Liebes Tagebuch,

ich habe dir mal gesagt, dass ich diesen Wichsern gerne ihr wohl verdientes ‚fick dich' zukommen lassen würde. Habe mal gesagt, manche Menschen gehörten zu den Risiken und Nebenwirkungen, die diese Schule so mit sich bringt (wobei ich zugeben muss, dass das vermutlich eher auf mein Leben zutrifft). Ich habe angedeutet, dass die Dummen die Welt regieren, dass sich auszukotzen mal mehr und mal weniger bringt und dass das Leben eigentlich erst nach der Überwindung seiner Ängste beginnt. Und ich meinte, dass man nicht sich selbst und andere gleichzeitig unter Kontrolle haben kann.

Dabei habe ich ein paar Menschen zum Gespött gemacht.

Aber habe ich ihnen damit wirklich Schaden zugefügt?

Ed, hast du dich nicht angestrengt, deine Prüfungen auf eine faire Weise zu bestehen, damit man dich als Ed anerkennt und nicht als den ‚Lehrerficker'?

Meredith, hast du dich nicht einem Therapeuten geöffnet und deinen Freunden von den früheren Mobbingangriffen erzählt?

Noel, hast du nicht angefangen, Bücher zu lesen, in der Hoffnung, du würdest kein Präsident werden?

Yasmin, hast du nicht realisiert, wie du dich immer weiter von deinen Geliebten entfernt hast und deswegen angefangen, deine Bulimie unter Kontrolle zu entkommen?

Ben, hast du dich nicht getraut, Rebeka anzusprechen und mit ihr auszugehen?

Olive, schaffst du es nicht inzwischen, die Kontrolle für einen kurzen Moment abzugeben, ohne die Beherrschung zu verlieren und auf die Gleise zu springen?

Ich hätte mir mehr von Leuten wie euch aussuchen sollen. Aber vielleicht ist es jetzt ja an der Zeit, mich selbst zu offenbaren, mir meine eigenen Schwachstellen einzugestehen.

Manchmal bin ich unnötig fies zu anderen, weil es mir gefällt, sie weinen zu sehen.
Ich habe wahnsinnige Angst, zu versagen, habe keine Spur des Selbstvertrauens, weil ich meinen Körper nicht leiden kann, brauche Anerkennung, wie die Luft zum Atmen. Ich habe Angst vor Menschen und deswegen den Reflex, sie zu verletzen, bevor sie mich verletzen, wobei ich niemals einen von ihnen berühren könnte, weil ich, wie beschrieben, Angst vor ihnen habe. Wenn ich dieses Schleudertrauma-Gefühl habe und die Kontrolle verliere, kriege ich Panikattacken.

Liebes Tagebuch.

Ich habe das als Kind alles nicht gewusst.

Ich habe nicht gewusst, dass die Stimmen in meinem Kopf nur in meinem Kopf existieren.

Habe nicht gewusst, dass du, Ed, meine Angst vor dem Versagen bist, dass du, Meredith, die Verarbeitung meines Kindheitstraumas und du, Noel, mein Bedürfnis nach Anerkennung darstellst. Ich wusste nicht, dass du, Yasmin, der Auslöser für meine Angst vor Menschen warst, hatte keine Ahnung, dass meine Berührungsängste von dir, Ben, stammen und hätte gern sehr viel früher gewusst, dass meine Kontrollverlustangst und meine Angst vor Veränderungen von dir dargestellt werden, Olive.

Man hätte mir früher sagen können, dass nur durch euch meine Angst vor dem Alleinsein verschwand, dass ich nur durch euch mein Slebstbewusstsein wiederfand.

Vielleicht wäre ich dann netter zu euch gewesen.

Zu euch, den Stimmen in meinem Kopf.