Kapitel 12
Es war dunkel. Sehr dunkel. Und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, merkte ich, wie groß das Labyrinth war. Ich sah keinen Anfang und kein Ende, dafür aber hunderte von Steintafeln, die an den Wänden hingen. Sie waren mit uralten Symbolen vollgeschrieben, die ich nicht kannte, aber ich wusste, dass diese Sprüche in den falschen Händen gefährlich waren.
Schnell nahm ich die Kamera, die Nayla mir gegeben hatte, aus meinem Rucksack und begann zu fotografieren. Nach einer Weile bemerkte ich, das sie Tafeln sich wiederholten und packte die Kamera wieder ein.
Plötzlich ertönte ein Knurren. Ich drehte mich um, aber da war nichts. Hatte ich mir das vieleicht nur eingebildet? Da war es wieder! Nein. Das war definitiv real.
Ich hatte die Fotos, eigentlich könnte ich jetzt gehen, doch als ich zur Tür zurück gehen wollte, bemerkte ich, das es nicht nur eine, sondern tausende gab. Wie war das möglich? Ich hatte dieses Labyrinth eindeutig unterschätzt.
Verzweifelt öffnete ich wahllos irgendwelche Türen, in der Hoffnung, dass eine die richtige sein würde. Aber vergebens. Sie führten nur in weitere schier unendlich weite Räume.
Immer wieder hörte ich das Knurren, ignorierte es aber so gut ich konnte, denn jetzt in absolute Panik zu verfallen, wäre Selbstmord.
Auf einmal hörte ich das Knurren wieder. Nur das es diesmal deutlich lauter war. Was auch immer diese Geräusche machte, es kam auf mich zu! Da fiel mir Zoey's Warnung wieder ein "Etwas Schreckliches wartet darin auf dich. Du musst vorsichtig sein."
Was Zoey wohl machen würde wenn ich nicht wieder hier heraus käme? Würde sie Hilfe hohlen oder selbst herein kommen? Ich hoffte es nicht.
Vor Sorge wie gelähmt bemerkte ich erst viel zu spät den kalten Atem, der meinen Nacken traf. Ich schrie auf und wirbelte herum. Vor mir stand ein riesiges Wesen, das wie ein übergroßer Hund aussah, aber Zähne wie ein Löwe und Krallen wie ein Adler hatte. Das Schlimmste jedoch, war das Gesicht. Es sah menschlich aus, war aber total von Maden zerfressen.
Ich sprang zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, denn das Monster sprang genau an die Stelle, an der ich nur Millisekunden vorher noch gestanden hatte.
Und dann rannte ich. Ich rannte um mein Leben, wusste aber nicht wohin. Da hatte ich eine Idee
"Zoey!", rief ich, "Ich brauche deine Hilfe! Wenn du mich hören kannst, dann mach die Türe auf. Aber geh auf keinen Fall rein!"
Keine Antwort. Wahrscheinlich hatte sie es nicht gehört und ich würde hier sterben. Zoey würde vieleicht noch ein paar Stunden warten und anschließend den anderen Bescheid geben, das ich vermutlich tot sei. Und dann würde Alice auch nie gerettet werden. Das wäre vermutlich das Schlimmste gewesen. Alice war schon immer so lieb gewesen, so unschuldig. Sie durfte einfach nicht sterben! Darum musste ich auch überleben.
Ich rannte weiter, bis ich irgendwann eine Öffnung erblickte. Konnte es sein, dass das Zoey's Verdienst war? Hatte sie mich doch gehört?
Hoffnungsvoll lief ich weiter, als ich plötzlich einen Schatten am rettenden Ausgang vorbeihuschen sah. Er hatte die gleiche Form wie das Monster vor dem ich flüchtete. Erschrocken drehte ich mich um. Nein, da war nichts mehr. Inzwischen war ich nah genug am Ausgang um zu sehen, wie das Wesen nach draußen sprang. Direkt auf Zoey!
"NEIN!" schrie ich.
Meine Freundin fiel blutend auf den Boden, wärend das Monster sich auflöste. Ich war draußen angekommen und knallte die Tür zu. Dann packte ich Zoey und zerrte sie aus der Gefahrenzone.
