Die Bibliothek
"Da bist du ja endlich! Du bist mindestens zwei Minuten zu früh dran", schrie ihr eine Hexe entgegen.
Mit ihrer einen Hand winkte sie Aja zu, die in dem Moment gerade auf sie zugelaufen kam.
Lou konnte man ganz einfach erkennen, nämlich an ihren grünen Haaren. Während ihrer Schulzeit hatte die Lehrerin öfters die wirkliche Farbe der Strähnen gesehen.
"Mausbraun", wie ihre Freundin sie gerne betitelte.
"Ich habe dir doch erzählt, dass ich noch so einiges zu tun gehabt hatte. Mit ziemlicher Sicherheit wäre ich sonst etwas früher gekommen", meinte Aja grinsend.
"Entschuldigung akzeptiert!"
Die Frau seufzte leise. Manchmal war Lou einfach nur anstrengend.
"Dann komm! Lass uns aufbrechen! Ich bin schon wahnsinnig aufgeregt."
So als würde sie von Aja keine Antwort erwarten, sprang sie davon. Eben jene konnte ihr nur Kopfschüttelnd hinterherschauen.
"Bist du in deiner Tätigkeit als Lehrerin etwas so langsam geworden, dass du mir noch nicht einmal folgen kannst", meldete sich ihre Stimme.
"Sehr witzig. Du magst vielleicht den ganzen Tag Papierkram machen und deiner Aufgabe als Auror nachgehen, aber Kinder zu unterrichten ist etwas ganz anderes, glaub mir."
Lou sah sie schräg von der Seite an, grinste dann, ehe sie sagte:
"Oh je! Machen dich etwa so ein paar ungezogene Schüler Schwierigkeiten? Eigentlich müsstest du doch locker mit ihnen zurechtkommen, nicht?"
"Dich möchte ich einmal vor einer Klasse sehen", erwiderte Aja, "du würdest es wahrscheinlich keine zwei Minuten aushalten."
"Stimmt, da hast du recht. Ich würde sie einfach heimschicken, beziehungsweise auf ihre Zimmer. Der beste Unterricht geht doch nur durch effektive Bemühungen."
"Das was du nennst, ist alles, aber sicher kein Unterricht", sagte Aja.
Sie wusste, dass Lou nicht sehr begeistert von Schule war, doch trotzdem musste es nun einmal sein. Man wollte schließlich nicht dumm sterben. Bei diesen Gedanken schüttelte es sie. Was würde sie nur ohne ihre Ausbildung machen? Wie viel hätte sie in den letzten Jahren dadurch verpasst.
"Man sieht ja blendend, was es mit dir anstellt"
Die Frau verdrehte die Augen. Wäre Lou nicht ihre Freundin, wäre sie ihr wahrscheinlich schon längst aus dem Weg gegangen.
"Wir sind übrigens da", erklärte diese überflüssigerweise.
"Danke, ich habe Augen im Kopf."
Lachend schritt Aja in Richtung der Abteilung.
"Warte mal, ein scharfer Konter von dir? Dass ich das noch miterleben darf. Ein Wunder ist geschehen. Ich brauche meinen Sekt", rief Lou.
"Als ob der jetzt so speziell war."
Aja fühlte sich unwohl. Diese neue sarkastische Seite an ihr kannte sie nicht. Hoffentlich verging sie einfach wieder.
"Wie man es nimmt. Und Bücherwurm, habe ich dir zu viel versprochen?"
Die beiden standen in einer großen Halle, bei der zu beiden Seiten meterhohe Schränke standen. Sie reichten teils bis zur Decke und um sie herunterzuholen benötigte man einen Zauberspruch.
Aja staunte im ersten Moment nicht schlecht. Diese Bibliothek übertraf alles, was sie bisher gesehen hatte. Besonders die in Hogwarts sah im Vergleich hierzu winzig aus.
"Das ist einfach nur toll", flüsterte sie.
Im Moment konnte sie kaum sprechen, so sehr faszinierte sie das hier alles. Sie musste schlucken. Wie war so etwas überhaupt möglich? Vorsichtig strich sie über den Einband eines Buches, dass ihr am nächsten lag.
"Ich weiß! Also was brauchst du?", fragte Lou sie.
Die Angesprochene überlegte kurz.
"Und hier gibt es wirklich alle Informationen, egal zu welchem Thema?"
"Klar. Was willst du denn?"
"Ich habe neulich etwas verrücktes erfahren. Es ist so unglaublich, dass ich es kaum fassen kann."
Aja machte eine kurze Pause. Sie erinnerte sich an Dumbledores Worte. Es gab noch schrecklichere Wesen, als die Todesser. Vielleicht konnte sie hier irgendwelche Informationen über sie finden.
"Kennst du eine Abteilung, wo sich dunkle Wesen befinden? So richtig grausame und alte Arten? Es müsste doch hier sicher etwas geben, oder?", fragte sie.
Lou nickte und deutete wortlos auf einen schmaleren Gang, der nach links von ihnen abzweigte.
Es sah anders aus, als das, was Aja bis jetzt von der Bibliothek gesehen hatte. Dunkel und und unheimlich. Statt des hellen Lichtes leuchteten hier nur ein paar schwache Glühbirnen.
