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Ich weiß nicht, wie lange ich an dem Baumstamm lehne und in die Nacht starre. Cloves Gesicht ist vor wenigen Minuten am Himmel gezeigt worden. Auf diesem Bild sah sie so entschlossen, so mutig und kalt aus.
Ich schließe die Augen, ihre Schreie hallen in meinem Kopf, ihr Flehen um Gnade. Ihre verzweifelten Hilferufe.
Ich erinnere mich an einen Traum, den ich in der ersten Nacht im Kapitol geträumt habe. In ihm hat Clove mich erstochen, ich bin gestorben und sie hat gesiegt.
...doch jetzt lebe ich noch. Nicht sie. Nicht eine der Lieblinge im Kapitol, ein Mädchen, so alt wie ich, unfassbar talentiert im Messerwurf und eine starke Persönlichkeit. Sie ist gestorben.
Und ich, ein Mädchen, das die ganze Zeit nur wegläuft, ich lebe noch.
Ich weiß nicht, wer Clove getötet hat oder wie. Ich weiß nur eins. Sie, der mutige Karriero, hatte Angst vor ihrem Mörder. In ihren Schreien war pure Panik, Todesangst. Wer hat es geschafft, sie so zu erschrecken, sie so zu ängstigen, dass sie um ihr Leben fleht?
Katniss? Thresh? Oder Peeta?
Aber Peeta kann es nicht sein, er hatte eine schwere Verletzung und hat wahrscheinlich Katniss losgeschickt, um Medizin beim Festmahl zu bekommen. Es muss Katniss oder Thresh gewesen sein. Ich werde es wohl nie erfahren...
Mein teilnahmsloser Blick wird ein wenig klarer und ich versuche nicht an Catos Blick zu denken, an seinen Gesichtsausdruck in dem Moment des Lärms, in dem Moment, in dem Clove gegen etwas geschmettert wurde, mit enormer Kraft. Der Moment, wo Catos Augen sich geweitet haben, fassungslos. In dem Moment schwirrte der selbe Gedanke in unseren Köpfen.
Wie konnte sie sterben? Clove, ein starkes und talentiertes Mädchen.
Cato und Clove hätten gemeinsam gewinnen, überleben können. Der Moment, in dem Cato das realisiert hat, schien mir unendlich und hat sich in mein Gedächtnis geprägt. Wie so viele andere Erinnerungen in der Arena.
Ich werde all das nicht mehr vergessen. Nie mehr. Bis zum Tod werde ich all das hier vor Augen haben, als würde ich es gerade in diesem Moment erleben.
Clove ist tot. ...Und somit ein Konkurrent weniger. Wir sind nur noch zu fünft. Cato, Thresh, Katniss, Peeta und ich. Ich habe es so weit geschafft...
Ich schäme mich für diesen Gedanken. Ich darf nicht so denken. Clove war ein Mensch wie ich. Wie jeder andere. Ich darf bei ihrem Tod nicht froh sein.
Aber ich will gewinnen. Ich muss gewinnen. Ich schulde es meinem Vater, meiner Mutter, Kalia, Marvel...ich schulde es ihnen.
Katniss und Peeta haben uns allen gegenüber einen Vorteil. Sie sind zu zweit, während Thresh,Cato und ich für uns selber kämpfen. Wenn Katniss und Peeta gewinnen, stirbt eine Person weniger, als wenn einer von uns dreien gewinnt.
Will ich lieber selber siegen? Oder will ich, dass eine Person mehr überlebt? Eine Person, die ich mit meinem Tod retten kann.
Ich... weiß einfach nicht, was ich will.
Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Ich erinnere mich an den Rucksack vom Festmahl, den ich immernoch fest an mich drücke. Ich blende meine Gedanken aus und schnüre den Rucksack auf, aufgeregt und voller Vorfreude, fast wie ein kleines Kind, das Geschenke auspackt. Dieser Rucksack wird mir vielleicht das Leben retten.
Meine Hände zittern, ich weiß nicht, ob es wegen der Aufregung oder wegen Cloves Tod ist. Ich kann kaum noch etwas sehen, da der Wald schon fast in komplette Dunkelheit gehüllt ist.
Ich stelle den Rucksack ab, um ihn zu durchwühlen. Hektisch krame ich darin herum und bete darum, dass es etwas zu Essen ist. Mein Magen fühlt sich nun seit Ewigkeiten so leer an und ein unangenehmes Kribbeln breitet sich in ihm aus.
