26. Kapitel
Lea atmete schwer. Als Mensch hätte sie jetzt geschwitzt und gekeucht, doch in ihrer Schlangengestalt ging das nicht. Generell fand Lea ihren Schlangenkörper, jetzt wo sie nicht mehr in Lebensgefahr schwebte, sehr komisch. Sie hatte keine Hände und an ihre veränderten Sinne musste sie sich erst einmal gewöhnen.
Kia hob ihre Kleidung auf und sprach etwas zu ihr, das Lea nicht hören konnte, es aber dennoch verstand. Mit einer Mischung aus Lippenlesen und Vibration aus dem Boden konnte sie die Worte „Ich leg dir die Kleidung hinter den Baum" verstehen.
Auch an die Fortbewegung musste sie sich erst gewöhnen, doch als sie es raushatte, war es doch relativ leicht.
Kia legte ihre Sachen hinter einem Gebüsch ab und verschwand, damit Lea sich zurückverwandeln konnte. Sie versuchte sich auf ihren Menschenkörper zu konzentrieren und das Kribbeln, das sie bei ihrer ersten Verwandlung gespürt hatte, wieder hervor zu rufen. Nach dem dritten Versuch schaffte sie es.
Nachdem sie sich angezogen hatte, trat sie hinter dem Gebüsch hervor und fand sich sofort in einer stürmischen Umarmung von Kia wieder.
„Du hast es geschafft, du hast es geschafft. Und du hast mega coole Kräfte. Das ist sooooooo krass!", quietschte diese euphorisch.
„Ich glaube du bist eine Regenbogenschlange aus der australischen Mythologie. Das ist ein sehr mächtiges Fabilis.", kam der Einwurf von Silias, während Lea sich aus Kias Umarmung losmachte.
„Können wir bitte kurz darüber reden, was passiert ist? Ich meine, irgendjemand hat versucht uns abzufackeln.", sagte Mila.
„Irgendjemand? Soll ich mich beleidigt fühlen? Bin ich wirklich nur irgendjemand?"
Alle fuhren herum. Doch bevor Lea ihn sah, wusste sie schon wer gesprochen hatte.
Lunik Fokiv sah aus wie ein Krieger auf einem alten Gemälde. Einen Mantel um die Schultern und ein Schwert in einer Scheide an der Hüfte. Ein harter, grausamer Zug lag auf seinem Gesicht. Hinter ihm standen mehrere Gestalten in dunklen Kapuzenumhängen, das Gesicht verdeckt.
„Ich hatte eigentlich gedacht, dass ihr mir mehr Respekt entgegenbringt. Nach allem was ich getan habe, hätte man mich anbeten müssen.", fuhr Lunik fort. Lea war nicht ganz klar, warum er sie nicht einfach umbrachte. Doch mit einem Blick um sich verstand sie: Lunik glaubte immer noch, Viko überzeugen zu können, dass er mit ihm kam.
„Nach allem was du getan hast? Nach allem was du uns angetan hast, sollen wir dich anbeten?", fragte dieser jetzt mit leiser Stimme.
Plötzlich erkannte Lea hinter Lunik eine Bewegung und kurz darauf linste Linius hinter einem Baum hervor. Lea verzog keine Miene, aus Angst Lunik würde sich umdrehen und ihn entdecken.
Linius zeigte erst auf sich, und dann in die Richtung wo Lea Lievy zwischen den verkohlten Bäumen zu erkennen glaubte. Dann holte er mit dem Arm aus und zog seinen Arm wieder in Richtung Lunik. Lea nickte unmerklich und hoffte inständig, dass Linius mit seiner Geste meinte, dass er Hilfe holen würde.
Dann aber zeigte Linius auf Lunik und deutete auf den Boden, und erst nach kurzem Überlegen verstand Lea. Sie sollte Lunik hinhalten bis Hilfe eintraf.
Vorsichtig formte sie mit den Lippen Beeil dich und übermittelte Kia per Gedanken: Linius holt Hilfe, wir müssen Lunik Fokiv nur lang genug hinhalten.
