Kapitel 7
Die Stille im Wagen war fast schon greifbar, während an den Fensterscheiben des Pickups die mit Schnee bedeckte Landschaft an uns vorbeizog. Ich hätte schwören können, dass die Außentemperatur mindestens genau so eisig war, wie die Stimmung zwischen Ben und mir.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, dass ich zu ihm rüber sah und darauf wartete, dass er meinen Blick erwiedert. Aber er starrte stur auf die Straße, fast schon als würde er meinen Blickkontakt meiden wollen. Bemüht den pochenden Schmerz in meinem Knie zu verdrängen sah ich aus dem Fenster, aber meine Gedanken kreisten sich immer wieder um die Situation auf dem See. Ich wusste, dass Ben ehrgeizig war, aber dass er jemand anderem Schmerzen zufügen würde, um zu gewinnen, das war neu. Und so kannte ich ihn nicht.
»Wirst du mir jetzt sagen was das sollte?« durchbrach meine Stimme die eisige Luft im Wagen. Sie klang wie knackendes Eis in der Stille.
Ben zuckte kurz mit dem Auge, den Blick weiterhin unnachgiebig auf die Straße gerichtet.
»Ich weis nicht wovon du redest«, tat er das ganze ab.
»Na schön«, sagte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. »Wenn du nicht mit mir redest kann ich dir auch nicht helfen«.
Ich war mir nicht sicher, ob ich wütend oder verletzt von Ben's Verhalten sein sollte, es war irgendwie eine Mischung aus beidem. Den Rest der Fahrt sagte keiner etwas. Als Ben den Pickup auf den Parkplatz zum Halten brachte, stieg er aus und half mir vom Beifahrersitz. Nach wie vor ohne auch nur ein Wort mit mir zu wechseln. Ich meldete mich an der Pforte an und eine Schwester stand sofort mit Rollstuhl hinter uns. Als ich verstand, dass sie darauf wartete, darin Platz zu nehmen, winkte ich energisch ab. »Oh nein! Das wird nicht nötig sein!«
Aber ihr Blick wie auch der von Ben und der Mitarbeiterin an der Anmeldung machten mir klar, dass es hier keinen Spielraum für Diskussionen gab. »Also schön«, mürrisch ließ ich mich in den Sitz fallen. Und ich dachte schon der Moment als ich vorhin auf dem Eis lag war demütigend, dass es viel demütigender war in einem Rollstuhl durch die Notaufnahme geschoben zu werden war mir bislang nicht in den Sinn gekommen. Die Krankenschwester übergab mich mit meinem rollenden Untergrund an Ben und er buxierte mich an das Ende der Bankreihe im Wartebereich. Schmollend sah ich mich im Raum um und stellte erleichtert fest, dass außer uns nur noch drei weitere Patienten warteten, was darauß schließen lässt, dass wir hoffentlich nicht zu lange warten mussten. Ich versuchte durch den Mund zu atmen, um den typischen Krankenhausgeruch nicht zu sehr wahrzunehmen.
»Ich kann ihn nicht leiden« unterbrach Ben mein Gedankenkarusell und brach damit die Stille nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich sagte nichts, sah ihn einfach nur an und hoffte, dass er weitersprach. »Logan«, beantwortete er meine unausgesprochene Frage und ich runzelte die Stirn. »Was hat er dir denn getan?«
Ben legte seine Hände offen und sah auf seine Handflächen, als würde dort die Antwort stehen. »Das ist es ja«, Ben mied nach wie vor den Blickkontakt zu mir »Er hat mir nichts getan es ist nur...« er stoppte und als er mir endlich in die Augen schaute erkannte ich darin einen Konflikt, der nicht in Worte greifbar war. »Es verunsichert mich, dass du ihm so sehr vertraust, nachdem du anfänglich gedacht hast er habe keine guten Absichten hier in Fairfield.« Ben wand den Blick ab. »Ich traue ihm nicht«.
Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft, woraufhin er sich wieder zu mir drehte.