In sicherer Entfernung legte ich sie auf das weiche Gras und zog ihren Kopf auf meinen Schoß. Sie war bewusstlos, was eigentlich kein Wunder war, wenn man sich ihre Verletzungen ansah. Sie blutete stark aus Wunden an Kopf und Brust und ihr rechtes Bein schien nur noch ein Trümmerhaufen zu sein.
Selbst ich sah, dass sie diese Verletzungen nicht überleben würde, wenn sie nicht sofort in ein Krankenhaus oder das HoF kommen würde. Das war allerdings unmöglich, denn bis dorthin bräuchten wir mindestens zwei Stunden.
Aber untätig hier herumzusitzen würde ihr auch nichts bringen. Da hatte ich eine Idee. Vielleicht könnte ich Terra Magia verwenden um sie zu heilen. Oder ihr zumindest soweit zu helfen, dass sie überlebte, bis sie in ein Krankenhaus kam. Schnell holte ich mein Messer hervor und schnitt mir in die Hand. Es tat ein wenig weh, doch ich ignorierte den Schmerz und versuchte einen Kreis zu malen.
Aber es funktionierte nicht. Ich zitterte zu stark, als das ich irgendetwas kontrollieren könnte. Statt auf die Erde, fielen jetzt also ein paar Tropfen meines Blutes auf Zoey's Kopf. Ihre Wunde begann sich lamgsam zu schließen.
Warum war ich da nicht früher drauf gekommen? Die Prophezeiung besagte doch, das mein Name meine Bestimmung und mein Blut Heilmittel und Gift zugleich war. Die Wunde an Zoey's Kopf hatte sich inzwischen komplett geschlossen, darum machte ich mit der Wunde knapp über dem Herzen weiter.
Und schon kurz nachdem mein Blut sie berührte, wachte Zoey auf und schrie. Als sie sah was ich da tat, versuchte sie wegzukriechen, aber ich hielt sie fest
"Nein. Nicht bewegen, gleich geht es dir besser. Vertrau mir", bat ich ruhig.
Zoey biss die Zähne zusammen und sah mir in die Augen. Ihr Blick war ängstlich und fragend, darum versuchte ich ihr zu erklären was passiert war.
"Du wurdest von einem Monster angegriffen. Es hat dich schwer verletzt, du lagst im Sterben und ich wollte dir irgendwie helfen, deshalb habe ich versucht Terra Magia zu benutzen, aber das hat nicht geklappt und mein Blut ist in deine Wunden gekommen. Tja und den Rest kennst du ja."
"Warum tut das so weh?" brachte sie hervor.
"Ich weiß es nicht.", antwortete ich wahrheitsgemäß, "Aber wenn es dir das Leben rettet, ist es doch gut."
"Na du hast gut reden. Du musst den Scheiß nicht aushalten."
Inzwischen war auch Zoey's Brustkorb geheilt und ich zog meine Hand weg. Ihr Bein ließ ich lieber nicht heilen, denn ich war mir nicht sicher, ob die vielen Brüche auch geheilt werden würden.
"Okay und was machen wir jetzt?", fragte sie und deutete auf ihr Bein, "So komme ich ja nicht weit."
Ich nickte. "Ich weiß, aber ich würde es jetzt nur ungern heilen. Wir wissen ja nicht ob das bei gebrochenen Knochen auch geht. Vieleicht werden die Wunden geheilt aber die Knochen nicht. Oder sie wachsen falsch zusammen, das wäre auch nicht besser. Ich werde jetzt jedenfalls meine Großmutter anrufen, damit sie und Nayla uns abholen kommen."
Zoey nickte nur. Schnell wählte ich Shamiras Nummer. Zum Glück nahm sie schon nach dem zweiten Klingeln ab.
"Fai, geht es euch gut?", fragte die Fairy sogleich besorgt
"Grandma. Du musst sofort hierher kommen. Zoey wurde von irgendeinem Monster angegriffen."
"Wie e schwer ist sie verletzt?"
"Ihr Bein ist aber mehrmals gebrochen oder besser gesagt zertrümmert, deshalb kommen wir nicht zum Auto. Sie verliert sehr viel Blut."
"Wir kommen. In einer Stunde sind wir da. Versuch die Blutung zu stillen."
