Lupus
Ich stöhnte. Ein weiterer Acrylfarben- Fleck hatte sich zu den vielen die sich schon auf meinem T-shirt befanden gesellt. Fast glaubte ich schon zu hören, wie sie kicherten. ,,Gut gemacht, Natascha ", murmelte Ich leise:,, Die abstrakte Kunst hat es geschafft, deinen Verstand soweit aufzulösen, dass du Farbkleckse lachen hörst !" Dazu kam, dass fast alle in meiner Klasse besser im Kunstunterricht waren als ich. Xenia, meine beste Freundin, hatte etwa in keinem Kunstprojekt bisher eine schlechtere Note als eine Drei gehabt. Und das auch nur einmal. Dieses Projekt war eine Partnerarbeit mit mir gewesen.
Als ich dann versuchte, etwas brauchbares aus meinem Bild zu machen, hörte ich das schrille Klingeln der Schulglocke, und merkte erst jetzt, dass alle anderen schon zusammenpackten. ,,Scheiße", zischte ich, als ich bemerkte, dass ich das ganze Chaos hier wieder aufräumen müssen würde. Wenn ich es dann noch bis zum Bus schaffen könnte, wäre es schon fast ein Wunder. Doch ich hatte Glück. Gerade als ich meine Sachen irgendwie in meinen Ranzen stopfte, strahlten mich zwei freundliche blaue Augen an, und jemand nahm mir die Acrylfarben,die ich in diesem Moment zum Lehrerpult bringen wollte, ab. ,,Für die Mathehausaufgaben", erklärte Xenia und fügte hinzu :,, Ohne dich wär' ich dran gewesen."
Endlich schaffte ich es, meinen Rucksack so zu schließen, dass nichts mehr herausfallen konnte und ging zu der Tür des Klassenraumes , wo meine Freundin schon auf mich wartete. Gemeinsam gingen wir bis zur Schulbücherei, wo wir uns verabschiedeten, da Xenia nachher noch eine Probe mit der Theater -AG hatte, während ich mit dem Bus nach Hause fahren würde.
Als ich die Treppe vor dem Schulgebäude hinunter hastete, stieß ich fast mit Frau Takahashi zusammen, welche Referendarin an meiner Schule war.,, Entschuldigung", murmelte sie im Weitergehen, wobei ich einen Blick auf ihre Hand warf und einen tiefen, blutenden Schnitt bemerkte. Wo hat sie den bloß her ?, fragte ich mich. Wahrscheinlich hat sie sich nur irgendwo geschnitten, versuchte ich eine Erklärung zu finden. Trotzdem fand ich mich nicht gänzlich mit dieser Idee ab. Irgendwie passte es einfach nicht.
Doch all das verdrängte ich und als ich an der Bäckerei vorbeiging, vergaß ich es ganz. Im Schaufenster des Verkaufsraumes hing Weihnachtsdekoration, drinnen sah es angenehm warm aus und ein Duft nach weihnachtlichem Gebäck erfüllte die Straße, sobald jemand die Tür öffnete. Ich war kurz davor selbst hineinzugehen und mir ein Stück Stollen oder eine Tüte mit Plätzchen zu kaufen, doch da mein Bus oftmals einer der ersten war, die am Busbahnhof hielten, widerstand ich der Versuchung.
Ich hatte Recht mit meiner Vermutung. Mein Bus stand schon an seinem üblichen Halteplatz, ich erwischte ihn nur knapp. Nachdem ich mein Ticket vorgezeigt hatte, setzte ich mich auf einen Sitzplatz am Fenster, von dem aus ich die Umgebung gut sehen konnte.
In meinem Bus war es oft sehr leer, sodass für mich nichts Seltsames daran war, als sich nach dem Verlassen der Kleinstadt, nur noch drei andere Personen im Bus befanden. Und als das Fahrzeug den Hügel erklomm, auf dem das Dorf lag wo ich wohnte, konnte man eine dünne Schneeschicht auf der Straße, den Bäumen und den Sträuchern am Wegesrand ausmachen. Von Meter zu Meter wurde die Schneeschicht dicker, bis die ganze Landschaft weiß war.