»Aber ich vertraue dir.« Es waren keine großen Worte, und trotzdem fühlte es sich an, als würden sie so viel mehr bedeuten. Das Zucken eines Lächelns umspielte Ben's Mundwinkel, er griff nach meiner Hand und drückte sie ebenfalls. Gerade als er etwas erwidern wollte wurde mein Name aufgerufen. »Robin Sparks?« rief der Mann im weißen Kittel, ohne von seinem Klemmbrett aufzusehen und verschwand wieder in dem Untersuchungszimmer, aus dem er gekommen war. Ben lächelte mich noch einmal an, dann stand er auf und schob mich in den Untersuchungsraum. Dort wartete direkt eine weitere Arzthelferin auf mich und der Arzt klärte Ben und mich auf, dass Miss Morgan mich vorerst noch zum Röntgen in den Nebenraum bringen würde, um eine Aufnahme meines Knies zu machen, in der Hoffnung, dass nichts gebrochen war. Mit einem flehenden Blick zu Ben ließ er zögerlich von den Griffen des Rollstuhls ab und übergab mich Miss Morgan. Der Raum, in den mich die Röntgentechnikerin führte, war kühl und unpersönlich. Das Dröhnen des Geräts im Hintergrund verstärkte das unangenehme Gefühl in meiner Magengegend, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben »Es wird nicht lange dauern,« sagte die Technikerin freundlich, während sie die schwere Bleiweste über meinen Oberkörper legte. »Einfach ruhig liegen bleiben.«
Ich nickte nur stumm, denn meine Gedanken kreisten hauptsächlich um Ben's Worte. Er sorgte sich um mich und hatte Angst dass ich Logan, dem ich gerade zweimal begegnet war mehr vertrauen würde als ihm, den ich schon mein ganzes Leben lang kannte. Auch wenn es mich rührte, dass Ben sich um mich sorgte, war ich enttäuscht, dass er wirklich geglaubt hatte, ich würde Logan ihm bevorzugen. Die Technikerin stellte sich hinter die schützende Wand und die Maschine begann leise zu summen. Das grelle Licht des Röntgengeräts blitzte kurz auf, während es Bilder von meinem Bein erfasste. Ich lag da, starrte an die Decke und versuchte nicht zu sehr an die möglichen Verletzungen zu denken. »Noch ein paar Aufnahmen,« hörte ich die Technikerin sagen, und das Gerät surrte erneut. Ich presste meine Lippen zusammen und hoffte einfach, dass das alles bald vorbei wäre. Nach einigen Minuten trat die Technikerin wieder an die Bridge heran und schob die Bleiweste beiseite. »Alles fertig« sagte sie beruhigend. »Der Arzt wird die Bilder gleich durchsehen.« Ich nickte dankbar, hob mich vorsichtig vom Tisch und spürte, wie mein Knie wieder schmerzte, als ich es leicht belastete. Das Pochen war zurück. Hoffentlich war es wirklich nur eine Prellung. Langsam humpelte ich zurück zu in den Rollstuhl und fuhr raus zu Ben, der mich erwartungsvoll ansah, als ich den Raum verließ.
»Und?« fragte er.
»Also Miss Sparks,« begann der Arzt nach einem Blick auf die Röntgenbilder, die jetzt auf dem Leuchtkasten an der Wand hingen, »die gute Nachricht ist, dass nichts gebrochen oder gerissen ist. Es handelt sich lediglich um eine Prellung.«
Ich sah Ben mit einem »hab ich es euch nicht gesagt?«-Blick an während mich eine Welle der Erleichterung durchflutete. Auch wenn der Schmerz weiterhin deutlich spürbar war. »Also kein Grund zur Panik?« fragte ich mit einem schiefen Lächeln.
Der Arzt lächelte zurück. »Nein, keine Panik. Aber Sie sollten Ihr Knie in den nächsten Tagen schonen. Kühlen, hochlagern und keine Belastung. Ich verschreibe Ihnen noch eine Salbe für die Schwellung und ein Schmerzmittel. Wenn es in ein paar Tagen nicht besser wird, kommen Sie nochmal vorbei. Aber ich denke, Sie werden bald wieder fit sein.«
Ben nickte leicht und fragte: »Und wie lange wird sie sich schonen müssen?«
»Mindestens eine Woche, vielleicht länger, je nachdem, wie sich das Knie erholt. Hört auf euren Körper, nicht nur auf die Uhr,"« riet der Arzt, bevor er aufstand und zur Tür ging. »Gute Besserung, Miss Sparks.«
»Danke, Doc!« sagte ich leise und drehte mich dann zu Ben, der mich mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck ansah. »Na also, nichts Dramatisches.«
»Trotzdem« murmelte Ben, »das hätte schlimmer ausgehen können.«
Die Heimfahrt verlief ähnlich still wie die Herfahrt, mit dem kleinen Unterschied, dass die Anspannung aus der Luft etwas verflogen war. Trotzdem fühlte es sich an als wäre zwischen Ben und mir noch nicht alles ausgesprochen, was uns auf den Herzen lag. Wieder einmal lenkte Ben den Wagen zu unserer Auffahrt, wo meine Mutter bereits auf uns wartete.