Erleichtert schreie ich auf, als ich einen Apfel ertaste. Ohne mich um den Rest des Inhalts zu kümmern, packe ich den Apfel und beiße genüsslich in ihn rein.
Wie ich Essen vermisst habe.
Ich esse. Und zum ersten Mal in der Arena ist mir egal, ob ich mein ganzes Essen jetzt am Stück esse und dann nichts mehr habe. Ich will einfach nur etwas in meinen Magen bekommen.
Ich schließe die Augen, um den fruchtigen Geschmack zu genießen. Ich weiß, dass ich in der Nähe der großen Wiese bin, da ich vom Festmahl nicht sehr weit gelaufen bin.
Ich fühle mich sicher. Zum ersten Mal seit langem, denn ich weiß, dass Cato nicht nach mir sucht.
Er sucht den Mörder von seiner Clovie und er hat gesehen, dass ich nicht die Mörderin bin, da ich zu der Zeit bei ihm stand, als sie getötet wurde. Thresh ist auf dem Feld, also weit weg, und Katniss und Peeta sind im Wald, doch ich vermute, dass sie sich wegen Peetas Verletzung für eine Weile zurückziehen werden.
Ich bin also sicher. Ich lache beinahe auf, so erleichtert bin ich.
Ich brauche diese Nacht keine Angst zu haben, denn ich werde nicht sterben.
... zumindest nicht in dieser Nacht.
Sofort verschwindet mein Lächeln wieder und ich blicke wieder in den Rucksack. Doch zuvor wickle ich den halb aufgegessenen Apfel sorgfältig in ein Blatt ein, damit er seine Feuchtigkeit nicht verliert.
Anschließend finde ich in dem Rucksack noch zwei Packungen Trockenfrüchte, eine kleine gefüllte Trinkflasche und zwei weitere Äpfel.
Erleichtert atme ich aus. Essen und Trinken. Das ist alles, was ich brauche.
Ich benötige, im Gegensatz zu Peeta, zum Glück keine Medizin, denn ich bin bis auf leichte Kopfschmerzen, eine gebrochene Hand und eine fast verheilte Wunde am Hals halbwegs gesund.
Naja, vorausgesetzt man nennt es gesund, seit Wochen nichts richtiges mehr gegessen und kaum getrunken zu haben. Gesund ist das in keinem Fall.
Aber es könnte schlimmer sein.
Ich könnte mit Fieber und tiefen Wunden irgendwo im Gebüsch liegen und kurz vor dem Sterben sein. Vielleicht geht es Peeta so...
Ich fasse vorsichtig mit meiner gesunden Hand an meinen Hals und stelle erleichtert fest, dass die Wunde, die Clove mir zugefügt hat, tatsächlich beinahe verheilt ist. Doch meine rechte Hand ist nicht mehr zu gebrauchen. Ich kann zwei Finger ganz leicht bewegen, was ziemlich schmerzt und mir fast Tränen in die Augen treibt. Die restlichen drei Finger kann ich gar nicht mehr bewegen und ich schreie bei jeder kleinsten Berührung schmerzerfüllt auf.
Ich entdecke einen dick bewachsenen Busch, auf den ich zugehe. Dort kann ich schlafen. Eigentlich ist es heute Nacht egal, ob ich in einem Busch oder auf freier Fläche schlafe, aber ich gehe doch lieber auf Nummer sicher und verstecke mich.
Schon nach wenige Sekunden im Busch, fallen meine Augenlider erschöpft zu und ich versinke in einem dunklen, traumlosen Schlaf.
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Als ich meine Augen leicht öffne, spüre ich eine kühle Brise, selbst, wenn ich im Busch liege. Es ist bereits sehr hell, weshalb ich davon ausgehe, dass Mittag ist. Ich rappele mich auf, auch wenn mir die fehlende Motivation Kopfschmerzen bereitet.
Und jetzt?
Was soll ich tun? Ich kann ja nicht einfach losrennen und jemanden töten.
Aber ich habe das ewige Versteckspiel, die ewige Angst einfach nur satt.
Ich habe keine Lust mehr. Keine Kraft.
Ich seufze, während ich noch da sitze und in den Busch starre.
Alarmiert blicke ich auf, als ich einen Tropfen auf der Nasenspitze spüre.
Scheiße.