"Okay, ich werde es versuchen."
Ich legte auf. Dann setzte ich mich zu Zoey. Diese fragte: "Und? Wann kommen sie?"
"In einer Stunde. Wir müssen solange die Blutung stillen", antwortete ich.
Zoey jedoch schien es ziemlich gut zu gehen. "Fai, ich weiß mein Bein ist ein einziger Trümmerhaufen, aber es geht mir dementsprechend gut. Wirklich! Du musst dir echt keine Sorgen machen."
Das tat ich aber, denn immerhin wurde sie von einem Hund-Löwe-Adler-Mensch-irgendwas angegriffen und deshalb fast gestorben. Das war doch ein ziemlich guter Grund sich Sorgen zu machen. Aus diesem Grund holte ich den Verbandskasten aus dem Rucksack und wickelte vorsichtig mehrere Verbände um Zoeys Bein, wobei sie leise aufzischte.
Den Rest der schier unendlich langen Stunde saßen wir einfach nur still da, jede in ihre Gedanken versunken, wobei Zoey eher in einem Bereich zwischen Bewusstsein und Ohnmacht schwankte.
Plötzlich hörte ich ein Motorengeräusch. Waren das Grandma und Nayla? Wenn nicht hatten wir ein Problem. Ich stand auf und sah ein großes Auto, das in hundert Meter Entfernung herumfuhr. Das war definitiv meine Mentorin am Steuer. Niemand anderes fuhr so schnell und schaltete die Gänge so ruckartig. Als sie mich sah kam sie nich schneller angefahren. Sie parkte direkt neben mir und beide sprangen hinaus.
"Wo ist Zoey?" fragten sie sofort. Ich zeigte ihnen den Weg und half, meine Freundin zurück zum Wagen zu tragen. Als Nayla die Wunde sah, sog sie scharf die Luft ein. "Wow, das sieht wirklich schlimm aus."
Zoey lächelte sarkastisch. "Danke für die Ermutigung, Doc. Wie lange hab ich?"
"Lange. Du wirst wieder gesund", meinte Nayla.
"Fai, wir sollten gehen und Nayla ihre Arbeit machen lassen", sagte Grandma und zog mich ein Stück vom Wagen weg.
"Was war das für ein Wesen, das Zoey angegriffen hat?", fragte sie.
"Ich weiß es nicht. Es war wie ein Hund, aber größer und es hatte Adlerkrallen, Löwenzähne und ein menschliches Gesicht. Das war aber von Maden zerfressen", beschrieb ich.
"Es war das Te Deum Mortis. Ein Monster, das sich vom Tod ernährt. Verwundet es jemanden stirbt das Opfer."
"Soll das heißen, Zoey wird sterben?", fragte ich alarmiert, "Ich habe sie doch schon größtenteils geheilt!"
"Sie wird überleben, wenn wir sie rechtzeitig ins HoF bringen. Und was meinst du mit du hast sie geheilt?"
"Irgendwie scheint mein Blut Heilfähigkeiten zu haben. Es ist auf eine von Zoeys Wunden gekommen und die ist dann verheilt."
"In Ordnung, darüber reden wir später nochmal."
Wir liefen zurück zum Auto, wo Nayla sich um Zoeys Bein kümmerte.
"Das ist schlimmer als ich gedacht habe", meinte die Erwachsene, "Ich fürchte, ich kann nicht viel tun, solange wurde noch hier sind."
"Was kannst du tun?", fragte ich.
"Die Blutung ein wenig stillen und die Brüche halbwegs richten."
"Dann tu das, ich schaffe den Rest."
Nayla wollte widersprechen, wurde aber von Zoeys immer schwächer werdenden Stimme unterbrochen. "Bitte, tu einfach was Fai sagt. Sie weiß was sie tut."
Das war eine glatte Lüge. Zoey wusste genau so gut wie ich, das ich keine Ahnung vom Heilen mit Magie hatte. Dennoch vertraute sie mir.
Nayla nickte. "Na gut, aber erst gebe ich dur etwas zur Beruhigung. Wenn du dich bewegt macht es das schlimmer."
"Okay", flüsterte Zoey kaum hörbar.
