17. Kapitel
Aber wir können die gegnerische Hütte doch nicht einfach unbewacht lassen. Die Übung...
Doch Kia unterbrach sie. Die Übung ist gerade sowas von egal! Mach Viko und Silina los und dann komm sofort hierher! Dann brach die Verbindung ab.
Lea hastete in die Hütte hinein, dicht gefolgt von Indira. Mit fahrigen Bewegungen löste sie die Fesseln, die Silina und Viko die Handgelenke verbanden. Die Beiden starrte Lea und Indira an.
„Was zum Teufel soll das werden?", sagte Silina, nachdem Indira ihren Knebel gelöst hatte.
„Keine Ahnung", fauchte Lea. Sie konnte nur an die Panik in Kias Stimme denken. „Wir müssen sofort zu unserer Hütte, die Übung ist egal."
Silina und Viko schienen die Verzweiflung in ihrer Stimme gehört haben, denn ohne Widerworte begannen sie in Richtung Fels zu hasten, um zur Hütte ihrer Gegner zu gelangen.
Indira verwandelte sich, Lea stieg auf – dieses Mal schon routiniert - und das Pegasus startete.
Sie waren geflogen wie noch nie. So schnell, dass Leas Gesicht schon tränenüberströmt war, von dem Fahrtwind. Indiras Flügel sahen ein wenig zerrupft aus, anscheinend hatte auch sie der Fahrtwind nicht verschont, als ihre Hütte in Sicht kam. Oder besser gesagt das was von der Hütte übriggeblieben war. Sie war ein eigentlich nur noch ein Trümmerhaufen. Und in den Trümmern stand ein Mann - helle Augen, dunkle Haare - und hielt ein Messer an Silias' Kehle.
Indira landete, und Lea rutschte geschockt von ihrem Rücken. Kein Zweifel! Vor ihr stand Lunik Fokiv.
Sie wusste, jetzt sollte sie eigentlich eine wilde Wut packen. Sie sollte zu ihm laufen, ihn umbringen wollen. Aber da war nur diese Leere. Eine Leere die sie vollständig lähmte. Eine Leere, die nichts außer einer tiefen, verzweifelten Angst zurückließ. Die Helden in Büchern waren mutig, griffen den Feind an, doch sie? Sie war nur ein Waisenkind neben einem Mörder.
Wie durch Nebel beobachtete sie das Geschehen. Sie sah wie Silina und Viko ankamen, wie Viko zusammenzuckte, wie sich die Grasfläche langsam füllte. Mit Lehrern und einigen Dorfbewohnern. Doch Lunik hatte eine Geißel. Um ihn herum standen ein paar verschlagen aussehende Typen. Man konnte sie vielleicht besiegen, doch Silias würde dann ziemlich sicher sterben. Und verwandeln konnte er sich auch nicht. Er war ein Wassertier, würde ersticken.
Dann begann Lunik Fokiv zu sprechen.
„Hallo" Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen. „Wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist das hier ein Überfall. Ein Anschlag auf eure Leben." Niemand bewegte sich. Lea hätte vielleicht angefangen zu zittern, doch sie befand sich immer noch in dieser Starre.
„Was willst du?" Herr Filo hatte seine Stimme erhoben. Lea hatte ihn immer für furchteinflößend gehalten, doch neben Fokiv wirkte er wie eine Stofffledermaus neben einem Zombie.
„Ach", sagte Lunik. Er wollte anscheinend gelangweilt wirken, aber ihm schien es unmöglich etwas andere als Kälte zeigen zu können.
„Ich wollte nur jemanden mitnehmen." Seine Stimme klang wie Eis.
„Und warum kidnappst du dann Silias" Ein Ausruf von Mila. Lea konnte nicht verstehen, wie dieses Mädchen es schaffte immer noch aufmüpfig zu klingen."
„Er heißt Silias? Freut mich dich kennenzulernen, wir wurden einander noch nicht vorgestellt. Aber ich brauche ihn eigentlich dafür, dass ihr mich nicht angreift. Das wäre für alle Beteiligten unschön und so" Er packte den Jungen fester. „muss ich wenigstens keine Angst haben, dass ich hinterrücks angefallen werde."
