
47. Vom Regen in die Traufe
Zurückblickend waren die drei Dutzend Ministeriumsangestellten, die zur Unterstützung gekommen waren, doch etwas übertrieben. Wie es sich nämlich herausgestellt hatte, waren es nur fünf angetrunkene Todesseranwärter gewesen, die Anhänger des dunklen Lords, die einen gewaltigen Radau veranstaltet hatten, weil Madam Rosmerta ihnen kein Butterbier mehr ausschenken wollte. Sie fanden es sei wohl das Beste, ein leerstehendes Gebäude in die Luft zu sprengen, ohne dabei an die Konsequenzen zu denken. Als das Ministerium eingetroffen war, waren drei der fünf schon ohnmächtig zusammengesunken und schnarchten laut auf dem Erdboden. McGonagall, die ins Dorf geeilt war, soll laut den Erzählungen der Schüler komplett ausgerastet sein. Hätten die Auroren sie nicht gestoppt, dann hätten die Idioten noch mehr blaue Flecke und Schürfwunden abbekommen. Es soll wirklich furchterregend gewesen sein, die sonst so ruhige Hexe ihre Gelassenheit verlieren zu sehen. Da es keine wirklich ernsten Verletzten gab, außer einem Kratzer und einer geprellten Hand eines Gryffindors, mussten die Randalierer auch nur ein Bußgeld bezahlen.
Im Nachhinein fand James es sogar irgendwie lustig, auch wenn es Glück war, dass das Gebäude, welches sie in die Luft gejagt hatten, leer stand. Wären Menschen in diesem Haus gewesen, dann würden diese jungen Idioten jetzt vor dem Zaubergamot stehen und bereits auf dem Weg nach Askaban sein. Lily fand das alles natürlich weniger als lustig. Sie war den ganzen restlichen Tag sauer gewesen, sauer, dass der Tag ruiniert wurde, sauer, dass James es lustig fand und sauer, dass die Randalierer nur so eine geringe Strafe bekommen hatten. Sie war so gereizt gewesen, dass sie James am Abend ignoriert hatte, als er in ihr Zimmer gekommen war. Sie saß mit rotem Kopf auf ihrem Bett und blickte nicht auf, als James eintrat und auch nicht, als er sich neben sie setzte. Erst als seine Hände warm und sanft über ihre Schultern streiften, entspannte sie sich etwas und seufzte laut. Und als James dann auch noch mit seinen Lippen ihren Hals und ihre Schulterblätter liebkoste, konnte sie ein Lächeln nicht verkneifen.
„James...", sagte sie halb tadelnd, halb lachend. „Ja, my Lady?", raunte er und küsste ihren Nacken. Bevor er jedoch zu weit ging, ließ er von ihr ab und setzte sich halb hinter sie. „Dieser ganze Tag war eine reine Katastrophe", flüsterte er und Lily schloss die Augen. „Ja, leider. Es tut mir wirklich leid, für Ellie. Wir müssen es so schnell wie möglich für sie nachholen", sagte sie. „Auf jeden Fall. Ich versuch mal, ob ich Dumbledore überreden kann, nächstes Wochenende noch einmal das Dorf besuchen zu können."
„Das wird nicht gehen", erwiderte Lily. „Nächste Woche beginnt die offizielle Prüfungsphase und die Lehrer werden uns Hausaufgaben zu Hauf aufgeben." James warf genervt den Kopf in den Nacken. „Dann darauf die Woche."
„Auch nicht. Dort haben wir ein Vertrauensschülertreffen." James pustete Luft aus und schloss die Augen. „Und die Woche darauf?", fragte er hoffnungsvoll. Er hörte, wie Lily bereits ihr Lachen verkniff. „Dort ist das letzte Quidditchspiel der Saison. Die willst du sicher nicht verpassen, oder? Gryffindor gegen Slytherin, nicht wahr?" James nickte resigniert und rief sich die Punktzahl noch einmal ins Gedächtnis. Gryffindor führte zwar, aber das auch nur um wenige Punkte. Slytherin war ihnen dicht auf den Fersen und wenn sie es schaffen würden, die Schlangen am diesem Wochenende zu vernichten, könnten sie sogar noch Ravenclaw auf den zweiten Platz bringen. James hatte bemerkt, dass Sirius jeden Tag etwas nervöser wurde. Er hatte auf beinahe jeden Abend ein Training angesetzt und besonders Ellie hatte sich schon ordentlich darüber beschwert. Hätte Sirius für den Tag ihres Dates auch ein Training angesetzt, dann 'hätte sie dem langhaarigen Spinner jede Strähne einzeln ausgerissen und sie vor seinen Augen verbrannt'. Selbst James hatte etwas Respekt in diesem Moment vor ihr gehabt.
