
Kapitel 19
Vorsichtig öffnete ich erst das eine und dann das andere Auge. Ein grelles Licht blendete mich, deshalb schloss ich sie sofort wieder. War ich tot? Fühlte sich so der Tod an? Oder starb ich gerade? Da setzte der Schmerz ein und wenn ich tot war hätte ich ja eigentlich nichts fühlen können, oder? Aber nun breitete sich dieses unangenehm stechende Gefühl, beginnend von meinem oberen Rücken, über meinen gesamten Körper aus und ließ mich unkontroliert zittern.
''Fai, Fai, geht es dir gut? Bist du wach?'', hörte ich eine Stimme fragen und wurde im gleichen Moment an der Schulter gerüttelt, was den Schmerz schlimmer werden ließ. Nope, ich lebte definitiv noch.
''Zoey, lass sie erstmal aufwachen'', meinte eine andere Stimme. Zack.
Wieder öffnete ich die Augen und blinzelte. Langsam gewöhnte ich mich an die Helligkeit und erkannte Umrisse, die nach einigen Sekunden klarer wurden. Zoey und Zack saßen neben dem weiß bezogenen Bett, in dem ich lag.
''Wo bin ich?'', fragte ich, bekam aber nur ein Krächzen raus. Zoey verstand es trotzdem. ''Auf der Krankenstation. Du wurdest angeschossen. Zwei Pfeile in den Rücken, du wärst fast gestorben.''
Sehr feinfühlig. Jetzt dämmerte mir auch wieder was gestern, wenn es nicht schon länger her war, passiert war. Der Kampf, die Feen, Fene, Alice.
''Wo ist Alice?'', brachte ich hervor und hustete.
''Ihr geht es gut, keine Sorge. Sie ist bei ihren Eltern und versucht ihnen zu erklären, warum sie sich so lange nicht gemeldet hat. Eigentlich müsste sie jeden Augenblick wieder hier sein'', beruhigte mich Zack, ''Aber du musst es langsam angehen lassen, einer der Pfeile hat deine Lunge gestriffen, die Wunde heilt nur langsam.''
In diesem Moment wurde die Tür aufgemacht und ein Blondschopf kam herein. Es ging ihr gut. Meiner besten Freundin ging es gut, wir hatten sie gerettet. Vor Erleichterung stiegen mir Tränen in die Augen.
''Alice'', hauchte ich und schluchzte glücklich auf. Jetzt würde alles gut werden.
''Gott sei Dank, dir geht es gut!'', rief die Blauäugige aus und rannte zu mir.
''Das fragst du?'' So gut es mir aus dem Liegen möglich war suchte ich sie nach Verletzungen ab und stellte fest, dass sie vollständig geheilt war. Äußerlich zumindest. Vermutlich würde sie noch eine ganze Weile brauchen, um sich auch innerlich zu erholen, denn was immer die Feen ihr angetan hatten, sehr nett waren sie garantiert nicht gewesen.
''Habt ihr es ihr schon gesagt?'', erkundigte Alice sich bei den beiden Schwarzhaarigen und diese schüttelten die Köpfe.
''Was sagen?'', fragte ich alarmiert, war jemandem etwas passiert? Augenblicklich machte sich Angst in mir breit. Was war passiert, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte.
''Keine Sorge, allen geht es gut'', beruhigte mich Zack als hätte er meine Gedanken lesen können. Vermutlich war es aber offensichtlich, denn ich war zu schwach um wie sonst meine Emotionen halbwegs verstecken zu können.
''Was ist dann los?'', wollte ich wissen.
Zack und Alice redeten ein wenig drum herum und sagten Sachen wie: ''Es ist eigentlich unmöglich, aber keine Angst, dir passiert nichts'' und ''Alle deine Werte waren die ganze Zeit über eigentlich normal.''
Irgendwann platze Zoey dann einfach damit heraus. ''Du hast Flügel.''
''Was?''
''So viel zum Thema Es ihr sanft beibringen'', murmelte Zack und nickte dann. ''Ja, du hast Flügel. Wir wissen auch nicht, wie das möglich ist, Shamira und Cataleya sitzen schon die ganze Woche in der Bibliothek und versuchen etwas...''
Ich unterbrach ihn. ''Die ganze Woche? Wie lange war ich bitte bewusstlos?''
''Heute ist Dienstag'', sagte Alice. Sechs Tage. Ich war sechs Tage ohne Bewusstsein gewesen, nur weil... Alas auf mich... geschossen hatte. Er existierte tatsächlich und war nicht nur Einbildung gewesen.
''Fai, alles okay?'', fragte Zack besorgt, ''Du bist plötzlich so blass.''
''Ja, alles gut, es ist nur...''
''Überraschend, wahnsinnig, unglaublich cool?''
''Nicht ganz wie ich es formuliert hätte, aber ja. Wie sehen sie aus?'' Ich konnte es immernoch nicht glauben.
''Ein bisschen wie aus Tinker Bell '', meinte Zoey.
Super, ich mutierte zu einer winzigen Elfe.
''Sie sind grau'', übernahm Zack für die Schwarzhaarige, da er wesentlich besser erklären konnte als sie, ''Und durchscheinend, fast wie Luft. Wir können sie nicht berühren, aber sie sind da.''
Ich versuchte eine Veränderung an meinem zu spüren, irgendwas, das mir beweisen konnte, was meine Freunde erzählten, aber da war nichts. Nur der langsam abklingende Schmerz an meiner Wirbelsäule, der aber vermutlich eher davon kam, dass ich von zwei Pfeilen aufgespießt worden war. Also wollte ich aufstehen, um in einen Spiegel zu schauen. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Daraus wurde aber nichts, denn Zack hielt mich mit den Worten: ''Du bist noch zu geschwächt, ruh dich noch eine Weile aus'' auf.
