22. Kapitel
Lea starrte ratlos auf die Karte.
„Also da wollen wir hin, aber wo sind wir grade?" Sie drehte sich zu Kia um, die gerade einen Baum fotografierte.
„Hey! Kia! Könntest du bitte aufhören diesen Baum zu fotografieren, das hast du nämlich bereits acht mal getan und mir bitte helfen. Ich glaube nämlich, wenn du mich vorangehen lässt, kommen wir nie aus diesem Wald raus.", meinte Lea und blickte Kia genervt an. Die ging seelenruhig um den Baum herum und machte noch ein Foto von der anderen Seite.
„Kia!" Jetzt wurde Lea doch ein bisschen ungeduldig. „Wir haben genug Fotos von diesem Baum, der übrigens aussieht wie jeder andere hier im Wald."
„Jaja.", kam es abgelenkt von Kia. Lea stöhnte genervt auf. Sie waren jetzt schon etwa eine Dreiviertelstunde unterwegs und seit etwa vierzig Minuten hatte Lea keine Ahnung mehr, wie sie zur Höhle zurückfinden sollte. Kia anscheinend schon. Allerdings schien sie es nicht eilig zu haben, dorthin zurückzukommen.
Lea überlegte, ihr fiel allerdings nicht viel ein, womit sie Kia dort loseisen könnte, also nahm sie ihr kurzerhand die Kamera weg und drückte ihrer Seelenpartnerin die Karte in die Hand.
„Bitteschön. Wie kommen wir jetzt wieder zurück?"
Kia blickte auf.
„Da lang.", meinte sie nur und marschierte los.
„Aber im Ernst. Warum hast du so viele Fotos von dem Baum gemacht? Bei einer Fotorally wirst du wohl kaum einen Baum als Hinweis benutzen können.", meinte Lea, während die beiden Mädchen weiterliefen.
„Ich wollte dich nerven.", sagte Kia nur frech.
„Du warst und bist definitiv immer und überall nervig", behauptete Lea und grinste ebenso frech.
„Dann hätte ich mich gar nicht dafür anstrengen müssen?" Kia machte ein enttäuschtes Gesicht und boxte Lea in die Seite. Die wollte etwas erwidern, wurde aber von einer anderen Stimme unterbrochen.
„Was macht ihr denn hier?", fragte Mila.
„Spazieren.", sagte Kia geistesgegenwärtig. Und lächelte scheinheilig, was Mila aber natürlich nicht sehen konnte.
„Ihr geht nie spazieren.", stellte Kias Schwester fest.
„Wir... gehen spazieren, weil... es so schönes Wetter ist.", kam die wenig überzeugende Antwort von Kia.
„Aha", machte Mila nur und schien Kia mit ihren blinden Augen zu durchbohren. „Eure Definition von schönem Wetter stimmt nicht ganz mit meiner überein." Sie richtete ihren Blick vielsagend in Richtung Himmel, der wolkenverhangen war.
„Es ist ein vergleichbar gutes Wetter.", sagte Kia trotzig.
„Vergleichbar gut zu was? Die ganze letzte Woche war nur Sonnenschein.", konterte Mila.
„Aber heute hatten wir eben Lust spazieren zu gehen.", sagte Lea, hatte aber nicht das Gefühl, dass sie sich besonders elegant herausgeredet hatte.
„Und warum habt ihr eigentlich eine Kamera dabei?", bohrte Mila weiter.
„Wie kannst du das sehen, du bist blind!", meinte Kia im verzweifelten Versuch sich zu retten.
„Egal", sagte Mila. „Ich geh mal weiter, damit ihr in Ruhe spazieren könnt." Bei dem Wort „spazieren" hatte ihre Stimme einen so sarkastischen Unterton, dass Kia ihr bestimmt eine Minute verdattert nachstarrte.
„Okayyy...", sagte sie gedehnt, als sie sich wieder gefangen hatte.
„Das ist wirklich gruselig.", meinte Lea dann.
Kia blickte sie hochgezogenen Augenbrauen an. „Meinst du den Moment, wo sie uns so angeschaut hat, als wüsste sie alle meiner gut behüteten Geheimnisse, wie zum Beispiel mein Schokoladengeheimversteck, oder den Moment, in dem sie trotz Blindheit rausgefunden hat, dass wir eine Kamera mit uns rumschleppen." Sie schaute Lea fragend an.
