all your fingers were blue
Ich starre Albert an.
„Aber...warum? Was hast du für einen Nutzen davon?"
„Ich steige in der Rangfolge auf Platz 10", gibt er zurück und blinzelt.
Ich schmunzele.
„Albert, das ist kein Grund. Was führst du im Schilde? Wenn ich dir vertrauen soll, musst du dich mir auch beweisen!"
Obwohl das schlechte Gewissen in mir nagt, kann ich nicht aufhören. Denn seit George die Pflichten seines Vaters übernommen hat, hat er sich verändert. Ich will den witzigen, unbeschwerten Prinzen zurück haben, der mir mal gesagt hatte, dass er den Thron aufgeben würde, wenn er könnte! Albert lächelt und sagt: „Dann gib mir eine Aufgabe. Was soll ich tun?"
„Hat es politische Gründe, dass du George nicht auf dem Thron sehen willst?", frage ich stattdessen.
Ich muss mir seiner sicher sein! Albert hebt die Hände.
„Nein, ehrlich. Gott ist Zeuge, ich will nur, dass ihr beide glücklich seid. Und hier könnt ihr es niemals werden! Weißt du, Cousinchen, George war nie sehr hinter dem Thron her, dieser Sir Colin hat ihm Flausen in den Kopf gesetzt! Colin hat George einmal das Leben gerettet, als wir zusammen gedient haben. Zurück in London ist Colin ins Unterhaus gegangen und tut nun alles, um George zu überzeugen, ihn als Premier einzusetzen."
Ich nicke.
„Hab mich schon gefragt, warum George politisch engagiert ist, obwohl es immer hieß, er sei eher an einer militärischen Karriere interessiert."
„Eben wegen seinem guten Freund Sir Colin Ramsay!", erklärt Albert bitter.
„Du scheinst ihn nicht zu mögen..."
„Ich hasse ihn, er ist ein aufgeblasener Tunichtgut! George und ich waren gute Freunde, bis er dazwischen kam."
Nun haben wir doch den Grund! Warum nicht gleich so, lieber Cousin!
„Albert, du hast mich überzeugt. Tu mir einen Gefallen und suche die Amme, in deren Armen Thomas Jersey angeblich verstorben sei."
„Ich weiß, wo sie ist. Auf dem Friedhof, Cousinchen. Sie war damals schon alt. Obwohl ich glaube, dass man nach geholfen hat..."
Ich seufze und stehe auf. Knete meine Serviette.
„Dann ist es aus. Die einzige Zeugin ist tot, Albert. Lady Frances hatte gestern eine Herzattacke- die ich wohl ausgelöst habe!"
„Unfug. Sie war quietschfidel, aber wenn ihr was nicht gepasst hatte, tat sie immer so, als läge sie im Sterben. Nein, Cousine, dich trifft keine Schuld."
Plötzlich nähern sich schwere, schnelle Schritte und Albert springt auf. Die Tür wird aufgerissen und George kommt herein, sein Blick ist finster. Er schaut von mir zu Albert.
„Was tut ihr hier?", fährt er ihn wütend an. „In den Räumlichkeiten der Prinzessin, ohne Anstandsdame!"
„Nun, kommt, eure königliche Hoheit, ihr werdet doch wohl nicht auf mich eifersüchtig sein? Eure Gemahlin ist wie eine Schwester für mich, und ihr...seid wie ein Bruder! So war es jedenfalls einmal", schließt Albert traurig und senkt den Kopf.
Anscheinend hat er die gute Gräfin angelogen, es gibt keine Erlaubnis von George!
„George... bitte", bettele ich leise.
„Noch ein schwerwiegenderes Vergehen wäre, wenn hier, in meinen Gemächern, Komplotte gegen mich geschmiedet werden!", lamentiert George weiter und schaut mich an.
Ich halte seinem Blick stand.
„Albert, verschwinde", murmelt er dann und Albert salutiert.
Die Tür fällt hinter ihm zu und ich sage: „Schau, es ist zum Fünf- Uhr- Tee gedeckt. Auf deine Gesellschaft muss ich seit fast vierundzwanzig Stunden verzichten und ich brauchte ein wenig Abwechslung von der Gräfin."
