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•Chapter Five
•Clay Collins
Es waren schon ein paar Tage vergangen seit ich das Gespräch mit Henry hatte. Gut, es lag ein Tag dazwischen, in dem ich weder in der Schule noch in der Arbeit erschienen war. Aber meine Eltern ließen mir das schon längst durchgehen. Vermutlich würden sie dann einfach Toby fragen, ob er wieder herkommen wollte.
Ja, meine Eltern fragten Toby, nicht ich. Weil sie ganz genau wussten, dass ich das niemals freiwillig machen würde, aber jemanden brauchte, der mich auf andere Gedanken brachte.
Manchmal wussten sie besser, was ich brauchte als ich selbst. Nichts, was mich wunderte, wenn ich ehrlich war.
Seit ich meinen besten Freund verloren hatte, bekam ich alles, was ich wollte. Sie wussten, wie schwer es mir ohne Ash fiel, also versuchten sie es mir zu erleichtern.
Was immer ich mir wünschte, sie gaben es mir. Nur einen zweiten, besten Freund konnten sie mir nicht besorgen. Etwas, was ich vor allem in den ersten paar Jahren gebraucht hatte.
Ashton und ich kannten uns quasi schon aus dem Sandkasten, unsere Eltern waren zusammen in der High School gewesen. Sie waren eine Clique, und kaum zu glauben, unsere Mütter waren sogar nahezu gleichzeitig schwanger gewesen. Bedeutete, Ashton und ich waren so gut wie gleichalt gewesen.
Etwas, was es mir noch schwerer machte, einen Ersatz zu finden. Verdammt schwer sogar.
Genug aus der Vergangenheit. Es gab keinen besten Freund mehr, es gab keinen kleinen Clay mehr. Es war an der Zeit, erwachsen zu werden. Und das war keinesfalls so leicht, wie man sich das immer vorstellte oder in diesen Romantik-Schnulzen-Büchern immer gezeigt bekam. Es gab keinen Ritter in strahlender Rüstung und mit einem weißen Pferd, der einem den Weg zeigte, wenn man ihn mal verloren hatte.
Und das würde es auch nie geben. Es waren Geschichten, die man Kindern gerne erzählte, damit sie schneller einschliefen oder erst später die Hoffnung auf das Leben verloren. Damit sie nicht so schnell verstanden, wie grausam diese Welt doch sein konnte, wenn man sie nur in einem falschen Moment erwischte. Oder man in den falschen Verhältnissen aufwuchs.
Das Leben war kein Kinderspiel, kein Ponyhof, wie immer so schön gesagt wurde. Es war ein Kriegsfeld, mit Minen, die aus Erinnerungen und alten Gefühlen bestanden und Gegnern, die nicht mehr waren wie die Regeln, das Gesetz und Mitmenschen, denen jeglicher Verstand fehlte.
Das war das Leben, nicht mehr und nicht weniger. Man kämpfte mit allen Mitteln gegen das Untergehen, rackerte sich Tag für Tag den Hintern ab, nur um den Mindestlohn pro Stunde zu bekommen. Man kam gerade so über die Runden, musste -wenn es schlecht lief- auch noch Kinder verpflegen.
Das Leben war alles, aber weder gerecht noch einfach.
Philosophiere ich wieder zu viel? Daran werdet ihr euch gewöhnen müssen. Ich war durch und durch ein Pessimist, ein ganzer und kein halber. Egal in was, ich sah immer eine tiefere Geschichte. Nicht, weil ich mir das so angewöhnt hatte, sondern weil ich es einfach an mir hatte. Ich fühlte auch alles stärker, nahm mehr wahr.
Was so manchen wehtat, zerstörte mich schon innerlich. Dementsprechend tief saß auch noch der Tod von Ashton.
Das Klingeln riss mich aus den Gedanken und widerstrebend erhob ich mich aus seinem Sitzsack. Den Tag über hatte ich mich nur davon wegbewegt, um entweder das Bad zu besuchen oder mir etwas zu essen zu holen. Wobei selbst da eher noch meine Mutter ins Zimmer kam, um zu fragen, ob ich etwas wollte. Oder sie wollte einfach sichergehen, dass ich noch am Leben war. Mir war Beides Recht, ich war froh, diese Familie zu haben.
Sie war die einzige Stütze, die ich noch hatte. Ihretwegen hatte ich nicht schon längst aufgegeben, sondern war immer noch am Kämpfen. Und ich wusste, dass sie das schätzten. Wenn mir etwas bedeutete, war ich ehrgeizig und würde alles dafür tun, die Leute nicht zu enttäuschen.
Selbst Toby zählte zu diesen Leuten. Ob ich es nun gerne zugab oder nicht, er war in der Zeit, in der wir uns kannten ein wirklicher Freund geworden. Er gab sich Mühe, als einziger meiner Schule mich nicht als das zu sehen, was ich vorgab zu sein. Ich war kein harter Brocken, kein Arschloch.
Und Toby wusste das. Trotzdem ließ er sich immer wieder Beleidigungen von mir gefallen. Weil er wusste, dass es mir half, mit allem klarzukommen. Deswegen schätzte ich ihn als wirklichen Freund auch so sehr. Er versuchte, ein zweiter Ashton für mich zu sein. Jemand, den ich schon längst aufgegeben hatte.
