Kopf oder Bauch?
Vor ihr stand Snape. Wobei stehen nicht wirklich der richtige Ausdruck war, eigentlich konnte er sich kaum mehr auf den Beinen halten.
Ehe Aja realisierte, was sie gerade tat, war sie zu ihm hingetreten. Ihre Hände griffen nach seiner Robe und versuchten ihn so zu stützen.
"Hören Sie auf", flüsterte seine Stimme schwach.
"Ich werde erst stoppen, wenn ich weiß, dass sie stark genug sind, alleine aufrecht zu gehen, ohne jedes Mal einzuknicken", gab sie zurück.
In der Dunkelheit konnte die Lehrerin sein Gesicht nicht sehen, doch sie war sich sicher, dass es ihm gerade nicht passte.
"Ich wiederhole mich zum letzten Mal. Gehen Sie und lassen Sie mich in Frieden", zischte er.
Dabei riss er Ajas Hände von sich weg.
"Ich weiß, dass Sie es nicht mögen, wenn Leute sich um Sie sorgen, aber wenn Sie einmal genau nachdenken, könnten Sie verstehen, dass es wichtig ist, meine Hilfe anzunehmen. Erstens sind Sie wohl kaum in der Verfassung geradeaus zu schauen, geschweige den zu gehen und Zweitens könnte ich Ihnen so helfen", flüsterte sie.
Von Snape kam kein einziger Ton, nur sein Schnaufen verriet ihr, dass er noch da war. Als sie zum zweiten Mal seine Robe berührte, zog er sie nicht weg, sondern ließ sie gewähren.
"Danke", sagte sie leise.
Gemeinsam schlurften beide durch die Gänge bis zum Kerker.
An der Tür angekommen, griff Aja nach dem Türgriff, um die Tür zu öffnen. Im nächsten Moment legte sich eine kalte Hand um ihr Handgelenk. Über die Kälte, erschrak die ehemalige Ravenclaw kurz.
"Nicht..."
Die Lehrerin legte die Stirn in Falten.
"Sie müssen in Ihre Räume und egal wie oft Sie mir sagen werde, ich solle gehen, ich werde es nie tun. Vielleicht waren Sie in meiner Schulzeit nicht immer nett zu mir, aber ich selber habe mir damals, als meine Eltern gestorben sind, geschworen, dass ich jeden helfe, der meine Hilfe braucht", redete sie drauflos.
In ihren Inneren meinte sie jedes Wort genauso, wie sie es gesagt hatte. Ohne auch nur einmal zu Blinzeln, schaute sie in seine obsidianfarbenen Augen und hoffte, dass er sie verstand.
Seine Lider schlossen sich für einen Atemzug.
"Na gut, aber lassen Sie das nicht zur Gewohnheit werden."
Aja versprach es ihm mit einem Nicken. Endlich konnte sie ohne Hindernisse die Tür in sein Zimmer aufmachen. Zum allerersten Mal stand Sie nun in dem Raum, in dem Snape all die Jahre sein privat Leben verbracht hatte.
Mit ihren Augen sog sie die verschiedenen Eindrücke in sich hinein. Einfach alles in diesem Raum erinnerte an dem mies gelaunten Zaubertrankmeister. Ein Sofa, ein Kamin und einige Schränke.
Als der Lehrerin auffiel, was sie gerade gedacht hatte, hätte sie sich dafür schlagen können.
Du bist nicht hier, um seine Einrichtung zu bewundern, sodern um ihn zu helfen", schaltete sie sich in Gedanken.
"Ich glaube, es ist besser, wenn Sie sich auf das Sofa legen, damit Sie nicht noch mehr stehen müssen."
Ein nervöses Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie diese Worte sagte.
Als Antwort bekam sie ein leises Grunzen. Ohne ihr Widerworte zu geben, bewegte sich der Mann zu dem ihm zugewiesenen Platz. Mit einem lauten Stöhnen plumpste er unelegant auf das Sofa.
"Brauchen Sie irgendwas bestimmtes, oder kann ich mit meiner Behandlung anfangen, Mr Snape?"
Die Frau fuhr sich verlegen durch die Haare.
"Nun machen Sie schon."
Aja nickte kurz und machte sich psychisch bereit für das, was gleich kommen würde.
Für sie war es nicht leicht ihn zu berühren. Sie hatte das Gefühl, als würde sie in Flammen stehen. Die Frau konnte sich nicht genau erklären, woran das lag.
"Wie lange wollen Sie mich noch anstarren?", zischte Snape mit einem Hauch von Schmerz in seiner Stimme.
"Tut mir leid. Am Besten ist es, wenn Sie vielleicht ein Bad nehmen? Ich kenne einige Kräuter, die mir früher bei Schmerz geholfen haben. Vielleicht hilft das auch bei ihnen?"
Nach der genauen Ursache seines Zustandes wollte die Lehrerin ihn nicht fragen. Sie wusste aus jahrelanger Erfahrung, dass er es ihr nicht sagen würde.
Als Antwort bekam sie ein kurzes Nicken.
"Ich hole sie schnell. Schaffen Sie es sich derweil auszuziehen und Wasser einzulassen?"
Erneut bestätigte ein Kopfnicken ihre Frage.