Er lächelte wieder. Diesmal hatte seine Stimme wie ein eisiger Hagelsturm geklungen – jedes Wort tat weh.
„Wen willst du mitnehmen?" Diesmal kam der Ausruf von Mister Liquid. Lea hatte noch sie so viel Verachtung in so wenigen Worten gehört und damit, dass diese Verachtung von dem fröhlichen Mister Liquid kam, hätte sie nicht gerechnet. Alle hielten den Atem an, als der Hydra-Fabilis wieder anfing zu sprechen.
„Ich wollte nur meinen Sohn mitnehmen. Ich bin doch sein Vater und ein Vater sorgt sich um seine Kinder. Bei mir wird er am sichersten sein." Alle Schüler starrten den Mann an, der seinen Blick über sie schweifen ließ, als ob er nach jemandem suchte. Nein nicht als ob, er suchte wirklich jemanden. Seinen Sohn.
Wie aufs Stichwort begann es plötzlich zu regnen. Niemand hatte bemerkt wie die Wolken aufgezogen waren und nun beachtete es niemand, dass sie durchweicht wurden. Der Regen schüttete wie aus Eimern, doch niemand machte Anstalten, sich irgendwo unterzustellen. Doch das Wasser riss Lea aus ihrem Schockzustand und sie wurde übermütig. Normalerweise hätte sie es sich nie getraut und auch jetzt hatte sie keine Ahnung warum sie es tat.
„Dein Sohn? Das ich nicht lache. Wer sollte denn mit dir ein Kind haben wollen? Mit einer Hydra, mit einem Monster, mit einem Mörder." Um sie herum wurde nach Luft geschnappt. Und viele von Luniks Gefolgsleuten zückten Messer. Plötzlich war Lea sich nicht mehr sicher, ob das so eine schlaue Idee gewesen war, doch Lunik lächelte wieder. (Das war anscheinend eine Angewohnheit von ihm, so wie andere Leute brüllten um gefährlich zu wirken, lächelte er)
„Ach es gibt viele Frauen die mit mir ein Kind haben wollen, ich bin mächtig." Lea verkniff sich ein: „Als ob wir das nicht selber bemerkt hätten." Was war nur mit ihr los? Erst war sie in einer Schockstarre und jetzt riskierte sie eine vorlaute Lippe und warf ihrem unmittelbaren Feind Beleidigungen hinterher?
„Aber jetzt zu dir mein Sohn", begann Lunik wieder zu sprechen. Im Gegensatz zu vorhin, als alle durcheinander geredet hatten, war es jetzt totenstill unter den Versammelten. Nur durch den Regen wurde die Stille durchbrochen. Dann sprach Lunik die entscheidenden Worte.
„Viko, mein Sohn, komm her!" Es herrschte immer noch grabesstille. Viko rührte sich nicht, er sah aus, als ob sein schlimmster Albtraum wahr geworden war. Und das war er ja auch.
„Nein." Ein einfaches Wort. Vier Buchstaben und nur leise gesprochen, doch es reichte einen Ausdruck von Hass auf Luniks Gesicht hervorzurufen. Das erste Mal, dass er überhaupt Gefühle zeigte, doch der Hass stand ihm so gar nicht. Er verzerrte seine Züge und ließ Luniks Gesicht wie eine Fratze aussehen.
„Natürlich wirst du mitkommen", meinte er überzeugend. „Schließlich bist du mein Sohn. Sie haben dich verdorben, ich kann dir helfen!"
„Das bezweifle ich", sagte eine Stimme von hinten. Alle starrten auf den jungen Mann. Er hatte die Worte erst gesagt, als sein Dolch schon in Luniks Rücken steckte. Er schaute sich triumphierend um, bis sein Blick auf Lea landete. Durch das ausgebrochene Chaos flüsterte er nur ein Wort. Sie musste es an seine Lippen ablesen, doch es war unverkennbar was er sagte.
„Lea"
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