Sonntag, 2. Dezember, 05:22 Uhr
Das Abwarten dauerte wider Erwarten jedoch nicht besonders lange.
Ich hatte noch nicht einmal alle mir bekannten Verwünschungen durch und auch kaum damit begonnen, mich mit noch größerer Verbissenheit als zuvor an den Handschellen zu schaffen zu machen, als mich ein Geräusch innehalten ließ.
Ein Kratzen und Schaben. Aus Richtung der Tür.
Schlagartig stellte ich mein Gerangel ein, die Augen fest auf einen unbestimmten Punkt im Halbdunkel geheftet.
Jemand war an der Tür. Jemand, der sich offenbar gerade große Mühe machte, das Schloss zu knacken.
Unwillkürlich rutschte ich noch ein Stück näher an die Armlehne heran, zuckte zusammen, als die Tür unter leichtem Rütteln erbebte. Wieder einmal raste mein Herzschlag wie nach einem Marathon.
Wer zur Hölle war so erpicht darauf, in den Bandraum zu gelangen? Außer Ryan wusste doch absolut niemand, dass ich hier war, richtig? War er es am Ende selbst und musste nun mit irgendeinem Gegenstand im Schloss stochern, weil er den Schlüssel verloren hatte?
Nein, so dumm und tollpatschig war er nicht. Er hatte das hier viel zu klug über Monate hinweg geplant, um sich ausgerechnet jetzt solche Fehler unterlaufen zu lassen.
Unruhig wand ich meinen Arm hin und her, in der Hoffnung, ihn so weit anwinkeln zu können, dass ich über die Armlehne hinweg erst neben und dann hinter das Sofa kriechen konnte, doch natürlich gelang es mir nicht.
Das einzige Resultat bestand darin, dass sich die ohnehin schon lädierte Haut an meinem Handgelenk endgültig verabschiedete, das daraufhin wie die Hölle brannte, wann immer die offene Wunde mit dem Metall in Berührung kam.
Ein Klicken ertönte, das sich verdächtig danach anhörte, als hätte die Person draußen vor der Tür Erfolg gehabt. Im Gegensatz zu mir.
Fuck.
Fahrig sah ich mich um, während sich mein Körper wie ferngesteuert daran machte, sich noch mehr in die Ecke zwischen Arm- und Rückenlehne zu quetschen, als könnte er damit verschmelzen, wenn er sich nur genug darum bemühte.
Wer zum gottverdammten Henker-...
Die Tür schwang auf.
Reflexartig hielt ich die Luft an, jegliche Bewegung einstellend, um nicht sofort die Aufmerksamkeit des Neuankömmlings auf mich zu ziehen. Früher oder später wurde derjenige mich zwar sowieso entdecken, aber das hieß noch lange nicht, dass ich es nicht wenigstens ein bisschen hinauszögern konnte.
Das Licht der kleinen Kerze war gerade kräftig genug, um schemenhaft erkennen zu können, wie die Tür langsam weiter nach innen aufgeschoben wurde, um die Kante gelegte Finger das Einzige, was bisher von der Person zu sehen war.
Im nächsten Moment flammte der Strahl einer Taschenlampe auf, direkt in mein Gesicht, und zwang mich dazu, gepeinigt die Augen zuzukneifen. Handytaschenlampen waren bekanntlich ja nicht besonders leistungsstark, aber wenn man die vergangene halbe Stunde damit verbracht hatte, bewusstlos herumzuliegen, um danach ins Halbdunkel eines Teelichts zu starren, reichte auch diese geringe Intensität schon aus, um schmerzende Augen zu verursachen.
Instinktiv riss ich meinen freien Arm empor, um mein Sehvermögen zu schützen, vergaß dabei jedoch die Wasserflasche, die Ryan vorhin noch so wohlbesorgt neben mir auf der Couch deponiert hatte.
Mein Ellbogen stieß dagegen und natürlich kippte das Ding um, rollte über die Kante des Sitzpolsters und ging laut polternd zu Boden
Ein Fluch erklang von der Tür her – offenbar hatte das plötzliche Geräusch den Neuankömmling ähnlich kalt erwischt wie mich selbst – ehe endlich jemand sichtbar wurde.