Seufzend ging ich aus meinem Zimmer, die Treppen am Ende des Flures nach unten und auf die Haustüre zu. Meine Eltern hatten mich vor einer guten halben Stunde alleine gelassen, und das würden sie nicht machen, würde ich danach Stunden einsam in meinem Zimmer sitzen. Sie ließen mich nur alleine, wenn sie wussten, dass ich Unterstützung brauchte, die nicht aus ihnen bestand.
Ich behielt Recht, denn kaum hatte ich die Tür geöffnet, grinste mich ein Toby an. Die braunen Haare waren wieder das reinste Chaos auf seinem Kopf. Die Brille saß etwas schief, genauso wie das Grinsen auf seinen Lippen. Passend zu dem braun seiner Haare hatte einen braunen Pulli an, dazu eine ausgewaschene Jeans und zusammen mit den weißen Sneakern sah er aus, als wäre er gerade einer Farbpalette entsprungen.
Wenn man ihn so gut kannte, wie ich, wusste man auch ohne hinsehen, dass er an seinem rechten Ohr wieder einen Regenbogen-Ohrring stecken hatte. So wie immer, wenn man ihm begegnete. Das war zu seinem eigenen Markenzeichen geworden.
»Hey, du kleines Sorgenkind. Wie geht's?« Der Spitzname ließ mich schwach schmunzeln. Toby war der Einzige, der mich so nennen durfte. Er war der Einzige, dem ich deswegen nicht dem Kopf abreißen würde.
»Wie immer, würde ich sagen.«, kam es nur zurück, obwohl wir Beide wussten, dass das gelogen war. Es war selten, dass es mir Mal so mies wie heute ging, aber ich würde es ändern, wenn ich könnte. Egal, wie, ich würde es ändern. Sofort, auf der Stelle.
Mein bester Freund strafte mich mit einem bösen Blick. Er wusste eben doch noch immer, wann ich log und wann er mir etwas glauben konnte. Auch, wenn man es auf der Straße kaum sehen würde, wir standen uns unglaublich nahe. Ich war nur niemand, der sowas gerne in der Öffentlichkeit zeigte.
Egal, wie sehr Toby auch dazu stand, auf das eigene Geschlecht zu stehen, ich war nicht er. Ich konnte mir nicht einfach Sachen in den Farben des Regenbogens holen und damit rumlaufen. Nicht, weil ich einen Ruf zu verlieren hatte, sondern weil ich nicht noch mehr Probleme gebrauchen konnte.
Es wurde noch immer nicht komplett akzeptiert, auch wenn es viele Homosexuelle gab, die das nicht aufhielt. Mich hielt es auf, und zwar voll und ganz.
Ich war unglaublich froh, dass Toby nicht nachfragte, sondern es hinnahm und sich an mir vorbei in den Gang drückte. Meine Eltern hatte wieder ganze Arbeit geleistet, sie hatten Toby hierher bestellt, aber nicht einmal alleine.
Erst, als der Jüngere eintrat, bemerkte ich den schwarzen Rucksack, der sich auf seinem Rücken befand. Toby hatte ihn mit allen möglichen Bügel-Bildchen versehen. Alles, was er so fand, kam dazu. Ich hatte ihn auch einmal verzieren dürfen, also fand man nun auf der Unterseite eine kleine Spray-Zeichnung. Der andere schätzte diesen Rucksack mehr wie alles andere in seinem Leben, dementsprechend gut erhalten sah er auch noch aus.
Mir fiel, Mal wieder auf, wie still es in diesem Haus doch war, wenn ich wieder meine Attacken hatte, meine Eltern mich in Ruhe ließen und alle Geräte in diesem Haus ausgeschaltet waren. Sowohl der Fernseher als auch das Radio oder mein Laptop waren zwar hier und auch betriebsbereit, aber ausgeschaltet. Ich wollte nicht einmal mein Handy in meiner Nähe haben, also lag es zusammen mit meinem Laptop im Wohnzimmer auf dem Tisch. Das war der weit entfernteste Ort von meinem Zimmer aus.
»Ich schätze, du hast meine Nachrichten nicht gesehen.« Ein Kopfschütteln meinerseits, das Toby nur die Augen verdrehen ließ. Das war typisch er.
»Was hast du dabei?«, fragte ich nur stattdessen. Es gab nicht viele Möglichkeiten, denn nicht viel machte mich glücklich oder ließ mich meine Sorgen vergessen.
Anstatt zu antworten, zog Toby mich nur mit sich ins Wohnzimmer und wir machten es uns auf dem Teppich bequem, der vor dem Sofa lag. Der Jüngere kannte sich hier manchmal besser aus wie ich selbst, so oft war er schon hier gewesen.
»Alles, was dir gefallen wird.«, bekam ich dann endlich als Antwort und bevor ich weiter nachhakten konnte, wurde der Rucksack geöffnet und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. »Da hast du wohl Recht. Ich glaube, ich hab einen schlechten Einfluss auf dich. Du wirst zu einem ganz bösen Jungen.«
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~1.450 Wörter
~22. September 2020
~12:00 Uhr
finally, nach zwei jahren..
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