Weil ich nicht wirklich eine andere Wahl hatte blieb ich liegen und schaute an die Decke. Wirklich viel konnte ich ja nicht machen, vor allem nicht, da Alice, Zoey und Zack kurz darauf das Zimmer verließen, damit ich noch ein wenig schlafen konnte. Das war allerdings unmöglich, schließlich war ich erst aus einem einwöchigen Schlaf aufgewacht. Also begann ich über den Kampf nachzudenken. Ich hatte viele Leute auf dem Boden liegen sehen, bei denen ich weder beurteilen konnte ob sie Feen oder Fairy waren, noch ob sie tot oder nur verletzt waren. Es war zu unübersichtlich und chaotisch gewesen, aber eins war sicher, es waren zu viele Leute gestorben, egal was sie waren. Verdammt, sogar ich selbst hatte getötet! Zwar um meine Freunde zu retten, aber trotzdem. Die Schuldgefühle waren schrecklich und ich würde nun für den Rest meines Lebens damit leben müssen. Ob es wohl irgendwann besser werden würde? Ich konnte es nur hoffen. Als ich kurz davor war zusammenzubrechen und zu weinen blinzelte ich schnell ein paar mal und setzte mich dann mühsam auf. Ich musste mich irgendwie ablenken, deshalb drehte ich meinen Kopf ein Stück um einen Blick auf die Flügel zu erhaschen. Auch wenn ich nicht viel davon sehen konnte, erkannte ich einen gräulichen Schimmer, der von meinem Rücken auszugehen schien, viel mehr jedoch nicht, weshalb ich beschloss zum Badezimmer zu gehen, wo ein Spiegel hing.
Ich stellte die Füße auf den Boden und verlagerte mein Körpergewicht nach vorne um aufzustehen, fiel jedoch sofort wieder nach hinten, was einen feurigen Schmerz durch meinen Rücken fahren und mich die Zähne zusammenbeißen ließ. Zehn Versuche brauchte ich schließlich um halbwegs stehen zu können, doch sobald ich den ersten Schritt machen wollte sackte ich zusammen. Das würde dauern.
Plötzlich ging die Tür auf. Schnell versuchte ich wieder aufs Bett zu klettern und so zu tun als würde ich schlafen, aber natürlich war ich zu langsam.
"Was macht ihr hier?", fragte ich, während ich mit schmerzverzerrtem Gesucht aufstand.
"Mein Verstand und ein paar Rosen haben mir gesagt, dass du dich nicht ausruhen würdest, deshalb sind wir hergekommen", grinste Zoey.
"Wir haben dir auch was vernünftiges zum Anziehen mitgebracht", fügte Alice hinzu und hielt eine kleine Tasche hoch.
"Und es scheint auch gut zu sein, dass wir hier sind, sonst verletzt du dich noch", meinte Zack und half mir mich aufs Bett zu setzen.
"Ich verletze mich nicht!", warf ich ein und stand sofort wieder auf.
"Natürlich." Zoey verdrehte die Augen und kam zu mir um mich zu stützen. "Das mit dem Laufen müssen wir dringend noch mit dir üben", schmunzelte sie.
Ich nickte und wollte in Richtung Badezimmer gehen, doch die Schwarzhaarige rührte sich nicht vom Fleck.
"So kannst du nicht durch's HoF laufen!", entschied sie und Alice stimmte ihr zu. "Du würdest viel zu viel Aufsehen erregen! Wenn deine Eltern und Shamira rausfinden, dass du dich nicht ausruhst drehen sie hns die Hälse um!"
"Wartet mal, meine Eltern sind hier?"
"Seit sie erfahren haben, dass du gleich doppelt aufgespießt wurdest. Sie saßen fast die ganze Zeit hier", erzählte Zoey.
Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Klar, ich wusste sie würden sich Sorgen machen und vielleicht kurz hier vorbeischauen, aber dass sie ihre unerklärliche Abneigung gegenüber dem House of Fairy so lange überwinden konnten war wirklich unerwartet.
"Sie sind immernoch deine Eltern", meinte Alice, "Natürlich sind sie hier geblieben."
"Okay, wir müssen uns ein bisschen beeilen. Die Versammlung beginnt gleich und Nayla fragt sich schon wo wir sind", stellte Zoey fest, während ihr Blick auf einen violette Blume gerichtet war, die zu ihr zu sprechen schien.
"Was für eine Versammlung?", fragte ich verwirrt.
"In den letzten Tagen war alles ein bisschen durcheinander", erklärte Zack, "Jetzt normalisiert sich die Lage wieder etwas und der Rat hat wieder den Überblick. Jetzt wollen sie klären wie es weiter geht."
"Und wenn wir das nicht verpassen wollen müssen wir uns ein bisschen beeilen. Zack, umdrehen!", ordnete Alice an und Zack gehorchte.
Meine Freundinnen halfen mir beim Umziehen, da ich sonst wahrscheinlich zwanzig Mal hingefallen wäre. Nach zwei Minuten hatte ich eine schwarze High Waist Leggings und ein silbergraues T-shirt an, das einen ziemlich tiefen Rückenausschnitt hatte. Das war aber so ziemlich die einzige Möglichkeit für mich, ein Oberteil anzuziehen ohne es aufgrund der Flügel zerschneiden zu müssen.
"Jetzt musst du nur noch wieder lernen zu laufen", meinte Zoey, "Wie schwer kann das schon sein?"
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