Das letzte Mal, als es zu regnen begonnen hat, bin ich fast von Bäumen erschlagen worden und habe mir die Hand gebrochen. Das nächste Mal werde ich das nicht überleben.
Etwas erleichtert, dass ich noch nah am Füllhorn bin, also nicht so lange gehen muss, um aus dem Wald zu kommen, stehe ich auf.
Ich muss vorsichtig sein. Cato streift hier irgendwo herum, um Clove zu rächen und so möchte ich nicht sterben.
Ich lache spöttisch. Natürlich werde ich so sterben. Qualvoll und langsam. Denn mein Glück hält sich bis jetzt in Grenzen und es scheint als würde das Schicksal gegen mich spielen.
Und ich werde verlieren...
Ich schüttele diesen Gedanken aus dem Kopf und beginne zu laufen, da ich glücklicherweise noch weiß, in welcher Richtung das Füllhorn ist.
Eine gute Entscheidung, wie ich nach wenigen Minuten feststelle, denn der Regen wird immer stärker und die Wolken am Himmel sind dunkel und unruhig.
Ich muss schneller sein.
Ich lege noch einen Zahn zu, während ich parallel meinen Apfel von gestern fertig esse.
Aber....
Meine Augen verengen sich zu Schlitzen, als ich mich umschaue. Eigentlich müsste jetzt langsam die Wiese mit dem Füllhorn kommen. Diesen Weg habe ich mir doch gemerkt, verdammt!
Ich bleibe stehen und mustere leicht panisch die Umgebung. Der Regen prasselt auf mich ein. Stärker und schneller. Er raubt mir die Sicht und ich beginne zu fluchen.
Wo, verdammte scheiße, ist das Füllhorn?! Ich habe mir doch diesen dicken Buchbaum mit dem Vogelnest am dicksten Ast gemerkt! Das MUSS der richtige Weg sein, weil ich mir zu hundert Prozent sicher bin, dass ich auf dem Hinweg an ihm vorbeigelaufen bin. Ich suche nach einem Detail an dem Baum, das mir beweist, dass es NICHT der richtige Baum ist, doch er ist es. Es MUSS der Weg sein!
Ich gehe an dem Baum vorbei, während meine Schuhe halb im Matsch versinken. Schwer renne ich weiter, doch der überschwemmte Erdboden will meine Schuhe verschlucken.
Ich blicke hinter mich und bleibe wie angewurzelt stehen.
Der dicke Buchbaum, wegen dem ich denke, dass es der richtige Weg zum Füllhorn ist, er......löst sich auf.
Ja, verdammt. Der Baum wird durchsichtiger, seine Umrisse verschwimmen, sodass ich blinzele, um sicherzugehen, dass ich es mir nicht nur einbilde.
Aber der Baum verschwindet. Und kurz darauf ist er weg. Meine Kinnlade klappt herunter und ich reiße meine Augen auf.
Was zum...?!
Irritiert laufe ich zu der Stelle, an der der Baum war und starre auf den nackten Erdboden unter meinen Füßen. Weg.
Wie kann etwas einfach so verschwinden?!
Und kurz darauf realisiere ich, was das für mich bedeutet.
Meine Augen weiten sich noch mehr.
Scheiße.
Der Baum war mein einziger Hinweis darauf, dass ich den richtigen Weg gehe.
Aber der Baum existiert nicht. Der echte Buchbaum, der zum Füllhorn führt ist ganz woanders. Das hier war eine Illusion.
Wie vom Blitz getroffen stehe ich da, völlig geschockt, während der Regen stärker und stärker wird und ich einzelnes Donnergrollen höre.
Die Erkenntnis formt sich in meinem Kopf zu zwei Sätzen.
Die Spielmacher wollen nicht, dass ich aus dem Wald komme.
Sie wollen mich sterben sehen.
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Hi :)
Hier ist ein neues Kapitel...
Die Fuchsgesicht Ff neigt sich ja langsam dem Ende zu und ich schätze, es werden nur noch ein bis zwei Kapitel kommen.
Habt ihr eine Idee, was ich danach schreiben soll?
Wärt ihr für ...
- eine Warrior Cats Ff
- eine Loki Ff
- eine eigene Science-fiction Story von mir
- eine Badboy Story
- oder was ganz anderes
Ich hätte auf alles Lust ;)
Würde mich sehr freuen, wenn ihr antwortet, welche Idee ihr am besten findet?
Habt eine schöne Woche <3
Lg
Melody <3
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