Mich innerlich für meine Unachtsamkeit scheltend, machte ich mich noch kleiner, spähte über meinen Arm hinweg zur Tür, um zuzusehen, wie eine – nein, zwei – Silhouetten den Raum betraten.
Ich stand kurz vor der Hyperventilation.
Es musste Ryan sein. Arbeitete er etwa mit jemandem zusammen? Womöglich jemand, der die Drecksarbeit für ihn erledigte? Drecksarbeit im Sinne von ... Leute umbringen? Und Leute im Sinne von mir?
Er wollte mich töten. Ich hätte wissen müssen, dass er mich am Ende töten würde. Was sollte er auch sonst mit mir tun? Laufenlassen konnte er mich schließlich nicht, immerhin wusste ich alles – im wahrsten Sinne des Wortes, nachdem er es mir ja so bereitwillig auf dem Silbertablett serviert hatte.
Ich würde sterben, vielleicht sogar in den nächsten fünf Minuten. Er-...
„Niall?"
Alle meine gedanklichen Prozesse kamen zum Erliegen, als eine Stimme durch mein Mantra drang und mich aufhorchen ließ. Ihr Klang war so seltsam vertraut. Hoffnung zupfte an meinem Gemüt, doch ich wehrte mich dagegen, sie zuzulassen. Voreilige Erleichterung war ein absolutes No-Go und würde alles am Ende nur noch schlimmer machen, sollte sie unbegründet sein.
Aber die Stimme. Das war doch eindeutig-...
„Niall, oh mein Gott!" Schnelle Schritte kamen in meine Richtung und bevor ich den Arm endgültig von meinen Augen nehmen und mir freie Sicht erlauben konnte, hatten schon Hände nach mir gegriffen. Hektische, fast panische Hände, die keine Sekunde zögerten, mich vorwärtszuziehen, und im nächsten Moment fand ich mich an einen warmen, weichen Körper gepresst wieder, mit Armen, die sich so fest um mich schlangen, dass mir für einen Augenblick die Luft wegblieb.
Wo ich schon drauf und dran gewesen war, instinktiv in den offensiven Modus überzugehen und der Person einfach aus Prinzip einen Tritt zu versetzen, erstarrte ich, als mir ein vertrauter Duft in die Nase stieg. Ein Duft, der sich großartig zu der Stimme ergänzte.
Liam.
Augenblicklich fiel meine Aggressionsbereitschaft sich zusammen. Meine freie Hand zögerte nicht länger, krallte sich praktisch in den Stoff von Liams Mantel, als könnte sie ihn somit noch näher heranziehen, doch das war unmöglich, da wir ohnehin schon aneinanderklebten, als wollten wir miteinander verwachsen.
Mein Kopf drehte sich.
Liam war hier. Wieso war Liam hier? Was-...
Die Umarmung endete ziemlich brüsk, als dieser sich ruckartig zurückzog. Seine Hände flogen an meine Wangen, um meinen Kopf hin und her zu wenden, offenbar auf der Suche nach Verletzungen. Sein Blick war noch immer regelrecht panisch.
„Bist du in Ordnung? Ni?" Zitternd tanzten seine Finger über meine Schläfe hinweg, um eine Strähne meines blonden Haars zur Seite zu schieben. „Scheiße, sag doch was! Du-..."
„Liam!", unterbrach ich ihn irgendwann, als es mir endlich möglich war, meine unter Schock stehenden Stimmbänder zu reaktivieren. Eine Spur zu fest griff ich nach seiner einen Hand und hätte seine zweite am liebsten auch noch genommen, doch dieser Wunsch wurde natürlich von der gottverdammten Handschelle unterbunden, die es mir weiterhin unmöglich machte, von der Heizung fortzukommen. Gottverdammtes Scheißteil.
„Li, mir geht's gut." Meine hohle Stimme war mir fremd. „Er hat mich nur betäubt. Er-..."
„Es tut mir leid", fiel er mir dann mit einer solchen Heftigkeit ins Wort, dass ich bestürzt innehielt. In seinen braunen Augen standen Tränen. „Es tut mir so leid. Ich bin schuld daran, dass wir hier festsitzen. Ich war so ein verschissener, verzweifelter Trottel und dachte, mit einer solchen Aktion etwas berwirken zu können. Ich hätte mit diesen verdammten Drohungen einfach zur Polizei gehen sollen. Stattdessen habe ich mit meinen Hirngespinsten nur erreicht, dass wir vielleicht heute Nacht noch alle sterben. Ich hatte solche Angst um dich und-..."
