, du bist meine Frau!"
Ich nicke.
„Jep. Wirklich blöd, dass wir gehen müssen. Wollen wir...uns tatsächlich umbringen?"
„Nein, viel zu gefährlich. Wer weiß, wer uns findet, und...nein. Wir werden einen Flugzeugabsturz vortäuschen, vorher abspringen. Bist du schon einmal Fallschirm gesprungen?"
Ich nicke.
„So ähnlich. Ich bin mal ohne Fallschirm gesprungen! Aus dem fünften Stock eines spanischen Hotels! Ich dachte damals, dass ich dir dicht auf der Spur wäre, das war irgendwann in den Sechzigern. Die Leute meinten, du hättest in dem Hotel als Sänger gearbeitet. Doch "du" warst nur ein alter, abgewrackter Spanier, der auch noch versucht hatte, mich zu vergewaltigen. Ich war verzweifelt, hatte keine Hoffnung mehr und bin einfach auf den Balkon zu gerannt. Kletterte auf die morsche Brüstung, sie gab nach und ich fiel. Zum Glück war unten niemand und der versoffene Spanier glotzte nur dämlich, als ich fluchend wieder aufgesprungen bin, hatte nur ein paar Schürfwunden. Das war meine Nummer drei, bis dahin habe ich so ziemlich gefahrenfrei gelebt."
„Verdammt, ich war in den Sechzigern in Spanien! Hab gegen Franco rebelliert."
Ich lache.
„Das hatte ich befürchtet. Wie oft bist du gestorben?"
Endlich sind wir im Haus. George feuert den Kamin an und ich kuschele mich auf der Couch unter eine Decke. George antwortet: „Sechs...nein, sieben Mal. Hab gedacht, irgendwann muss es doch mal genug sein!"
„Oh, ich auch! Ich habe mir die Pulsadern geöffnet, denn wo kein Blut mehr ist, ist auch kein Leben mehr möglich, dachte ich. Doch ich war schlecht vorbereitet, sie haben mich zu früh gefunden. Das war Nummer vier und das letzte Mal, danach habe ich mich meinem Schicksal ergeben...und alles vergessen. Komisch, dass ich mich jetzt wieder erinnere..."
George kuschelt sich zu mir unter die Decke.
„Ja. Und gut, dass wir durchgehalten haben. Sonst wären wir nicht hier. Zusammen."
Ich lächle ihn an und er küsst mich sanft. Der Kuss wird intensiver und ich lasse mich in die Kissen sinken. Das Feuer knistert, Georges Hand wandert langsam über meinen Bauch. Ich halte sie fest und hauche: "Tut mir echt leid, aber ich bin unpäßlich."
George grinst.
„Schon wieder? Das warst du doch beim letzten Mal auch..."
„Oh nein. Da war ich nicht unpäßlich, nur immer noch stinkwütend auf dich!", erwidere ich.
„Du hast mich einfach angelogen, du kleines, freches Ding! Aber gib es zu, für dich ist es fast genauso schade, wie für mich."
„Noch mehr...", hauche ich leise und er küsst mich wieder.
Raunt: „Es stört mich nicht...wenn du magst..."
In meinem Unterleib zieht sich alles zusammen. Ich flüstere: „Schon, aber...tut es denn nicht weh?"
„Hm, schon wieder ein erstes Mal, was? Ich werd ganz vorsichtig sein... Doch zuerst..."
Seine Hand schiebt sich in meine Strumpfhose. Ich piepse erschrocken. George lacht und küsst mich. Als er mich berührt, drehe ich fast durch. Ich bin wie ausgehungert und komme nach wenigen Minuten, quietsche und bebe, während George sich amüsiert. Er zieht die Hand aus mir und rümpft die Nase, während ich wieder zu Atem kommen muss.
„Wir verkrümeln uns wohl besser ins Bett, hm?", lächelt er dann.
Ich nicke. Als George nackt ins Schlafzimmer kommt, liege ich schon unter der Bettdecke.
„Hm, meine Hübsche, ihr wart aber mal freizügiger!"