"Wieso ist es dort so dunkel?"
Die Angesprochene zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht kommt hier niemand her und zeigt Interesse."
Aja konnte den stillen Vorwurf hören.
...zeigt Interesse, außer du, vervollständigte sie den Satz in Gedanken.
"Dann sind wir wenigstens ungestört", erwiderte die Lehrerin schulterzuckend.
"Wenn du meinst. Nach was suchst du denn?"
"Das erkläre ich dir gleich. Ich muss mich selber erst einmal einen Überblick verschaffen, sonst finde ich nicht das, was ich will", meinte sie.
Die Glühbirnen über ihnen flackerten vor sich hin und sah fast so aus, als würden sie jeden Moment ausgehen.
"Es ist gruselig hier. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass wir irgendwo an einem Verbotenen Ort sind und uns vor unseren Verfolgern verstecken müssen", meinte Aja scherzhaft.
"Mh, ich hätte jetzt an etwas kreativeres gedacht, als an so etwas klassisches. Glaubst du wirklich, dass dir so etwas passieren wird?", fragte Lou sie.
Die Angesprochene überlegte kurz. Irgendwie hatte ihre Freundin recht. Ihr Leben würde nicht so klischeemäßig ablaufen, wie in Filmen oder Büchern beschrieben wurde. Zumindest bezweifelte sie das stark. Wenn sie nicht ihren Kopf verlor, würde sie aus jeder Situation rauskommen, ohne in Schwierigkeiten zu gelangen.
"Vielleicht eher nicht."
Aja konzentrierte sich jetzt auf die Bücherregale. Sie wusste nicht genau nach was sie suchte, da sie sich voll und ganz auf ihren Verstand verließ. Die Frau schloss die Augenlider und ließ ihre Finger über die Buchrücken wandern. Aus einer Richtung spürte sie etwas dunkles. Wortwörtlich blind steuerte sie in diese Richtung.
"Aja? Wieso hast du die Augen zu?"
Doch diese ignorierte ihre Freundin. Als sie wieder etwas sehen konnte, hielt sie ein ledergebundenes Buch in den Händen.
Die Seiten waren leicht gelblich und es sah nicht so aus, als wäre es von gestern.
"Was willst du denn damit?", fragte Lou und guckte ihr über die Schulter.
Die Frau zuckte nur mit den Schulter. Beträchtlich öffnete sie dieses. Ein modriger Geruch schlug ihr entgegen. Die Seiten wellten sich unter ihren Fingern.
"Und das willst du wirklich Lesen?"
"Ich weiß es noch nicht, aber ich denke, ein Versuch ist es wert", meinte die Angesprochene gedankenverloren und versuchte mit zusammengekniffenen Augenlider die Schrift zu entziffern.
"Na dann. Ich schaue mich hier auch einmal um. Brauch bitte nicht allzu lange. Je eher wir hier raus sind, desto besser. Zudem wollte ich mit dir noch einmal durch die Stadt bummeln und da du ja Torten gerne magst-"
"Lou, ich werde mich beeilen", erwiderte Aja grinsend.
Sie wusste, dass ihre Freundin es hasste alleine in einer Ecke zu sitzen neben uralten Büchern.
"Na gut. Bis später."
Die Lehrerin nickte ohne aufzusehen. Viel zu sehr war sie in dem Artikel vertieft, den sie momentan las.
Über die Todesengel ist nicht viel überliefert. Laut Gerüchten wurden die letzten vor mehr als zwanzig Jahren ausgelöscht. Da sie allerdings mehr in der Dunkelheit blieben, hat sie kaum ein lebender Zauberer gesehen. Die Wenigen, die ihre Gestalt zu Gesicht bekommen hatten, wurden in ihre sogenannten Höhlen verschleppt.
Die Wesen hatten auch eine Art Rangordnung. An höchster Stelle stand eine "Königin", doch dies ist nur teilweise der richtige Begriff. Sie war diejenige, die Befehle austeilte, Schlachten plante und sich um den Nachwuchs kümmerte. Eine Studie bewies allerdings, dass sie von Zeit zu Zeit auch geringere Tätigkeiten, wie das auswählen der Opfer oder das Jagen der Beute. Sie war sowohl Königin, als auch ein normaler Todesengel.
Diese Informationen wurden vor vielen Jahrhunderten von einem englischen Zauberer, dessen Name unbekannt ist, in den Aufzeichnungen einer alten Ruine gefunden.
Des weiteren, fand man in den Büchern auch Gerüchte, die bis heute jedoch nicht bestätigt werden konnten.
Enttäuscht schlug Aja das Buch zu. Sie hatte sich von einer staatlichen Bücherei deutlich mehr erwartet. Diese Informationen waren aber besser als keine.
Kann es sein, dass die sogenannte Königin der Kopf von allem ist? Dass ohne sie alles in Chaos enden würde, überlegte sie sich.
Ihre Hände schoben wie von selbst das Buch in das Regal zurück.
Irgendwann würde sie an die Informationen kommen, die sie so dringend benötigte. Auf keinen Fall würde sie auf ein Artefakt aufpassen, über den sie nichts wusste.
"Lou, ich bin fertig. Hast du Lust auf ein Eis?", fragte Aja halblaut.
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