Die beiden hatten jedoch noch nicht wieder mit Ellie sprechen können. Nachdem die Sache mit Hogsmeade geklärt war, hatte Professor McGonagall sie entlassen und obwohl sie im Gemeinschaftsraum, der Bibliothek und auf den Ländereien nachgesehen hatten, gab es keine Spur von ihr und auch nicht von Remus. Lily war beinahe vor Sorge krank geworden, doch James konnte sie noch beruhigen, denn so wie er die beiden kannte, waren sie wahrscheinlich in einem leeren Klassenzimmer und hatten dort Verwandlung nachgeholt oder so etwas in der Art. Als jedoch keiner von ihnen zum Abendessen auftauchte, wurde auch James etwas nervös, denn es sah seinem Freund überhaupt nicht ähnlich, ohne etwas zu sagen, so lange zu verschwinden. Deswegen hatte er die Karte der Rumtreiber hervorgeholt und gemeinsam mit Marlene abgesucht. Lily war zu dieser Zeit immer noch schlecht auf ihn zu sprechen gewesen und Sirius hatte sich mal wieder in der Küche verschanzt, weil er eine seiner Panikattacken bekommen hatte. Gemeinsam hatten sie schließlich entdeckt, dass Ellie die ganze Zeit im Mädchenschlafsaal gewesen war und Remus wirklich in einem leeren Klassenzimmer. Als sie jedoch Ellie fragen wollten, was sie den ganzen Tag gemacht hatten, hatte diese bereits tief und fest geschlafen und aus Remus bekam man ja sowieso nichts raus. Marlene hatte sich danach von James verabschiedet, denn sie wollte Sirius aus der Küche holen, ehe er wieder eine ganze Schüssel mit Keksteig aß.
Wie Lily gesagt hatte, ging eine Woche später bereits die Prüfungsphase los. Die Lehrer hatten es sich zur Aufgabe gemacht, ihnen so viele Hausaufgaben aufzugeben, dass sie damit ein ganzes Jahr lang beschäftigt sein könnten, und im Unterricht selbst hatte James noch nie so viel Tinte und Pergament verbracht, wie in dieser einen Woche. Besonders Professor McGonagall forderte sie extra, denn die wenigen Schüler, die ihren Kurs in der siebten Klasse überhaupt besuchten, waren schon die Besten aus dem Jahrgang. Selbst Lily, die normalerweise nie nachfragen musste, hatte ihre Lehrerin einige Male bitten müssen, die Anweisungen zu wiederholen. Professor Sprout gab ihnen jede Stunde eine neue gefährliche Pflanze zum Untersuchen, eine tödlicher als die andere und bei Professor Flitwick ließen sie eine ganze Kiste mit Frischobst tanzen und ein Theaterstück aufführen, bei der eine etwas angeschlagene Pflaume die Hauptrolle spielte.
Sirius' Panikattacken jedoch wurden auf eine völlig neue Stufe gestellt, als zwei Tage vor dem großen und letzten Quidditchspiel einer der Jäger, Theo Bennet aus der fünften, sich beim Zaubertränkeunterricht so sehr verletzte, dass er ins St. Mungos eingeliefert werden musste. Anscheinend war seine Brandlösung explodiert und hatte sein komplettes Gesicht, sowie Arme und Hände erwischt, deren Haut sofort rote Brandblasen gebildet hatte. Als Sirius davon erfahren hatte, hatte er erst nervös gelacht und war dann auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum zusammengesunken.
„Ich hab doch keinen Ersatzspieler mehr", hatte er zwischen seinen Händen hervorgepresst. „Den einzigen, den ich hab, hat von McGonagall Nachsitzen bekommen, weil er in ihrem Unterricht seinen Nachbar in einen Hamster verwandelt hat." Obwohl James diesem unbekannten Schüler gerne für diese Leistung gratuliert hätte, musste er sich in diesem Moment eher um das Problem seines besten Freundes kümmern. Und wie es so James Art war, redete er, bevor er nachdachte. „Ich kann für ihn einspringen", hatte er gesagt und es im nächsten Moment schon wieder bereut. Doch da war Sirius schon aufgesprungen und hatte ihn an sich gedrückt. „Danke dir, James! Du bist ein wahrer Freund!"
Also hatte er unweigerlich die letzten beiden Abende und Nachmittage auf dem Quidditchfeld verbracht, obwohl er Schulsprecheraufgaben und Hausaufgaben im Überfluss hatte. Doch wozu gab es die Nächte, die man durchmachen konnte, um mit den Dingen hinterherzukommen?
Übermüdet und auch dementsprechend etwas mürrisch, erwachte James an diesem Samstag, an dem das Spiel sein würde. Sein Kopf brummte bereits leicht und die Strahlen der Morgensonne störten ihn mehr als sonst. „Bist du schon auf?", fragte eine leicht amüsiert klingende Stimme und James spürte den Bettrand etwas nach unten sinken, als sich jemand darauf niederließ. Anstatt einer Antwort gab er ein gedrücktes Geräusch von sich und sank wieder zurück in die Kissen. Lily kicherte leise und piekte dann mit ihrem Finger an seine Hüfte. „Aber du nennst mich vergesslich, hm?", neckte sie ihn und krabbelte dann an seine Seite. „Was meinst du?", murmelte er, was Lily nur noch einmal lachen ließ.