Plötzlich blieb der Bus stehen, und obwohl der Motor noch lief, bewegten wir uns kein Stück mehr vorwärts. ,, Was ist los ?", hörte ich eine Stimme von weiter hinten rufen und erkannte sie als die Alexanders, welcher zwei Klassen unter mir war. Der Busfahrer antwortete:,, Festgefahren. Könnte noch was dauern."
Als zehn Minuten später ein Schneeräumfahrzeug an uns vorbeifuhr, wich der Busfahrer auf die andere Spur aus, und wir fuhren weiter . In der Zwischenzeit hatte ich darüber nachgedacht, zu Fuß nach Hause zu gehen. Nachdem ich nach draußen geschaut hatte, verwarf ich diese Idee wieder. Die Schneewehen waren einfach zu hoch. Weiter oben, im Dorf waren die Straßen schon von dem Schnee befreit worden, sodass wir freie Durchfahrt hatten.
Der Bus hielt an meiner Haltestelle und ich stieg aus. Sobald ich einen Fuß vor die Tür gesetzt hatte, versank dieser im Schnee. Der einzige Schneehaufen weit und breit und ich trete mitten rein. War doch klar. Nachdem ich mich aus dem Schneehaufen befreit hatte, machte ich mich auf den glücklicherweise recht kurzen Weg nach Hause.
Sowie ich Zuhause angekommen war und die Tür öffnete, wurde ich von einer schwanzwedelnden, weißen Schäferhündin begrüßt.,, Hey, Asta, alles gut, ich bin ja wieder da, alles gut", begrüßte ich sie, während sie meine Hand ableckte - und wie immer kam es mir vor, als würde sie mich verstehen.
Als ich den Flur betrat, hörte ich die laute Stimmen meiner Eltern und eine weitere, die ich zwar nicht zuorden konnte, mir aber trotzdem bekannt vorkam.
Leise stellte ich meine Sachen ab und schlich in Richtung Wohnzimmertür, gerade so nah, dass ich verstehen konnte, was gesagt wurde.
,,Eldur und Ich haben heute gegen jemanden gekämpft, der sie umbringen wollte! ", die Stimme gehörte zu einer Frau.
,, Es ist noch zu früh! ", hörte ich Mamas wütende Stimme.
,,Luna, beruhig dich. Michiko will nur helfen. Sie macht sich doch auch Sorgen!" Natürlich, Papa. Niemand außer ihm schafft es, ruhig zu bleiben, wenn Mama wütend ist. Doch selbst er hörte sich gereizt an.
,, Wie lange ist es noch zu früh? Bis sie jemanden zerfleischt hat?", fuhr die Frau namens Michiko Mama an. Wer zerfleischt hier wen?
,,Ich möchte nicht das sie etwas mit solchen Wesen zu tun hat”, zischte Mama.
,,Luna, du hörst jetzt damit auf! Ich möchte auch nicht das Natascha erwachsen wird, aber wir können nichts dagegen tun. Und das weißt du auch. Wir haben ihr zwar keinen traditionellen Namen gegeben, aber sie ist ein Wolf. Das können und dürfen wir nicht leugnen".
Sie streiten sich über mich!, wurde mir klar. Aber was habe ich mit einem Wolf zu tun? Und wollte mich wirklich jemand umbringen?
,, Nun gut Michiko, wie ich sehe, bin ich überstimmt. Du hast die Erlaubnis sie auszubilden. Aber nur unter von mir festgelegten Bedingungen. Natascha kann selbst wählen ob sie ausgebildet werden möchte, oder nicht. Zudem muss sie trotzdem noch in die Schule gehen. Da in drei Tagen Ferien sind, mache ich dieses Mal eine Ausnahme. Dieses Mal und danach nie wieder. Und du musst es ihr erklären."
Ausbilden zu was? Und was wollen sie mir erklären?
,,Natascha, du kannst jetzt übrigens reinkommen", sagte Mama.
Woher wusste sie, dass ich da war? Kurz zögerte ich, überlegte,ob ich einfach in mein Zimmer gehen sollte, so tun sollte, als sei nichts geschehen, doch meine Neugier siegte und ich stieß die Tür auf.
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