»Ich habe ein Déjà-vu«, grinsend sah ich zu Ben und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erinnerte auch er sich an die Nacht zurück, als er mich vor ein paar Tagen allerdings im Streifenwagen nach Hause gefahren hatte. Er parkte vor den Stufen der Veranda und noch ehe er mir beim Aussteigen helfen konnte, zog meine Mum ihn in eine feste Umarmung. Als wäre er es, um den sie sich sorgen gemacht hatte. Vermutlich hatte Raphy ihr bereits alles erzählt, zumindest stand mein Quad wieder in der Einfahrt, woraus ich schlussfolgerte, dass er damit zurück gefahren war. Ben warf mir durch die Windschutzscheibe einen hilfesuchenden Blick zu und ich grinste. Man konnte meine Mutter nur lieben, es war trotzdem nur ein schmaler Grat bis ihre Liebe drohte einen zu erdrücken. Ich öffnete die Autotür »Könnte mir mal jemand hier raushelfen?«
Ben reagierte sofort und löste sich geschickt aus den Armen meiner Mutter. Erst als sie sah, wie schwer ich mir beim Laufen tat, schien ihr bewusst zu werden, dass Raphy nicht überreagiert hatte, also nahm sie auch mich in eine Umarmung und strich mir mit ihrer zarten Hand, die immer nach süßem Gebäck roch, die Wange entlang.
»Mein Schatz was machst du nur für Sachen«, ich bin mir ziemlich sicher, dass das die meistgestellte Frage meiner Mutter an mich war. Nur dass ich diesmal wirklich nichts dazu konnte. Gerne hätte ich ihr um die Ohren gehauen, dass ihr Liebling Ben dafür verantwortlich war. Ich war vieles, aber eine Petze bin ich noch nie gewesen.
»Mein kleines tollpatschiges Ding«, beantwortete sie sich selbst die Frage und damit war das Thema auch schon wieder beendet.
Ben stütze mich, indem er unter meine Achsel durchgeschlupft war und mich fast mehr die Treppen hoch trug, anstatt mich nur zu stützen. Meine Mutter hielt die Tür auf, während Bo mir direkt entgegen gerannt kam und schwanzwedelnd um uns herumtänzelte. Mit meiner freien Hand krubbelte ich ihm über seinen flauschigen Kopf, dicht gefolgt von Bo begleitete Ben mich auf das Sofa.
»Ich beweg mich heute keinen Zentimeter mehr von diesem Sofa runter«, sagte ich und merkte wie erschöpft ich war. »Das ist sogar eine ärztliche Anordnung!« zwinkerte Ben mir zu. Lautes Poltern kündigte an, dass Jemand die massive Holztreppe runterkam und als ich um die Ecke sah, erkannte ich Raphy, gefolgt von Tammi.
»Hey!« rief sie schon von weitem und schob sich an Raphy vorbei zu mir, wo sie sich neben mir auf das Sofa plumpsen ließ. »Wie geht es dir?« fragte sie aufgeregt und sah auf mein Knie, als könnte sie durch die Hose durch eine Diagnose feststellen. »Was hat der Arzt gesagt?«, bohrte auch Raphy nach und ich sah überfordert zwischen den Beiden hin und her. »Warte, warst du die ganze Zeit hier?« fragte ich an Tammi gewandt und sie zuckte mit den Schultern, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Wangen hochrot anliefen.
»Wirklich?« fragte Raphy. »Du kommst aus der Notaufnahme raus und die einzige Frage, die du hast, ist ob Tammi die ganze Zeit auf dich gewartet hat?« er schüttelte amüsiert den Kopf.
»Nicht nur hier, sondern bei dir?« sagte ich und zuckte verschwörerisch mit den Augenbrauen. Ben lachte als auch ihm nicht entging, dass Raphy rot anlief und die Augen verdrehte. »Es ist alles in Ordnung.« sagte ich schmunzelnd, um den Beiden einen Ausweg aus der Situation zu bieten. »Also ist nichts gebrochen?« fragte Tammi nach und ich schüttelte den Kopf. »Nein, nur geprellt« ich lächelte in dem Versuch ihnen somit zu zeigen, dass sie umsonst so einen Aufstand gemacht hatten und ich recht behielt.
