52. Von Hogwarts nach London
Am letzten Schultag gab es viele Tränen, viele traurige Gesichter und viel Gelächter. Alles auf einmal. Es war eine richtige kleine Veranstaltung geworden, die Siebtklässler hatten alle nacheinander die Große Halle betreten und dann von Professor Dumbledore ihre Prüfungsergebnisse und Zeugnisse bekommen. Es hatten alle bestanden, selbst Peter und sogar Snape, auch wenn James etwas gehofft hatte, dass der schleimige Kerl es vielleicht nicht schaffen würde, weil man seine Ergebnisse nicht entziffern konnte, so wie er mit dem Gesicht auf dem Papier klebte. Dumbledore hatte für jeden ein Lächeln gehabt, auch wenn das an James und Lily doch etwas breiter war, als für die anderen. Danach wurden die beiden noch gelobt, ihre Schulsprecheraktionen wurden alle einzeln begutachtet und dann gab es großen Beifall. Professor McGonagall hatte dann noch einige Worte gesagt, da sie ihre Hauslehrerin war und wenn James sich nicht verguckt hatte, dann hatte sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln gewischt, als sie gesprochen hatte.
Remus und Lily bekamen beide jeweils Auszeichnungen dafür, dass sie die besten Prüfungen des Jahres hatten, Lily in Zaubertränke und Remus für Alte Runen und Zauberkunst. Als die Schüler alle etwas ungeduldig wurden, wurde dann das Festessen eröffnet. Auch wenn James es jedes Jahr gesagt hatte: Die Hauselfen hatten sich erneut selbst übertroffen.
Regulus war nicht wieder aufgetaucht. Sirius hatte die aufgelöste und verweinte Cassandra getröstet, doch nichts hatte wirklich geholfen. Sie war so fertig mit den Nerven gewesen, dass er sie schließlich zu Madam Pomfrey gebracht hatte, die ihr einen leichten Beruhigungstrank gegeben hatten. Und weil Professor McGonagall gesehen hatte, wie Sirius – erneut – ein weinendes Mädchen begleitet hatte, war sie hinterhergekommen. Als sie dann von der ganzen Situation erfahren hatte, waren ihre Lippen schmal wie eine dünne Linie geworden. Sie hatte dann Professor Slughorn geholt, da er der Hauslehrer Slytherins war und mit ihm die Situation besprochen.
Cassandra hatte sich daraufhin drei Wochen in ihrem Schlafsaal eingesperrt und musste von ihren Freundinnen mit Essen und Trinken versorgt werden, während sie sich die Augen ausgeheult hatte. Eigentlich hatte McGonagall sie, als sie das gehört hatte, zum Unterricht bringen wollen, doch irgendwie hatte es das Mädchen wohl geschafft, sie zu überreden, denn es wurde eine Sonderregelung für sie eingebaut. Die Prüfungen, die sie eigentlich hätte ablegen müssen, durfte sie während den Sommerferien nachholen. Sirius, der, aus welchem Grund auch immer, einzige war, der sie beruhigen konnte, wurde regelrecht von ihren Freundinnen belagert, bis er sich einverstanden erklärte, in ihren Schlafsaal zu gehen und Cassandra zu überreden, wieder aus ihrer Kissenhöhle zu kommen.
Diese hatte sich zwar eine Woche noch resolut dagegen gewehrt, musste dann aber irgendwann nachgegeben haben, denn eines Morgens war sie wieder in der Großen Halle erschienen, auch wenn sie nicht lange geblieben war, denn ein weiterer Heulkrampf hatte sie gepackt. James konnte nur Mitleid mit dem armen Mädchen haben. Er konnte sich gar nicht ausmalen, was sie alles fühlen musste. Der Freund abgehauen, schwanger, keine Schulausbildung und dazu noch regelmäßige Panikattacken kombiniert mit Schnappatmung waren bestimmt nicht gut für die Nerven.
Lily, die ebenfalls Mitleid hatte, hatte Sirius einmal begleitet und dann ein Frau zu Frau Gespräch mit Cassandra geführt. Was genau sie besprochen hatten, hatte James nie erfahren, nur, dass es die Slytherin anscheinend beruhigt hatte, denn sie musste immer seltener aus den Klassenräumen stürzen und sich vor Panik übergeben. Irgendwie hatte sie es sogar geschafft am letzten Tag ein kleines Lächeln zustande zu bringen. Sirius, der sich irgendwie für sie verantwortlich fühlte, hatte ihre seine und James' Adresse gegeben, falls sie mal jemanden zum Reden bräuchte.
Und dann war der Tag ihrer Abreise schließlich gekommen. Mit langen Gesichtern hatten sie ihre Sachen eingepackt – irgendwie war James' Verwandlungsbuch in der Mädchentoilette des zweiten Stocks gelandet (die Maulende Myrte war nicht erfreut) – und dann ein letztes Mal die Zimmertür geschlossen. Ein letztes Mal hatten sie den Ausblick auf die Ländereien genossen, waren ein letztes Mal den Weg hinunter zur Großen Halle gegangen und waren dann auch ein letztes Mal zum Ufer des Schwarzen Sees gegangen und hatten noch einmal Hagrid besucht. Lily hatte die ganze Zeit über mit geröteten Augen die Umgebung betrachtet, als wolle sie sich bis zum kleinsten Detail einprägen und auch Ellie war nicht sehr gesprächig gewesen. Ihre Hände hatten gezittert, als McGonagall verkündet hatte, dass die Kutschen da waren.