Meine Kehle wurde eng, als ich ihn nur anstarren konnte, während weiterhin verzweifelte Worte aus ihm hervorquollen, wie er über die einzelnen Silben stolperte, wie es ihm nicht schnell zu gehen schien, all das loszuwerden, was ihm auf den Herzen brannte.
Es tat mir körperlich weh.
Ich beendete den Redefluss, indem ich mich vorbeugte und ihn kurzerhand mit einem Kuss auf die Lippen zum Schweigen brachte. Seine Augen glänzten noch immer schrecklich feucht, als ich mich irgendwann wieder von ihm löste, um mit dem Daumen eine einzelne, geronnene Träne von seiner Wange zu wischen. Dann imitierte ich seine eigene Geste von vorhin, legte die Hand an sein Kinn und zwang ihn somit dazu, mich anzusehen.
„Es ist in Ordnung, Li." Eindringlich huschte mein Blick zwischen seinen Augen hin und her. Ich wusste nicht im Detail, welche Art von Drohungen er bekommen hatte, aber es musste übel gewesen sein. „Mir tut es auch leid. Ich hätte dir zuhören sollen. Und du hast keinen Funken Schuld daran, dass Ryan uns für sein ekelhaftes Experiment missbraucht. Niemand von uns." Ich zögerte, überlegend, ob ich noch etwas hinzufügen sollte, schloss meinen Satz dann jedoch, indem ich ihn erneut küsste. „Ich liebe dich."
Die Verzweiflung war noch immer viel zu präsent in seinen Gesichtszügen, doch wenigstens die Panik schien abgeflaut zu sein, denn er nickte zögerlich. Er öffnete den Mund zu einer Reaktion, doch die zweite Person, mit der er hergekommen war und die ich in all der Wiedersehensfreude längst wieder vergessen hatte, machte ihm einen Strich durch die Rechnung, denn sie tauchte so schlagartig neben ihm auf, dass ich zurückzuckte.
„Experiment?"
Fassungslosigkeit verdammte mich zu dümmlichem Starren.
Das konnte doch nicht sein. War das etwa ...
„Romy?", platzte es einen Wimpernschlag später schon aus mir heraus. „Fuck, was-..."
Nun geriet endlich ihr Gesicht in den Lichtschein von Liams Taschenlampe und ich kam nicht umhin, entsetzt zu sein.
Sie sah furchtbar aus.
Ihre Augen waren blutunterlaufen, ihre Wangen blass und eingefallen und wiesen zahlreiche Schmierer auf, die verdächtig rot schimmerten. Ihre hellbraunen, schulterlangen Haare hatte sie zu einem nachlässigen Pferdeschwanz nach hinten gezurrt, doch sie wirkten trotzdem vollkommen verfilzt und verklebt, und einzelne Strähnen erweckten den Eindruck, als wären sie mit einer stumpfen Schere abgeschnitten worden.
Ihre Kleidung war zerknittert und ebenfalls mit Flecken übersät, doch am schlimmsten waren ihre Hände. Es war offensichtlich, dass sie wie die Hölle schmerzen mussten, angesichts dessen, wie sie sie krampfhaft stillhielt und wie immer wieder ihre Finger zuckten, als hätte sie sie am liebsten zu Fäusten geballt. Die Innenflächen waren fast zur Unkenntlichkeit verkrustet und dennoch war der auseinanderklaffende Schnitt nur zu deutlich sichtbar, der sich in jeder davon befand.
Ihre Mimik blieb starr, als sie meinem Blick zu ihren Händen folgte.
„Sag nichts", schnappte sie im nächsten Moment so angriffslustig, dass ich dem Bedürfnis widerstehen musste, den Kopf einzuziehen. „Ich weiß auch so, dass du mich für eine Irre hältst, vielen Dank. Zayn hat dafür gesorgt, dass ich das in wiederholter Ausführung gehört habe."