„Ich bin etwas aus dem Leim ge...George, bitte, lass mir die Decke!", quietsche ich, als er versucht, sie weg zu ziehen.
„Ich weiß, dass du zugelegt hast. Das macht dich noch begehrenswerter, meine süße Puppenkönigin."
Hm. So hatte er mich früher oft genannt, er sagte mal, als er mich zum ersten Mal sah, musste er sofort an eine Puppe mit großen Augen denken. George küsst mich gierig. Legt sich auf mich und ich stöhne.
„Oh Gott, ich habe dich so vermisst!", raunt er, nachdem er in mich gedrungen ist.
Doch plötzlich hält er inne.
„Was ist? Es tut mir nicht weh, ganz im Gegenteil", frage ich und knabbere an seinem Ohr.
„Wenn ich weiter mache, wirst du nicht lange...oh, Lizzie...nicht bewegen...warte einen...Mom..."
Er stöhnt laut auf und ich kichere in seine Halsbeuge.
♚
Wir starren uns an, George volle Lippen sind aufeinander gepresst, ihnen ist jede Farbe entwichen. Er hat die Fäuste geballt. Aus unserem neckischen Punkte- Spiel ist nun bitterer Ernst geworden und heute scheint keiner von uns nachgeben zu wollen. Doch ich sehe etwas in Georges Augen aufflackern, was mich hoffen lässt, dass er zur Vernunft kommt. Es klopft.
„Eure Hoheit, sie werden dringend im Unterhaus verlangt", erklärt der Graf von Yorkshire laut.
George nickt.
„Ich komme gleich."
Der Graf geht wieder und George greift nach meinen Armen.
„Du wirst dich nicht aus deinem Zimmer entfernen, bis ich wiederkomme, verstanden?"
„Du erteilst mir Hausarrest?"
Er lässt mich los und läuft unruhig hin- und her.
„Zimmerarrest! Nachdem du das Buch zurück gelegt hast. Und die Gräfin wird dich wie ein Schatten begleiten! Ich kann nur hoffen, dass Albert den Mund gehalten hat. Sie denken, du hättest eine alte Tante besucht und dein einziges Vergehen ist heimliches Entfernen vom Hof. Ich erwarte, dass es dabei bleibt! Kein Wort mehr über diese Angelegenheit!"
„George, hast du mir nicht zugehört?", frage ich leise.
„Ich dulde keine Widerrede!", brüllt er und schießt aus dem Saal.
Uh. Welch Temperament! Dumm nur, dass auch ich unter einem Feuerstern geboren wurde! Ich erhebe mich, die Gräfin kommt herein. Sie zieht ein langes Gesicht. In dieses Gesicht werde ich nun mein Lebtag schauen müssen, weil diese Frau mich tagein, tagaus begleiten soll? Ich spüre, wie sich in mir ein Feuerball ausbreitet und ich rausche an ihr vorbei. Sie versucht, eilig Schritt zu halten. Ich höre nicht auf ihr Murren und zische in die Bibliothek, schiebe das Geburtenbuch zwischen Shakespeare's Sonette und renne wieder hinaus. Dann gehe ich auf mein Zimmer. Nehme mir Briefpapier und beginne, zu schreiben.
Irgendwann räuspert sich die Gräfin.
„Eure...Hoheit?"
„Ihr seht doch, dass ich schreibe. Wartet, bis ich fertig bin", entgegne ich barsch.
Sie tut es. Und ich schreibe und schreibe. Nehme Zettel für Zettel, bekritzele sie voller Ideen, Erinnerungen, alles, was in meinem Kopf herum schwirrt. Unter anderem habe ich einen Brief an Lady Frances geschrieben, in dem ich mich für mein aufdringliches Verhalten entschuldige. Das ist doch sicher ganz im Sinne meines Ehemannes, oder nicht? Nach einigen langweiligen Stunden, in denen ich gelesen, genäht oder geschrieben habe und die Angebote der Gräfin, mit ihr zu spielen, rigoros abgelehnt habe, muss sie endlich für kurze Zeit fort und lässt die junge Zofe da, die für die Post zuständig ist. Ich kann ihr den Brief für die Lady zustecken und bitte sie inständig, ihn an dem offiziellen Hofpostmeister vorbei zu schmuggeln. Sie nickt. Schon wieder habe ich dem Mädchen gegenüber ein schlechtes Gewissen, aber ich muss meine Figuren strategisch aufstellen, um dieses Spiel zu gewinnen... dazu brauche ich Lady Frances Gunst!