"Wo ist ihr Badezimmer, damit ich es dann später finden kann?", fragte sie.
"Vorne rechts."
Aja verkniff sich eine Bemerkung über die ungenaue Beschreibung. Allein schon das er sie in seine Wohnung ließ, rechnete sie ihm hoch an.
"Ich bin in ein paar Minuten wieder da."
Leise betrat sie den menschenleeren Flur. Für einen Moment lehnte sie sich an die Wand und schloss die Augen.
Sie dachte an das, was sie gerade tat und noch tun würde. War das gerade richtig? Ihr Verstand schrie Snape alleine zu lassen, doch ihr Bauchgefühl widersprach dem logischen Denken.
All die Jahre lang hatte der Lehrer ihre Klassenkameraden, insbesondere Lou, ungerecht behandelt. Wieso sollte sie ihm jetzt helfen?
Auf der anderen Seite, war auch er nur ein Mensch. Menschen machen Fehler. Machte ihm diese Taten jetzt zu einem schlechten Menschen?
Aja horchte in ihr Inneres und versuchte den Machtkampf zwischen Kopf und Bauch zu beenden.
Schließlich überlistete sie ihren Verstand, das logische Denken, das ihr all die Jahre geholfen hatte und brachte Snape die Kräuter.
Ja, sie würde ihm helfen, aber so, dass er klar und deutlich verstand, dass es nur aus Hilfsbereitschaft gemacht wurde.
"Hier. Ich hoffe, Sie schaffen es noch dieses Gemisch eigenhändig zusammenzumischen?"
"Ich bin ein Zaubertranklehrer und kein Kind, auf dem Sie aufpassen müssen."
Lange sah die Lehrerin ihn an.
"Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet."
"Wissen Sie, wie es sich anfühlt, unter einen Cruciatus zu stehen?"
Die Frage kam leise und Aja hätte sie beinahe überhört.
Sie legte seinen Umhang zu Seite, den sie gerade zusammengelegt hatte.
"Nein, ich habe schon viele Opfer dieses Fluches gesehen, aber noch nie selbst erlebt. Ich glaube, ich sollte dankbar dafür sein. Er muss sich furchtbar anfühlen."
"Bei der Ratsversammlung werden immer einige Anhänger des Dunklen Lord unter dem Cruciatus gestellt. Heute war ich mal wieder an der Reihe", flüsterte er kraftlos.
Anhand seiner Worte konnte Aja erkennen, dass dies nicht zum ersten Mal geschah.
"Das tut mir leid. Sie haben so etwas nicht verdient."
Diese Worte waren ihr nur so herausgerutscht. Am liebsten würde sie diese jetzt zurücknehmen, doch das ging nicht mehr. Stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe.
Leider hatte Snape genau diesen Satz am deutlichsten gehört. Doch anstatt eines verletzenden Kommentar, hob er lediglich eine Augenbraue.
Aja räusperte sich kurz, um ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
"Ich...Ich entschuldige mich jetzt. Ich denke, es wäre besser, wenn ich jetzt gehe. Falls Sie etwas brauchen, können Sie gerne einen Patronus schicken. Meine Hoffnung ist, dass es Ihnen morgen besser geht und Sie wieder unterrichten können. Es tut mir leid, was sie ertragen müssen und das ich diese Schmerzen nicht nachvollziehen kann. Gute Nacht", sagte sie.
Als sie geendet hatte, holte sie Luft. Auf ihren Gesicht erschien der Hauch eines Lächelns. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Sie sich um und wollte die Tür öffnen.
"Miss Lewis, ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Mit Ihnen waren die Schmerzen erträglicher, als sonst", erklärte der Mann.
"Danke, aber Sie sind müde. Sie sollten sich ausruhen."
Aja rechnete keineswegs damit, dass diese Worte ernstgemeint waren. Nach seiner Verletzung, woran sie nicht ganz unbeteiligt war, hatte er sie mehrere Stunden ignoriert, bis sie wieder einmal zusammen arbeiten mussten.
Die Frau nickte mit dem Kopf, ehe sie ohne ein weiteres Wort die Tür hinter sich schloss. Sie ließ einen kurzen Blick durch seine Privaträumen zu, während sie durch diese ging. Tausende von Gedanken schossen ihr durch den Kopf.
Wieso musste sie in dieser Nacht ihn gesehen haben? An Schicksale glaubte Aja nicht, weshalb sie diese Option auch sofort ausschloss. So langsam verstand sie die Welt nicht mehr. Vor allem nicht Snape.
Manchmal konnte man meinen, er sei eine andere Person, als sonst. Das passierte immer dann, wenn er ein freundliches Wort sagte, oder einmal nicht mit gleichgültigen Gesichtsausdruck auf sie zukam.
Am Besten wäre es für mich, nicht so viel darüber nachzudenken. Du hast eine Aufgabe, die du sicher erfüllen musst und sie heißt nicht Snape. Gleich morgen werde ich in die Bibliothek von Hogwarts gehen und dort einmal nachsuchen. Vielleicht finde ich wenigstens einen kleinen Hinweis, dachte sie sich.
Ermutigt von ihren Plan und der Hoffnung etwas brauchbares zu finden, stieg sie die Treppen zu ihren Schlafgemächern nach oben.
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