Sie ließ mir keine Zeit, auf dieses bestürzende Statement zu reagieren oder sonst irgendwelche Fragen zu stellen. Stattdessen durchbohrte sie mich mit auffordernden Blicken – etwas, das ich von ihr absolut nicht kannte.
Sie war immer ein relativ stilles, wenn auch trotziges Mitglied unserer Band gewesen, das sich überwiegend einfach Colins Meinung angeschlossen hatte. Dass sie nun mit einer solchen Heftigkeit an die Situation heranging, überrumpelte mich auf mehreren Ebenen gleichzeitig.
„Welches Experiment?" Ihre Stimme bebte. „Was hat Ryan hier getrieben?"
Ich zögerte, während meine Augen kurz zu Liam flackerten, der noch immer dicht neben mir saß und inzwischen zusätzlich noch einen Arm um meine Taille geschlungen hatte, als befürchtete er, ich könnte mich in Luft auflösen.
„Können wir ... können wir das vielleicht später klären?" Vorsichtig, um die Wunde an meinem Handgelenk nicht noch zusätzlich zu reizen, bewegte ich meinen gefesselten Arm. „Ich würde gerne hier weg."
Beim zweiten Teil meines Satzes konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme leicht schwankte und mich vermutlich ziemlich erbärmlich wirken ließ, aber das war mir in dieser Sekunde egal. Ich wollte wirklich einfach nur noch hier raus, bevor Ryan zurückkehrte und am Ende sonst was mit mir anstellte.
Liam sah auf und ließ ein erschrockenes Ächzen hören – offenbar hatte er jetzt erst die Handschellen registriert, die mich zurückhielten. Unter eingeschränkter Wahrnehmung litten wir wohl alle.
„Fuck!" Binnen Millisekunden war er auf den Beinen und an meiner anderen Seite, um sich das verdammte Teil anzusehen. Ich hörte, wie er scharf die Luft einsog, vermutlich, als er die offenen Stellen an meinem Handgelenk entdeckte. „Dieser Wichser hat nicht zufällig den Schlüssel hiergelassen, nehme ich an?"
Ein hysterisches Lachen verließ meinen Mund. „Kannst du vergessen. Aber hey, er hat mir extra ein Teelicht angezündet."
Liam hielt inne, um mich anzusehen, einen harten Ausdruck im Gesicht. „Das wundert mich überhaupt nicht. Der Typ hat einen Narren an dir gefressen."
Romy gab ein Stöhnen von sich. „Da ist er ja nicht der Einzige. Lass mich mal ran. Ich hab die Haarnadel. Vielleicht kann ich was ausrichten."
Bevor wir reagieren konnten, hatte sie Liam schon mit erstaunlicher Bestimmtheit zur Seite geschoben, um sich selbst an den Handschellen zu schaffen zu machen, tatsächlich mit einer matt glänzenden, schon leicht verbogenen Haarnadel – womit sich nun auch das Rätsel gelöst hatte, wie sie das abgesperrte Schloss der Bandraumtür knacken hatten können.
Während Romy also fanatisch an den Handschellen hantierte, ließ Liam es sich nicht nehmen, sich wieder auf seinen ursprünglichen Platz zu begeben. Seine braunen Augen suchten meinen Blick.
„Hey. Bist du wirklich in Ordnung?" Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, die Frage nur für mich gedacht und zu leise für Romys Ohren.
Ich zögerte, entschloss mich dann aber dazu, ehrlich zu sein. „Na ja. Ich ..." Nervös spähte ich durch meine Wimpern z ihm auf. „Ich hab nur ein bisschen Angst davor, noch vor Tagesanbruch umgebracht zu werden. Ich will eigentlich nicht sterben."
Sein Griff um mich verstärkte sich spürbar, als seine Lippen ihren Weg an meine Schläfe fanden. „Keiner von uns wird sterben. Zumindest nicht hier und heute." Kurze Pause. „Was ... was wollte er von dir?"
Erleichtert darüber, das Thema Tod fürs Erste hinter mir lassen zu können, hob ich die Schultern. „Reden. Er hat das alles hier als Projekt inszeniert. Als Experiment. Und er wollte mich dazu befragen, um seinen Informationskatalog zu vervollständigen."
Liam starrte mich an. „Als ... Projekt? Informationskatalog? Halt. Doch nicht etwa für seine blöde Masterarbeit?"
