
Sonntag, 2. Dezember, 00:43 Uhr
Schlagartig schleuderte ich alle Vorsicht, all die Wachsamkeit, die wir zuvor noch an den Tag gelegt hatten, in den Wind, um mich ruckartig in Bewegung zu setzen. Panik pulsierte in heißen Wellen durch meinen Körper, hinderte mich an klaren Gedankengängen und ließ mein Sichtfeld zu einem Tunnel werden.
„Liam?" Unkoordiniert taumelte ich über die Blutlache hinweg. „Liam!"
Nur zu gut war mir bewusst, welch hysterischen Eindruck ich in dieser Sekunde vermitteln musste, doch das war mir schnurzegal. Ebenso egal war es mir, ob Ryan mir nun folgte oder nicht. Einzig und allein nicht egal war mir die Tatsache, dass dieses Blut dort am Fuß der Treppe von Liam stammen könnte.
Liam.
Die bloße Vorstellung, dass diese schreckliche Eingebung der Wahrheit entsprechen könnte, ließ das Blut in meinen Adern in Flammen stehen.
Hatte das hier etwas damit zu tun, dass die anderen aus der Cafeteria geflohen waren? Aber ... aber was war das hier? Und warum? Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als ich um eine Biegung des Gangs taumelte und mich nur mit Mühe daran hindern konnte, einen Sturz hinzulegen.
Dort vorne auf dem Boden war im unruhigen Licht meiner Taschenlampe und dem des Teelichts erneut eine rote Spur zu sehen. Und links auf der hellen Wand ebenfalls. Und ein Stück weiter ... das war definitiv ein Handabdruck. Ein blutroter Handabdruck.
Übelkeit stieg in mir hoch.
Verdammte Scheiße, was lief hier?
Inzwischen war meine Panik so überwältigend, dass ich am liebsten auf der Stelle in Tränen ausgebrochen wäre. Die Ränder meines Blickfelds waren schwummrig, als ich die Tür zum Bandraum endlich erreichte, doch als ich hektisch nach der Klinke griff und mich mit meinem ganzen Gewicht dagegenstemmte, ließ sie sich nicht öffnen.
Nein. Nicht schon wieder.
„Liam? Bist du da drin?" Meine Handfläche war längst taub, als ich sie gegen die Tür niedersausen ließ. „Liam!"
Meine Ohren rauschten.
Scheiße. Was, wenn ihm was passiert war? Wenn er auf der Treppe gestürzt war? Oder sich anderweitig verletzt hatte? Und wieso zur gottverdammten Hölle war diese verschissene Tür plötzlich abgesperrt? Das-...
Hände packten mich von hinten, zerrten mich von der Tür weg.
Augenblicklich switchte mein Körper in den Verteidigungsmodus, sodass ich reflexartig nach der Person ausholte, keinen Gedanken daran verschwendend, um wen es sich handeln könnte.
Jemand fluchte laut, doch mein Kopf schwamm weiterhin ganz fürchterlich und es kostete mich einige Sekunden, bis ich schließlich Ryan – wen auch sonst – erkannte, der lediglich versuchte, das noch immer brennende Teelicht aus meiner Hand zu retten, bevor ich es in all meiner Hektik fallenlassen und womöglich alles in Brand stecken konnte.
Ich war viel zu verwirrt, um vernünftig zu sein und es ihm einfach zu überlassen. Stattdessen schloss ich die Finger störrisch noch fester um das warme Glas, griff mit der anderen Hand nach seinem Shirt.
„Ryan, lass-..."
„Hey!"
Fast wäre ich vor Erleichterung zusammengebrochen, als aus der anderen Richtung des Gangs eine halblaute Stimme erklang, gefolgt von schnellen Schritten, die sich uns näherten. Im nächsten Moment tauchte das Licht einer Taschenlampe an der Biegung auf, zusammen mit Liams wohlvertrauter, kräftiger Silhouette.
„Liam, Gott sei Dank!" Völlig aufgelöst drückte ich einem etwas überfordert wirkenden Ryan das Teelichtglas in die Hand, um dann meinem Freund entgegenzustürzen. „Ich dachte schon, du-..."