Okay, kam es von Kia, während Linius so leise wie möglich losrannte.
Inzwischen hatten sie die nächsten paar Sätze von Lunik verpasst, doch an Vikos Gesichtsausdruck konnte man unschwer erkennen, dass Lunik ihn bearbeitete.
„Deine Mutter, sie hätte bestimmt gewollt, dass du bei deinem Vater bist.", sagte er gerade.
„Ich bin bei meinem Vater." Vikos Stimme bebte.
„Dieser Vampir ist nicht dein Vater! Kein Tropfen seines Blutes fließt durch deine Adern. Deine Mutter hätte gewollt, dass wir beide zusammen sind!", schrie Lunik fast.
„Meine Mutter ist tot!", Viko hatte nicht nur fast geschrien.
Schock huschte über Luniks Gesicht doch dieser Audruck war sofort wieder weg, und Lea war sich nicht mehr sicher, ob sie sich das nicht nur eingebildet hatte.
„Der hier ist euch übrigens nachgeschlichen. Ich wollte ihn gerade ins Feuer schubsen, als es gelöscht wurde. Naja, jetzt kann er gleich mit euch sterben.", wechselte Lunik abrupt das Thema und schubste Noctus in ihre Mitte.
Kia und Noctus hatten sich nie wirklich verstanden, trotzdem ging sie auf ihn zu und fing ihn auf, bevor er auf dem Boden schlug. Streitereien waren jetzt egal, sie hatten einen gemeinsamen Feind.
Lea überlegte, wie sie Lunik am Reden halten konnte und fragte das Erste, was ihr in den Sinn kam.
„Warum hast du dieses Feuer gelegt? Warum hast du uns nicht einfach von hinten mit einem Schwert durchbohrt? Wozu der Aufwand?", fragte sie also.
„Ach", sagte Lunik beiläufig als würde es hier nicht um ihre Leben gehen. „Ich wollte mir nicht mein Schwert ruinieren. Und außerdem..." Seine Augen, so stechend wie die seines Sohnes richteten sich auf sie. „Und außerdem fand ich es passend. Eine Wasserschlange, umgekommen in den Flammen."
Er lächelte dieses überlegene Lächeln, als ob er alles wüsste und sie nichts.
„Du wusstest was mein Fabilis ist?", fragte Lea halb entsetzt, halb aufgeregt.
„Natürlich", er grinste. „Ich weiß alles über dich, Lea Filuran. Über dich und über deine Mutter."
„Aber...", setzte Lea an.
„Dieses Gespräch beginnt mich zu langweilen.", fiel er ihr ins Wort. „Tötet alle, auch meinen Sohn, seine Gedanken scheinen endgültig von diesem Vampir vergiftet worden zu sein."
„Warte!"
Alle Köpfe drehten sich in die Richtung aus der das Wort gekommen war. Mila hatte gesprochen und obwohl es nicht laut gewesen war, so hielten doch alle in der Bewegung inne.
„Warum sollte ich warten?", fragte Lunik. Er genoss es sichtlich die Kontrolle über sie alle zu haben.
„Ich will noch eine Sache wissen.", sagte Mila ruhig.
„Ich höre.", erwiderte Lunik mit geheucheltem Interesse.
„Ich will wissen, wieso du wusstest, dass wir genau zu dieser Zeit an genau diesem Ort im Wald sein würden."
„Ich hatte einen Spion.", sagte Lunik ruhig.
Die Jugendlichen tauschten entsetzte Blicke. Die ganze Zeit sollte ein Spion unter ihnen gewesen sein? Das konnte nicht sein. Und doch... Und doch war eine Person vor dem Feuer verschwunden und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht.
„Indira, warum zeigst du uns nicht dein Gesicht?", fragte Lunik Fokiv und bestätigtete damit Leas schlimmste Vermutung.
Hinter ihm setzte Indira ihre Kapuze ab.
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