Ich nickte unruhig. „Und er ..." Jetzt war es an mir, seinen Blick zu meiden. „Er war derjenige, der dir diese Texte und Fotos zukommen hat lassen."
Ich spürte, wie Liam neben mir zusammenzuckte – ganz offensichtlich hatte er trotz allem nicht damit gerechnet, dass mir inzwischen das gesamte Ausmaß der Situation erklärt worden war. Inklusive seines Parts. „Oh."
„Ja. Oh." Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich sah, wie er sich mit der flachen Hand über das Gesicht fuhr. „Li, hör auf, dir die Schuld zu geben. Du bist nicht der Einzige, mit dem er seine Psycho-Spielchen getrieben hat."
Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Romy für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte und sich dann wieder ihrer Tätigkeit widmete, als wäre nichts geschehen. Ihr hatte er mitunter am übelsten mitgespielt.
„Er hat uns alle an unsere Grenzen getrieben." Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Wie habt ihr mich überhaupt gefunden? Und woher wusstet ihr, dass es Ryan ist?"
Liam deutete mit dem Daumen auf Romy. „Frag sie. Sie hat mich vorhin nur an der Cafeteria abgegriffen und dazu genötigt, mitzukommen."
Fragend folgte ich seinem Fingerzeig und wurde daher noch Zeuge davon, wie Romy schnaubend die Nase rümpfte, ehe sie zu einer Erklärung ansetzte. „Spar dir diesen Tonfall, Payne. Ich war in Panik. Wie euch sicherlich aufgefallen sein dürfte. Ich dachte, wir müssen alle sterben. Und als dann auch noch Colin-..."
Sie brach ab, um zittrig einzuatmen und die sich anbahnenden Tränen wegzuzwinkern. „Wie auch immer. Jedenfalls war das schlagartig vorbei, als ich die erste Kamera entdeckt habe. Von da an habe ich darauf geachtet, nicht auf den Aufnahmen aufzutauchen. Zu euch zurück konnte ich auch nicht, weil ich mir ja nicht sicher sein konnte, wer dahintersteckt. Aber dann habe ich Ryan mit diesem merkwürdigen Gerät gesehen, das er am PC oben am Infopoint angeschlossen hat, und dann war mir die Sache klar. Ich wollte euch warnen, aber dann hab ich gesehen, wie er Niall verfolgt und auf dem Klo eingesackt hat. Du hast übrigens ziemlich tot ausgesehen. Und der Rest erschließt sich wohl selbst."
Sie hielt inne. „Ich hab mir vorhin das Gerät abgegriffen. Im Kühlraum. Dort hatte er es gelagert, weil er offenbar dachte, dass ihn nach Ellies Nahtoderfahrung niemand mehr betritt."
Ach.
Das erklärte auch, warum er eben so Hals über Kopf davongelaufen war.
Liams Kopf schnellte empor so heftig empor, dass ich an seiner Stelle vermutlich ein Schleudertrauma davongetragen hätte. „Was?! Du hast die USV? Und das sagst du jetzt erst?"
Abwehrend riss Romy die Hände empor und verzog das Gesicht, als dabei die Schnitte auf den Handinnenflächen schmerzhaft spannten. „Woher soll ich denn riechen, dass du der Türmeister warst und das Ding dir gehört? Ich dachte, Ryan hat es mitgebracht!"
Ruckartig erhob Liam sich, ließ seine Hand jedoch weiterhin in meinem Nacken verharren. „Wo ist das Teil? Ich kann damit die Verriegelung aufheben."
Romys Augen weiteten sich merkbar – offenbar hatte sie diese Möglichkeit noch überhaupt nicht in Betracht gezogen. Im nächsten Moment riss sie sich den Jutebeutel von der Schulter, von dem ich jetzt erst bemerkte, dass sie ihn die ganze Zeit über bei sich getragen hatte, um ihn Liam hinzuhalten.
„Verdammte Scheiße." Etwas flackerte in ihren stumpfen, überstrapazierten Augen auf, das mich vage an aufkeimende Hoffnung erinnerte. „Dann mach es. Am besten jetzt sofort."
Liams Entschlossenheit bröckelte, als sein Blick zu mir fand, und mein Herz zog sich zusammen, als ich realisierte, dass er mich nicht zurücklassen wollte. „Niall ..."