George nickt und geht zum Fenster, schaut hinaus.
„Was ist nur mit uns passiert?", flüstert er.
Ich gehe zu ihm und lege meinen Kopf an seinen Rücken. Atme tief ein. Er schnellt herum, zieht mich an sich und küsst mich fordernd, als würde er verhungern. Sein Mund wandert zu meinem Ohr und er raunt: „Schwörst du bei deinem Leben, dass ihr beide keine niederträchtigen, verschwörerischen Absichten gegen mich habt?"
Ich versteife mich und George lässt mich zischend los.
"Also doch!"
Ich baue mich auf und funkele ihn an.
„Dir wäre es lieber, wenn ich eine Affaire mit Albert hätte, nicht wahr?"
„Ja. Weil du es überleben würdest! In Schmach, aber du würdest leben! Die Lady, die du gestern besucht hast, ist tot, Elisabeth! Und jetzt gib mir den Brief, oder ich muss dich aus dem Schloss werfen lassen!"
„George...ich habe ihn nicht mehr. Ich habe ihn in meinen Nachtschrank gelegt und nun ist er verschwunden."
Und das ist die Wahrheit, die Lady war meine letzte Hoffnung. Georges tiefblaue Augen funkeln mich an und ich möchte vor ihm auf die Knie sinken. Mein Herz ist immer noch voller Liebe für diesen Mann, obwohl er mich enttäuscht hat.
„Dann können wir nur beten, dass die richtige Seite ihn hat", murmelt er.
„Wer ist denn auf der richtigen Seite? Sie sind beide falsch, wenn man um sein Leben fürchten muss!", rufe ich. „Was für ein grausames Spiel ist das?"
„Oh, Elisabeth! Du kommst aus einem Königshaus, du solltest wissen, was dort hinter den Kulissen gespielt wird."
„Ich komme aus einem ehrlichen Hause! Manchmal haben wir beim Kartenspiel gemogelt, doch niemals haben wir uns gegenseitig bedroht!"
George schüttelt den Kopf.
„Ich bin es nicht, der dir droht, Liebste."
„Ich weiß. Doch ihr lasst es zu, dass es jemand anderes tut, dessen Marionette ihr seid, eure Hoheit!"
Der Prinz schaut erst irritiert, dann erklärt er: „Jetzt verstehe ich. Albert und sein verletzter Stolz, nicht?"
Ich nicke.
„Er hat mich über die Ränkespielchen deines „Freundes" Sir Colin aufgekärt!", entgegne ich.
Mein Gemahl geht zur Couch und setzt sich darauf. Er legt seine Stiefel auf den Tisch, neben die Kekse und schaut mich herausfordernd an.
„Nun denn, erleuchtet mich, Prinzessin!"
Ich seufze. Gehe zum Tisch, nehme die Kekse hoch und setze mich damit neben George. Dann gebe ich ihm Alberts und meine Unterhaltung wieder, ohne irgendetwas zu verschweigen. Gebe George meine innere Zerrissenheit wieder. Und meine Hoffnung, dass er als mein Ehemann sich für mich entscheiden würde. Ich beginne zu weinen und George hält mich, bis wir zum Dinner gerufen werden. Er nimmt meine Hand und ich folge ihm apathisch in den Speisesaal. Ich bemerke, dass Albert verschwunden ist. Ich beruhige mich etwas und schaffe es sogar, mich an der Konversation zu beteiligen. Später im Schlafgemach, als George meine ehelichen Pflichten einfordern will, sage ich ihm, dass ich unpäßlich wäre. Dies ist das letzte Mal, dass ich ihn anlüge.
Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um das neue Schiff von Sir Colin zu taufen und einer kurzen Jungfernfahrt beizuwohnen. George meint, ich solle mir selbst einen Eindruck machen, was für ein „Freund" Sir Colin wäre.
Sir Colin begrüßt mich freundlich und zeigt uns unsere Kajüte. Als wir alleine sind, frage ich George, ob Colin eingeweiht wäre, doch George verneint.
„Außer, er hat meinen Brief...", erwidere ich nachdenklich.