James, Lily, Sirius und Marlene teilten sich die Fahrt zum Zug. Gesprochen hatten sie recht wenig, auch wenn Marlene sich immer noch das Kichern verkneifen musste. Sirius hatte McGonagall zum Abschied einmal fest in die Arme genommen und diese hatte nur drein geschaut, als wüsste sie nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Lily hatte den Kopf aus der Kutsche gelehnt und Hogwarts angestarrt, während es immer mehr am Horizont versank, bis es schließlich komplett von den Bäumen verdeckt war. Erst als sie am Bahnhof waren, tauchte das Schloss wieder auf.
Als sie dann schließlich in die scharlachrote Dampflok einstiegen, konnte Lily die Tränen nicht mehr an sich halten. Auch James würde es vermissen, das große Schloss, mit seinen magischen Gängen und den geräumigen Gemeinschaftsräumen. Auch wenn er immer noch die Karte der Rumtreiber hatte, würde es nicht dasselbe sein. So schnell würden sie Hogwarts nicht wieder sehen, außer einer von ihnen würde eine Ausbildung zur Lehrkraft anstreben.
Mit einem Rucken ging der Zug in Bewegung und hatte das magische Hogwarts langsam aber sicher hinter sich gelassen. Sie hatten alle an den Fenstern gestanden, die Hälse gestreckt und die Köpfe soweit gebogen, dass es wehtat, doch schließlich war das Schloss außer Sicht geraten und ihre Schultern waren zusammengesackt. Es fühlte sich falsch an, weg zu fahren, mit der Aussicht, nicht mehr zurückzukehren. Es war nicht nur ein Sommer Pause, sondern wahrscheinlich eine weitaus längere Zeit.
Die ersten zwei Stunden waren angespannt gewesen. Keiner hatte Lust zu reden oder etwas zu machen, Lily hatte ab und an geschnieft und ihren Kopf an James' Schulter gelehnt, der ihr langsam mit der Hand über den Rücken gestrichen hatte. Zwischenzeitlich waren Marlene und Sirius verschwunden, um „Dinge zu besprechen", aber sie wussten alle, was die beiden wirklich taten und der neue Knutschfleck an ihrem Hals bestätigte ihren Verdacht nur. James wunderte es etwas, dass Ellie und Remus nicht nebeneinander saßen und auch sonst die letzten Tage wenig zusammen waren, aber er schob es auf die Anspannung, die Trauer du auch Aufregung. Ellie hatte so lange warten müssen, da würde sie jetzt bestimmt nichts überstürzen wollen.
Irgendwann, die Sonne stand bereits am höchsten Punkt, war Cassandra kurz herein gekommen. Laut Madam Pomfreys Aussagen befand sie sich jetzt in der ersten Hälfte des zweiten Monats, also würde das Kind irgendwann Ende Februar eintreffen. Sie hatte sich bei allen noch mal bedankt, dass sie sich so um sie gekümmert hatten, hatte dann Lily zum Abschied umarmt und auch Sirius hatte sie etwas verloren in die Arme geschlossen. Vielleicht bildete es sich James ein, aber er schien sich sogar irgendwie zu freuen, dass Cassandra bald ein Kind bekommen würde. Wenn Regulus bis dahin nicht auftauchte, dann würde er sicherlich die Verantwortung übernehmen wollen, die sein jüngerer Bruder eigentlich hatte.
Sirius, der zwar sagte, es interessiere ihn nicht, wo sein Bruder steckte, hatte sogar an seine Eltern geschrieben und gefragt, ob er bei ihnen war. Er hatte keine Antwort erhalten, sondern einen Heuler, warum er, als Abschaum und Schande der Familie es denn wage, sie anzuschreiben, als hätten sie nicht schon genug Probleme mit ihm gehabt. James fand, das war sogar eine der freundlicheren Briefe, die Walburga Black ihrem Sohn bisher geschickt hatte.
Als der Zug sich verlangsamt hatte, waren sie wieder schweigsam geworden. Erst, als sie komplett angehalten hatten, kam Leben in sie. Lily hatte sich geweigert aufzustehen. Sie würde jetzt einfach zurückfahren und ihr Leben in Hogwarts genießen, hatte sie gesagt, ehe sie wieder in Tränen ausgebrochen war und James sie dann auf seinem Rücken aus dem Zug tragen musste. Am Bahnsteig hatte er sie dann abgesetzt und auch wenn sie sofort wieder zurückstürzen wollte, konnten Sirius und Peter sie davon abgehalten, während James ihr Gepäck geholt hatte.
Als der Zug wieder weitergefahren war, hatte Lily ihre Fluchtversuche in ein besseres Leben aufgegeben und war etwas zusammengesackt. Vielleicht hatten ihre Lebensgeister sie verlassen oder sie hatte ihre Schwester am Ende des Bahnsteigs entdeckt, das war noch unklar, aber auf jeden Fall hatte ihr Gesicht wahre Bände gesprochen. Mr. und Mrs. Evans waren freudig Lily wiederzusehen und auch über James hatten sie sich gefreut. Petunia hatte daneben gestanden, als wäre sie nur zufällig bei diesen Leuten gelandet und wüsste gar nicht, wer die eigentlich sind.
Lily wurde beinahe von allen weggezerrt, doch sie schaffte es noch zurückzulaufen und jeden von ihnen in die Arme zu schließen. Bei James brauchte sie besonders lange, als wolle sie ihn nie wieder loslassen, aus Angst, auch er würde jetzt verschwinden, wie ihre geliebte Schule. Doch mit einem hohen und heiligen Versprechen hatte er mitgeteilt, dass er sie so schnell wie möglich besuchen würde
„Außerdem haben wir doch noch das Quidditchspiel, welches du mir geschenkt hast. Und eine Hochzeit muss auch geplant werden. Und wir müssen zusammenziehen. Und - " James wurde in seinem Sprechen abgebrochen, als Lily ihn mit tränennassen Wangen aber glänzenden Augen geküsst hatte.
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