Weiter kam ich nicht, denn einen Wimpernschlag später hatte Liam mich in eine so knochenbrechende Umarmung geschlossen, dass mir sämtlicher Sauerstoff aus den Lungen gepresst wurde und ich mich auf die Zehenspitzen emporheben musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Er nutzte die Gelegenheit, um den Griff seiner Arme noch weiter zu verstärken, bis ich das Gefühl hatte, jeden Moment mit ihm zu verschmelzen. Vage nahm ich wahr, wie er einen Moment lang die Nase direkt über meinem Ohr in meinem Haar vergrub, bevor er sich gerade so weit zurückzog, um mir einen, zwei, nein, drei Küsse in schneller Abfolge auf die Wange zu drücken.
Unter anderen Umständen wäre mir bei all diesen Liebkosungen schwindelig vor Rührung geworden, doch nun lagen meine Prioritäten woanders.
„Liam." Widerwillig, aber bestimmt stemmte ich mich gegen seine Brust. „Liam, vorne an der Treppe ist-..."
„Blut. Ich weiß." Einige weitere Sekunden verstrichen, bevor er sich endlich von mir löste, die Hände jedoch weiterhin an meinen Seiten ruhen ließ. „Und ich weiß auch, von wem es ist."
Ich war drauf und dran gewesen, ihm gegenüber meine Panik Luft zu machen, doch sein letzter, mit gesenkter Stimme nachgeschobener Satz ließ mich innehalten.
„Was?"
Verdattert und noch immer in Besorgnis suhlend, sah ich zu, wie er einen Schlüssel aus der Hosentasche fischte, und realisiert jetzt erst, dass er in einer Hand einen Plastikbehälter voll Wasser hielt – offenbar war er bei den Kellertoiletten gewesen, um ihn zu füllen.
Ungefähr tausend Fragen brannten mir auf der Zunge, doch ich zwang mich dazu, mich zusammenzureißen und ihm einfach zu folgen.
Schweigend entsperrte Liam die Tür zum Bandraum und kaum hatte ich einen Blick ins Innere geworfen, hätte mich beinahe der Schlag getroffen.
„Scheiße, Louis!"
Noch aufgelöster als zuvor stürzte ich den Raum, die Tatsache ignorierend, dass ich dabei fast den mitten herumstehenden Mülleimer über den Haufen gekickt hätte.
Mein bester Freund lag seitwärts auf der großen Couch unter dem Fensterschacht des Bandraums, vollkommen reglos – lediglich seine Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen.
Seine Wangen waren leichenblass, sein Shirt an einen Stellen eingerissen und an seiner rechten Schläfe prangte eine entsetzlich auseinanderklaffende Wunde, die offenbar notdürftig mit feuchten Tüchern abgetupft worden war.
Binnen Sekunden war ich an seiner Seite, neben der Couch auf dem Boden kniend, wagte es jedoch nicht ihn zu berühren, aus der abstrusen Angst heraus, ihn so womöglich noch mehr zu verletzen.
Erst als Liam neben mir auftauchte, den Wasserbehälter abstellte und Taschentücher darin einzutauchen begann, streckte ich zögerlich die Hand aus, um behutsam eine unversehrte Stelle an Louis' Stirn zu berühren und eine Haarsträhne daraus zurückzustreichen.
Er gab daraufhin ein undeutliches Murmeln von sich, blieb ansonsten jedoch still.
Entsetzt sah ich zu Liam auf, der nun mit verkniffenem Mund begonnen hatte, das verbliebene Blut fortzuwischen, das in schummrigen Spuren quer über sein Gesicht geronnen war.
„Was ist passiert?" Wie ein Zombie starrte ich die Stirnwunde an, die mit jeder Sekunde schlimmer zu werden schien. „Hatte er ... hatte er einen Unfall? Vorne an der Treppe? Stammt daher das Blut?"
Liam zögerte. „Ich ... ich bin mir nicht sicher."
Aufgebracht raufte ich mir die Haare. „Wie, du bist nicht sicher? Und wieso zur Hölle hast du die Tür zugesperrt?"
Ryan hatte den Raum inzwischen ebenfalls betreten, die Tür hinter sich geschlossen und sorgfältig das Teelichtglas auf einem der Tische abgestellt.
Nun trat er sichtlich unsicher zu uns heran, einen verschreckten Ausdruck im Gesicht, als er die Platzwunde an Louis' Stirn entdeckte.