„Er mir das Leben gerettet, Liebste. Ich vertraue ihm."
Eine halbe Stunde später geniesse ich die frische Seeluft und meinen Gemahl, der nun wieder etwas Zeit für mich hat. Wir gehen an Deck spazieren und unterhalten uns, bis die Glocke zur Mittagsstunde läutet. Während wir speisen, bemerke ich, dass ein Matrose Colin irgendetwas zuraunt. Er nickt und einige seiner Leute folgen dem Matrosen hinaus. Dann steht Colin auf.
„Liebe Elisabeth, lieber George. Ich freue mich, dass ihr mit mir eine kleine Reise macht, bevor eure wirklich anstrengende Zeit als Königspaar beginnt. Ich denke, es steht der Krönung doch nichts im Weg, oder?" Er blinzelt mir zu und ich erstarre. Der ältere Mann blickt mir fest in die Augen und schmunzelt dann: „Prinzessin, ist euch nicht gut? Vertragt ihr vielleicht die Seeluft nicht? Ihr seht blass aus..."
George springt auf.
„Was soll das, Colin?", ruft er verärgert.
„Bringt ihn herein!", bellt der Angesprochene.
Die kräftigen Matrosen schleifen Albert herein. Man hat ihm die Augen verbunden, doch ich sehe, dass sein Gesicht geschwollen ist, als wäre er verprügelt worden. William zieht seinen Säbel, doch er wird sofort von Colins Leuten, die in der Überzahl sind, entwaffnet.
„Alle hinsetzen!", brüllt Sir Colin.
Will tut es, doch George zögert.
„Auch du, Bruder!", verlangt Sir Colin und ich spüre, das George kurz davor ist, ihn anzugreifen.
Ich ziehe an seinem Rock und er fährt herum. Sieht, dass ich zittere, setzt sich und nimmt meine Hand.
„Es wird alles gut, er kann uns nichts tun", murmelt er.
Sir Colin lacht.
„Kann ich nicht? Stimmt. Ich würde sofort geköpft werden, wenn ich dem Prinzenpaar Leid zufügen würde! Weißt du, George, ich war wirklich überrascht, als ich herausfand, dass du nicht der rechtmäßige Erbe des Königshauses bist. Du hast wahrlich die Qualitäten eines Königs!"
„Ich bin der Prince of Wales!" erklärt George.
Doch sein "Bruder" ignoriert ihn und lamentiert weiter: „Aber wenn die Öffentlichkeit davon erfahren würde, dass deine leibliche Mutter eine Maitresse war...ein Dienstmädchen...tss, tss. Sie würden uns lynchen! Nun gut, machen wir es kurz. Deine liebste Gemahlin hat dich hintergangen, sie hat diesen Burschen los geschickt, den wir in einem Bordell aufgegabelt haben. Was er dort wollte? Nun, die Amme, die bei deiner Geburt zugegen war, hatte eine Tochter, die ihr geholfen hat, deinen kleinen Kopf aus dem Leib der Liebhaberin deines Vaters zu ziehen. Leider ist diese Tochter opiumsüchtig und schwimmt nun in der Themse, unglücklich gestolpert. Ihr hätte sowieso niemand geglaubt, aber sicher ist sicher. Nun gibt es nur noch diese unglückliche Gestalt hier und eure Gemahlin, die uns beiden im Wege stehen, George! Was denkst du, ist zu tun?"
Er schaut meinen Gemahl abwartend an. Georges Blick ruht auf mir und er drückt meine Hand. Ich bekomme kaum noch Luft vor Angst. Ich bete zu Gott und verfluche mich, dass ich so töricht war!
„George!", brüllt Colin und wir zucken zusammen. „Was soll ich mit Albert tun?"
„Lass ihn gehen!", antwortet mein Gemahl im Befehlston. „Lass uns alle gehen, du kehrst sofort um, oder..."
„Oder was?"
Sir Colin schnipst mit dem Finger und sie setzen den armen Albert an den Tisch. Colin seufzt und sagt: „Hör zu, mein Freund. Ich habe schon vorgesorgt, da ich befürchtet hatte, dass du zu zimperlich für so etwas bist. Was hältst du davon: Dieser Albert hat eine Liebelei mit der Prinzessin, du bist dahinter gekommen und beide haben ihren Frieden im Tod gefunden. Wie Romeo und Julia! Nehmt ihm die Binde ab!"