„Geh schon." Beruhigend drückte ich seine Hand, auch wenn alles in mir danach schrie, ihn nicht aus meiner Nähe zu lassen. „Lass uns hier raus."
Seine Finger, mit denen er den geflochtenen Strick des Jutebeutels umfasst hielt, zuckten unruhig. „Romy, wie lange brauchst du noch mit den Handschellen?"
Die Angesprochene fluchte zischend. Der Haargummi in ihrem Zopf war ein ganzes Stück gerutscht und sorgte dafür, dass ihr nun ein Schwall ihres hellbraunen Haars ins Gesicht hing.
„Wenn du darauf wartest, dass es in den nächsten zehn Sekunden Klick macht, nur weil du hier rumheulst, muss ich dich enttäuschen." Erneut ließ sie einen Fluch hören, als die Nadel über das Metall rutschte und dabei unangenehm knirschte. „Los, verpiss dich, bevor der Psychofeuermelder zurückkommt."
„Aber-..."
Romy wirbelte zu ihm herum, offenbar drauf und dran, aus der Haut zu fahren und ihm einen auffordernden Tritt zu verpassen, doch diesem Vorhaben wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht, als Geräusche laut wurden – hallende Geräusche, die noch ein ganzes Stück entfernt zu sein schienen, nun aber näherkamen.
Romy knirschte mit den Zähnen. „Das ist er. Geh!"
Augenblicklich wallte wieder die altbekannte Panik in mir auf und brachte mich dazu, mich in eine kerzengerade Position aufzurichten.
Liam sah erst mich mit geweiteten Augen an, dann den Jutebeutel, dann wieder mich, und mit jeder Sekunde schien seine Zerrissenheit größer zu werden. „Aber ich kann nicht-..."
Meine Ohren dröhnten vor Anspannung und Furcht, doch ich folgte meinen Instinkten und packte mir einen Zipfel seines Mantels, um Liam zu mir hinunterzuziehen und ihn zu küssen, wenn auch nur ganz kurz.
„Geh." Ermutigend nickte ich ihm zu, sein Gesicht noch immer nur Millimeter von meinem entfernt. „Wir kommen klar. Ich komme klar. Sorg dafür, dass wir hier rauskommen. Bitte."
Sein Kiefer malmte, als er sich schließlich ein Nicken abrang. „Ich versuch's."
Ehe ich reagieren oder er seine Meinung doch noch ändern konnte, hatte er mir noch einen letzten Kuss auf die Lippen gedrückt und die Finger durch mein Haar gleiten lassen, dann war er schon aufgesprungen und zur Tür gestürzt. Wie Ryan vorhin drehte er sich im allerletzten Moment noch einmal um.
Seine Augen brannten sich an mir fest. „Ich liebe dich. Bis dann."
Mein Herz zog sich zusammen, als er sich mit diesen Worten, mit denen er die meinen von vorhin beantwortete, endgültig umdrehte und den Raum verließ.
Weg war er.
Plötzlich war meine Kehle wieder wie zugeschnürt. Zugeschnürt von Panik, kombiniert mit diesem beängstigenden Gefühl einer dunklen Vorahnung, das ich ganz vage schon ganz am Anfang, noch vor Beginn dieser Nacht auf dem Parkplatz verspürt und als Nichtigkeit abgetan hatte.
Die Vorahnung, dass irgendetwas noch entsetzlich schiefgehen würde.
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Damn. Ein Update, das nicht in aller Frühe oder irgendwann mitten in der Nacht kommt. Ich bin verblüfft.
Gibt es Vermutungen, wie das Ganze noch eskalieren könnte?🤭
Wie immer freu ich mich sehr über Sternchen und Kommis und wünsch' euch noch nen schönen Tag!😇
Andi❤
(Random side fact: Im Hintergrund läuft schon wieder eine neue Narry-Story, obwohl "Bodyguard" noch gar nicht fertig (oder auch nur ansatzweise veröffentlicht) ist🤦♀️ Und das, wo ich dachte, dass ich eigentlich mal wieder eine Schreibpause einlegen müsste. Well. Diese Pause war irgendwie nichtexistent. So. That's it. Bye.)
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