Meine Mentorin holte eine Spritze heraus und setzte sie an Zoeys Arm an. Die Braunhaarige zuckte zusammen, als die Nadel in ihre Haut stach und verlor beinahe sofort das Bewusstsein.
Nayla schob die Knochen der Fairy wieder an die richtige Position und meinte danach, dass sie getan hatte was sie konnte.
Langsam trat ich näher an meine Freundin und holte mein Messer hervor. Nayla machte einen Schritt auf mich zu, doch Grandma hielt sie zurück. "Nein. Du bleibst hier. Fai weiß was sie tut."
Bevor noch irgendjemand etwas sagen konnte, riss ich den Schnitt von vorhin wieder auf. Nayla schnappte nach Luft, während mein Blut auf Zoey's Bein lief und die Wunde verschloss. Sie blieb die ersten Sekunden völlig ruhig liegen, sodas ich fast schon dachte, das sie doch nicht aufwachen würde, aber plötzlich schrie sie und versuchte wegzukommen.
"Nicht bewegen. Ich weiß es tut weh, aber gleich ist es vorbei", versuchte ich sie zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. Sie zappelte nur noch schlimmer.
Hilfesuchend sah ich zu den anderen. Die verstanden sofort und hielten Zoey fest. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir es geschafft. Alle Wunden waren verschlossen. Zoey atmete aus und auch ich war unfassbar froh, dass es vorbei war.
"Wie hast du das gemacht?", fragte Nayla erstaunt.
"Ich weiß es nicht genau", gab ich zu, "Wir haben vorher durch Zufall davon erfahren. Aber anscheinend heilt mein Blut Fairy."
"Du hast etwas vergessen!", stieß Zoey aus, "Es tut höllisch weh, wenn sie jemanden heilt."
Ich nickte: "Ja, das offensichtlich auch. Aber mehr wissen wir auch nicht."
"Ich hätte es wissen müssen. Die deren Name ihre Bestimmung und deren Blut Heilmittel und Gift zugleich ist. Eigentlich ist es doch so einfach", überlegte Nayla.
Ich nickte, das war mir vorher ja auch aufgefallen. Nur hatte ich dem keine Beachtung geschenkt. Es gab einfach wichtigeres. Es wurde still, bis Zoey irgendwann fragte: "Können wir zurück ins HoF? Es ist spät und ich bin müde."
Grandma antwortete: "Natürlich."
Wir wollten meiner Freundin helfen aufzustehen, doch sobald sie ihr Bein belastete, sank sie zu Boden.
"Zoey! Alles in Ordnung?" rief ich. "Ja ja, mir geht's gut."
Nayla musterte argwöhnisch Zoey's Bein. "Okay, mit deinem Fuß stimmt definitiv etwas nicht. Du kommst nacher noch mit zur Krankenstation. Vieleicht ist ein Knochen falsch verheilt. Aber keine Sorge, das lässt sich richten."
Grandma und ich halfen Zoey noch schnell sich ins Auto zu setzen und warteten dann, bis sie mit Nayla davonfuhren und liefen dann zu meinem kleinen silbernen Wagen.
"Grandma, kann es sein, dass Fairy Pflanzen reden hören können?", fragte ich.
Sie wirkte überrascht. "Ja, aber das ist selbst bei Reginae Terrae sehr selten. Kannst du sie hören?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, aber Zoey hat, als wir zum Labyrinth gelaufen sind Kopfschmerzen bekommen, die immer schlimmer geworden sind. Am Eingang ist sie dann zusammengebrochen und hat gesagt, die Pflanzen warnen sie."
"Das ist durchaus denkbar. Aber jetzt müssen wir zurück uns House of Fairy. Zoey geht es immer schlechter."
Wir stiegen ins Auto und fuhren los.
"Wird Zoey immer Schmerzen haben, wenn sie die Pflanzen hört?", erkundigte ich mich.
"Ich weiß es nicht. Mit dieser Art Magie kenne ich mich nicht aus, aber eine Freundin von mir tut das. Wenn es Zoey's Bein besser geht, werde ich sie anrufen."
"Zoey wird doch überleben, oder?"
"Ich werde alles in meiner Macht stehende tun", versprach Grandma.
Hoffentlich war das genug.
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