„Du hast Geburtstag, Dummerchen", sagte sie und küsste seine Wange. James schlug die Augen auf. Hatte er Geburtstag? Ein Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch zeigte die Uhrzeit und das Datum an, den 27. März. Tatsache. Er hatte Geburtstag. Die ganzen Schulaufgaben hatten seine kompletten Gedanken eingenommen, dass er seinen eigenen Geburtstag vergessen hatte.
James ließ ein stöhnendes Geräusch aus seinem Mund entkommen, dann wandte er sich Lily zu, die ihn angrinste. „Happy Birthday, James!" Sie legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn dann. "Danke, Liebling...", murmelte er. „Liebling?", fragte Lily scherzhaft. „So hast du mich ja noch nie genannt." James grinste verschmitzt und küsste sie dann erneut. „Ich kann dich auch ganz anders nennen."
„Ja, das könntest du vielleicht tun, aber vielleicht auch nicht. Jedenfalls solltest du aufstehen, denn das Spiel beginnt in zwei Stunden und Sirius erwartet dich bestimmt schon sehnsüchtig." James seufzte, küsste Lily auf die Wange und stand dann etwas schwerfällig auf. Sein Kopf brummte immer noch etwas.
Während Lily vor dem Kamin saß und in einem ihrer Bücher las, machte James sich fertig und zog seine Quidditchuniform an. Es war ein gutes Gefühl, sie wieder zu tragen, nachdem er sie das ganze Jahr über nicht anhatte. Er schnappte sich noch seinen Besen aus seinem Zimmer und ging dann mit Lily zusammen zum Frühstück, auch wenn sein Magen sich nicht anfühlte, als könnte er überhaupt etwas essen. In der Großen Halle war Sirius tatsächlich schon und wartete James, doch er wirkte nicht mehr komplett wie ein nervliches Wrack. Immerhin redete er auf normale Art und Weise mit Ellie, die gerade glücklich an einem Stück Apfel kaute. Bevor James jedoch fragen konnte, warum sie so fröhlich war, obwohl sie so aussah, als hätte Sirius sie bereits über das Feld gejagt, kam Marlene ihm entgegen und warf sich ihm um den Hals. „Alles Gute zum Geburtstag!", sagte sie und flüsternd fügte sie dann hinzu: „Danke das du das machst. Sirius ist kaum noch auszuhalten." James legte seine Hände auf ihren Rücken und lachte leise. „Immer wieder gerne."
„Herzlichen Glückwünsch", kam es auch von Sirius und Ellie. Peter und Remus waren beide nicht da. „Die beiden sind schon runter zum Feld, sie wollten noch etwas vorbereiten", sagte Sirius, als er James fragenden Blick bemerkte. „Nach dem Spiel feiern wir deinen Geburtstag, Kumpel, aber jetzt - " „Schon klar", unterbrach James und setzte sich neben Lily, die ihm ein Brötchen geschmiert hatte. „Hier, iss wenigstens etwas. Du siehst nicht so aus, als könntest du jetzt ein ausgewogenes Frühstück vertragen", fügte sie hinzu und zwinkerte. „Danke, Lily", erwiderte James ehrlich erleichtert.
Um elf war dann die ganze Schule bereits auf den Beinen und jeder versuchte noch einen guten Platz zu bekommen, um das letzte Spiel dieser Saison zu sehen. Lily hatte James noch einen Glückskuss gegeben, bevor sie mit den anderen mitgegangen war. Als die Gryffindors am Spielfeld ankamen, sah James auch, was Remus und Peter noch vorbereiten mussten. Auf einem weißen Spruchband hatten sie einen Besen und einen Geburtstagskuchen gemalt und darunter geschrieben 'Happy Birthday James und auf ein gutes Spiel!'. Mit einem Lächeln im Gesicht, aber immer noch einem brummendem Kopf, betrat James gefolgt von Ellie das Spielfeld und schwang sich direkt auf seinen Besen.
Der Stadionsprecher, Jason, begann wieder seine Anfangsrede und wenige Minuten später wurden der Schnatz und der Quaffel losgelassen. James ergriff den roten Ball und flog direkt auf die Seite der Slytherins zu, doch er war in so einem ungünstigen Winkel zur Sonne, dass er komplett geblendet wurde und die beiden Klatscher nicht sehen konnte, die auf ihn zurasten und ihn nacheinander am Kopf und im Rücken trafen. Ohnmächtig fiel er wenige Sekunden nach Spielbeginn vom Besen und landete dann zwanzig Meter später auf dem harten Erdboden.
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