»Aber sie soll sich schonen und das Bein hochlegen«, übernahm Ben das Wort, weil er wusste, dass ich sonst tun würde als wäre nichts gewesen und meine Genesung nicht so ernst nehmen würde. Ich verdrehte die Augen. »Verräter« murmelte ich, mein darauffolgendes Lächeln nahm meiner Stimme jedoch die Schärfe.
»Ich bin froh, dass es nichts schlimmeres ist« erleichtert zog Tammi mich in eine Umarmung und diesmal war ich es, die Ben hilfesuchend ansah. Jetzt wusste ich wie es ihm ging wann auch immer er unserer Mutter über den Weg lief.
»Mum hat schon die Knieschoner rausgekramt« scherzte Raphy und klopfte mir auf die Schulter.
»Idiot« zischte ich und zeigte ihm den Mittelfinger.
»Hab dich auch lieb Schwesterherz« sagte er lächelnd und fügte hinzu: »Ich bin auch froh, dass es dir gut geht«.
Die Jungs verzogen sich in die Küche auf ein Bier, während Tammi und ich noch ein wenig auf dem Sofa quatschten. »Für einen Augenblick dachte ich wirklich Ben hätte eine Leiche gesehen so blass wie er war als du gestürzt bist«, erzählte Tammi. »Ich wäre sicher nicht die Erste Leiche die er zu Gesicht bekommt«, scherzte ich, aber Tammi ging nicht darauf ein, als wäre sie mit ihren eigenen Gedanken zu sehr beschäftigt.
»Habt ihr stress oder so?« fragte sie und sah mich mit gerunzelter Stirn an.
»Nein, wieso?« fragte ich.
»Irgendwie kam er mir heute aggressiver im Spiel vor. Von dem Ben der bemüht war das jeder einfach Spaß am Spiel hatte war heute nicht sonderlich viel zusehen.«
Sogar Tammi war sein Verhalten nicht entgangen... Ich zuckte nur mit den Schultern. Das Ben wegen der Sache mit Logan und mir so angespannt war, wollte ich für mich behalten.
»Ich weiß nicht, aber hat nicht jeder mal einen schlechten Tag?«
Sie nickte und zuckte ebenfalls mit den Schultern »Vermutlich hast du recht« ihr grübelndes Gesicht erhellte sich zu einem Lächeln »Dafür hat er sich aber rührend um dich gekümmert« säuselte sie mit gedämmter Stimme. »Ja, nachdem er dafür gesorgt hat, dass es mich aufs Eis legt!« Mir entfuhr ein sarkastisches Lachen. In diesem Augenblick tauchten Ben und Raphy im Türrahmen auf. »Ich mach mich mal auf den Heimweg, soll ich dich mitnehmen?«
Natürlich hätte ich gerne noch eine Weile länger mit Tammi geredet, aber der Grund weshalb ich plötzlich so nervös wurde war, dass ich nicht wollte das Ben ging. Seine bloße Anwesenheit reichte aus, dass ich mich geerdet und sicher fühlte. Auch wenn er der Grund war, weshalb ich überhaupt in diese Situation geraten bin, wollte ich nicht, dass er mich hier so hilflos zurück lies. Ich schluckte schwer und sah weg.
»Klar, gerne« antwortete Tammi auf seine Frage und machte Anstalten aufzustehen.
»Ich würde dich ja noch zur Tür begleiten aber...« ich zeigte auf mein Knie und sie lächelte verständnisvoll. »Kein Problem«, sie drückte mich zum Abschied und bohrte den Zeigefinger warnend auf meine Brust »Wehe du schonst dich nicht ausgiebig!«.
Ich verdrehte die Augen und nickte: »Das werde ich, versprochen«.
»Ansonsten rufe ich Sheriff Grand an und veranlasse, dass er dich mit seinen Handschellen auf dem Sofa ankettet!« Sie lachte und nun war ich es, die rot anlief. Ob Tammi überhaupt bewusst war, wie man ihren Vorschlag noch interpretieren konnte? Ich sah zu Ben, der mich lächelnd musterte, als würde er meine Reaktion abschätzen wollen. »Klingt verlockend« sagte er und würde der Schmerz in meinem Knie mich nicht schon umbringen, wäre ich jetzt spätestens vor Scham gestorben. Ich schüttelte verlegen den Kopf und deutete in Richtung Haustür. »Raus mit euch beiden Pervers Linge!« rief ich lachend. Ben zeigte mir den Mittelfinger und Tammi verabschiedete sich im Drehen mit einer Kusshand.
Noch immer kopfschüttelnd, aber lächelnd, sah ich den beiden nach, bis der Motor von Ben's Wagen verschwunden war.
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