George taucht nicht wieder auf, weder zu den Mahlzeiten, noch in der Nacht. Ich schlafe unruhig, weiß nicht, woran ich jetzt mit ihm bin, ob er mich jetzt dafür hasst, meine Meinung gesagt zu haben. Als die Zofe am nächsten Morgen die Post bringt, schaue ich sie fragend an. Sie guckt zur Gräfin, die ein Buch liest und schüttelt den Kopf. Ich nicke. Ich spüre, sie möchte mir etwas sagen. Also melde ich mich bei der Gräfin ab- erzähle ihr, dass ich das Bad aufsuchen müsse, da ich unpäßlich sei. Sie nickt. Natürlich ziemt es sich nicht, seine Blutungen vor anderen zu offenbaren, also muss sie mich allein gehen lassen. Und das Bad liegt gleich im Anschluß an meine Gemächer. Ich hoffe, dass sie nicht weiß, dass es dort eine Geheimtür gibt, durch die man in den Hauptflur gelangen kann. Nun, ich habe sie durch Zufall entdeckt. Durch diese Tür türme ich nun und suche den Bedienstetenflügel auf. Finde die junge Zofe, die mir atemlos berichtet, dass der Brief nicht habe überbracht werden können, da Lady Frances gestern an einer Herzattacke verschieden wäre. Ich stöhne auf, bedanke mich und kann ungesehen zurück in mein Gefängnis schleichen.
Meine Gedanken schlagen Purzelbäume. Nun habe ich die einzige Zeugin verloren, die...Moment. Die Amme, die bei Georges Geburt dabei war! Doch ich kann nicht weg und ich will die Zofe nicht mehr in dieses Spiel hineinziehen, als nötig. Auch dieser Tag zieht sich endlos dahin, doch zum Fünf- Uhr -Tee kommt Besuch von unerwarteter Seite. Cousin Albert stolziert herein und meint fröhlich: „Liebe Frau Gräfin, ihr seht blaß und erschöpft aus. Geht nur, ich passe auf meine Cousine auf. Ich habe die Erlaubnis vom Prinzen selbst, wollt ihr sie sehen?"
Er wühlt in seinem Rock herum. Doch die missgelaunte Gräfin schüttelt den Kopf. Sie scheint sichtlich erleichtert, mir entfliehen zu können. Ich habe sie in den letzten Stunden mit selbst ausgedachten, triefenden Liebesgedichten an den Prinzen gefoltert. Albert ist guter Stimmung und fragt: „Und, Cousinchen, wie stehen die Aktien?"
„Was meinst du?", frage ich und nippe am Tee.
„Wie kommst du weiter? Mit dem Brief? Wo ist er überhaupt?"
Ich blicke alarmiert auf.
„Welcher Brief?", frage ich ausweichend.
Albert knabbert an einem Keks und grinst.
„Nun, komm, wir kennen uns schon seit dreißig Jahren! Ich habe damals für dich gelogen, als du das Pferd, welches dein Vater erschiessen wollte, vor ihm versteckt hast, erinnerst du dich? Du kannst mir vertrauen, ich bin dein Freund."
„Sagte Marc Anton und stach sein Messer von hinten in Caesar's Rücken!", murmele ich.
Albert lacht.
„Die Geschichte ging anders, wenn ich mich recht entsinne. Und nein, so hinterhältig kann ich doch nicht sein! Ich will dir helfen, Cousine!"
„Du willst mir helfen? Wobei?"
Er beugt sich vor.
„Zu verhindern, dass dein liebster Gatte König wird."
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