Ich kann Albert kaum anschauen, doch plötzlich grinst er.
„Ein bisschen übertrieben, nicht? Wie soll ich denn meinen Abgang herbeiführen, Schlaumeier?", feixt er.
„Trinkt von dem Wein. Und ihr auch, Prinzessin."
Plötzlich reisst Albert sich los und rennt davon. Die Matrosen hinterher und ich höre Schüsse. Ich schluchze auf und George drückt meine Hand so heftig, dass ich meine Finger kaum spüre. Sir Colin sagt: „Wir sind schon weit auf hoher See, keine Sorge, George, das hat niemand gehört. Also, wird's bald, Prinzessin?"
„Was für ein Freund seid ihr?", frage ich zynisch.
Er antwortet: „Ich will nur das Beste für George! Und ihr wollt doch sicher für eure Tochter auch das Beste, nicht? Wäre schade, wenn sie erfahren würde, dass ihre wundervolle Mutter gegen ihren eigenen Mann intrigiert hat. Verschollen auf See klingt da schon freundlicher für einen Nachruf, oder? Ach, ich will nicht länger daherreden, wenn ihr nicht sofort den Wein zu euch nehmt, dann werde ich eure Tochter ermorden lassen! Glaubt mir, es wird mir ein Leichtes sein!"
Er legt Sophies Lieblingstaschentuch vor meine Nase, dass meine Initialen trägt. Sie hatte es immer bei sich! Mein Wille ist gebrochen und ich fühle mich geschlagen. Nein, Sir Colin hat recht, ich bin eine schlechte Ehefrau und eine noch schlechtere Mutter! Denn ich hatte bei meinem Spielchen nie an Sophie gedacht! Ich schaue George an, sein Blick ist zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, voller Angst. Ich greife nach dem Becher. George versucht, mir den Becher wegzunehmen, doch ein Soldat seiner Leibgarde hält ihn fest. Ich sage: „George, ich werde diese gerechte Strafe annehmen, für euch, für Sophie. Auf den zukünftigen König!"
Dann trinke ich und der Aufschrei des Prinzen geht in den gerufenen Worten meines Henkers unter: „Bravo! Was für eine Prinzessin! Nun, das wäre erledigt. George, kommen wir zum Geschäft, ich..."
Doch George hat sich von dem Soldaten gewaltsam befreit, um mir den Becher zu entreissen. Innerhalb von Sekunden liegt er ihn an seine Lippen und dieses Mal schreie ich. Ich spüre, wie ein Schmerz durch meinen Leib fährt, es fühlt sich an, als würde mich jemand von innen zerreissen. Ich falle zu Boden, höre jemanden aus weiter Ferne reden. Ein Poltern, ich öffne die Augen. George liegt neben mir und nimmt meine Hand. Dann krümmt er sich, wie ich. Unser Todeskampf dauert ewig, doch irgendwann wird es dunkel um mich.
Ich höre Schreie, Donnern. Männer rufen, Füße laufen hektisch über die Holzplanken. Es ist heiß, ich sehe Feuer und Rauch. Und höre Glocken. Schiffsglocken! Ich drehe mich zur Seite und sehe, dass George regungslos neben mir auf einem Tisch liegt, seine Hände sind gefaltet. Plötzlich schnappt er nach Luft und fährt hoch. Blickt sich um, dann sieht er mich.
„Gott sei dank!", sagt er atemlos. „Wir leben!"
Ich nicke. Rutsche von dem Tisch hinunter und George ruft: „Feuer! Wir müssen hier raus! Komm!"
Die Schiffsglocken läuten immer noch. Das bedeutet, dass wir schnell von Bord müssen, da es sinken wird. Doch kaum sind wir an Deck, kracht der Seitenmast mit Getöse auf uns hinunter. Ich stolpere rückwärts und falle. Spüre einen harten Schlag auf den Kopf und zum zweiten Mal an diesem Tag sterbe ich.
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