„Ach, so oder meinst du den Moment, in dem sie wie aus dem nichts aufgetaucht ist. Oder den, wie sie verschwunden ist.", fügte sie hinzu und blickte weiter in Leas Richtung.
„Oder den, als sie rausgefunden hat, dass ich 14 Comics in meinem Zimmer rumliegen habe. Oder den..."
„18!", unterbrach Lea sie. Auf Kias Blick hin, sagte sie noch. „Du hast 18 Comics in deinem Zimmer aufbewahrt und jetzt entspann mal dein Gesicht. Wenn ich richtig mitgezählt habe, hast du deinen fragenden Blick dreimal gesteigert und ich wusste nicht, dass das steigern eines fragenden Blickes überhaupt möglich ist."
Kia grinste. „So besser?"
„Jep", nickte Lea.
„Du hast mir aber noch nicht auf meine erste Frage geantwortet."
„Okay, okay, ich fand Milas gesamten Auftritt ein wenig merkwürdig, was macht sie eigentlich hier im Wald?", antwortete Lea jetzt endlich auf Kias erste Frage.
„Keine Ahnung, ist ja auch ihre Sache, wenn sie hier entlang läuft. Komm, wir gehen ein bisschen weiter, der Himmel sieht so aus, als würde es ziemlich bald regnen." Die beiden Seelenpartner setzten ihren Weg fort.
Exakt 12 Kreuzungen und 97 Fotos später, stießen sie auf Indira, deren Gesicht sich aufhellte, als sie die Beiden entdeckte.
„Hey.", lächelte sie erfreut. „Und? Geht ihr grade die Strecke für die Fotorally ab?"
„Ja." Lea stöhnte. „Und ein gewisses Feuereinhorn, hat anscheinend so viel Spaß am Fotografieren, dass es jeden zweiten Baum ablichtet." Auf einmal sah Kia aus, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Diesen Gesichtsausdruck musste sie geübt haben.
„Echt?" Auf Indiras müdes Gesicht stahl sich ein Lächeln. „Darf ich mal sehen?"
„Klar." Kia reichte dem blonden Mädchen den Fotoapparat. Indra klickte konzentriert durch die Bilder und gab ab und zu „Aha"-Laute von sich, wenn sie bei Bildern erkannte, wo sie gemacht wurden.
„Ziemlich viele Fotos und bei den ganzen Bäumen, kann man nicht erkennen, wo die Fotos gemacht wurden. Klar ich kenne mich hier aus, aber ich wusste nicht einmal bei der Hälfte der Baum-Bilder, wo sie gemacht wurden.", meinte sie, als sie Kia die Kamera zurückgab.
„Ha!", machte Lea und blickte triumphierend zu ihrer Seelenpartnerin, die jetzt Indira anfunkelte.
„Das erkennt man doch genau!", behauptete diese. „Schau mal, das ist diese riesige Eiche beim Bach. Diese Birke steht doch da an der Wegkreuzung. Und die Bucheckern von dieser Buche, sind doch immer über das gesamte Außengelände der Schule verteilt." Jetzt blickte Kia triumphierend.
„Und dieser Baum da?" Indira zeigte auf ein weiteres Foto.
„Der, äh... Der steht auch dort unten am Bach."
„Sicher? Im Hintergrund sieht man die Häuser von Lievy und die sind nun wirklich nicht in der Nähe des Bachs."
„Ja, okay, anhand der Bilder kann man die Fotorally nicht machen, wir gehen morgen nochmal die Strecke ab und machen bessere Bilder.", gab Kia nach einigem Zögern schließlich zu.
„Hey, ich habe dir doch gesagt, dass man die Bäume nicht erkennt. Und was habe ich davon? Ich muss morgen die ganze Strecke nochmal mit dir abgehen. Dankeschön auch.", sagte Lea mit beleidigter Stimme.
„Okay, mein Fehler, dann kriegst du morgen ein ganz klitzekleines Bisschen von meiner Schokolade ab."
„Das ist wirklich ein Liebesbeweis, dafür komme ich gerne nochmal mit", meinte Lea lachend und die drei Mädchen schlenderten zurück nach Lievy.
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