Ich konnte es nicht verübeln. Hätte mich jetzt jemand nach meinem Gemütszustand gefragt, hätte ich demjenigen kurzerhand auf die Schuhe gekotzt.
„Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Ich war nicht dabei." Liam warf einen Blick über die Schulter zu Ryan, der sich offenbar eben von dem blutigen Anblick abwenden hatte müssen und nun mit blassen Wangen die Wand anstarrte. „Ryan, kannst du bitte die Tür abschließen? Der Schlüssel steckt innen."
Ryan runzelte zwar die Stirn, kam der Bitte jedoch anstandslos nach. Die Tatsache, dass es sich auch tatsächlich um eine Bitte gehandelt hatte, nicht um einen Befehl, war für ihn offenbar Grund genug, nicht groß mit Fragen um sich zu werfen. Von der grundsätzlichen Absonderlichkeit der Situation, die vermutlich den Rest tat, ganz zu schweigen.
„Er stand plötzlich vor der Tür, total groggy, drei Liter Blut im Gesicht." Beunruhigt beseitigte er noch einen Bluttropfen, der eben frisch aus der inzwischen trocknenden, verkrustenden Wunde nachgeronnen war. „Gekotzt hat er auch ganz ordentlich. Er hat ... er hat die ganze Zeit irgendetwas von Harry genuschelt und wäre fast ausgeflippt, als er gesehen hat, dass die Tür offensteht. Hat mich buchstäblich angefleht, sie zuzusperren. Was ich auch getan habe, wie ihr sehen konntet. Und mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen, weil er dann umgekippt ist."
Noch immer starr vor Entsetzen hafteten meine Augen an Louis' Gesicht, während meine Finger wie von selbst damit fortfuhren, die Haare aus seiner Stirn zurückzustreichen, bevor einzelne Strähnen womöglich in die Wunde fallen und sich dort verkleben konnten. „Denkst du, er ist gestürzt?"
Erneut zögerte Liam merkbar. Meinem Blick wich er aus.
„Ich ... ich möchte keine Panik verbreiten oder wie ein paranoider Freak wirken, aber ..." Seufzend zielte er mit dem blutigen Taschentuch nach dem Mülleimer und traf sogar. „Angesichts dessen, was er gefaselt hat, hat es sich nicht gerade nach einem Unfall angehört, um ehrlich sein."
„Kein Unfall?", meldete sich nun zum ersten Mal seit unserer Rückkehr Ryan zu Wort. Seine Stimme trug einen alarmierten Unterton in sich. „Was willst du damit sagen? Dass ihn jemand ... absichtlich die Treppe hinuntergestoßen hat?"
Liam nahm sich nicht einmal die Zeit, ihn wütend anzusehen. Stattdessen streifte er ihn nur mit einem unwilligen Blick, bevor er auf Louis' ramponiertes Oberteil wies – seine Jacke war nirgendwo zu sehen, wie ich nun erst registrierte.
„Sieht das hier ..." Er zeigte auf einen besonders breiten Riss im Stoff. „... für dich vielleicht nach einem Treppensturz aus? Wenn du mich fragst, hat da eher jemand ordentlich daran gerissen."
Mein Gehirn war noch immer völlig blank. „Ein Kampf?"
Hilflos hob Liam die Schultern. „Ich meine ... vielleicht? Anders kann ich mir seinen Zustand nicht erklären. Wir müssen wohl einfach abwarten, bis er aufwacht und einigermaßen klar im Kopf ist, bevor wir Näheres in Erfahrung bringen können."
Nur am Rande meiner Wahrnehmung registrierte ich, wie Ryan sich in einen Sessel sinken ließ. „Ein Kampf. Aber ... mit wem? Hier sind doch nur wir und diese Mädels aus der Bib! Wäre noch jemand hier, hätten wir das sicherlich bemerkt!"
Ich fing Liams Blick auf. „Außer, dieser Jemand möchte nicht bemerkt werden."
Ryan befeuchtete seine Lippen und gab dann ein hysterisches Lachen von sich. „Was zum-... Moment mal." Er unterbrach sich, um laut zu fluchen. „Ich meine ... was?! Jemand will uns ans Fell? Und das ist dann etwa auch der Grund, warum die anderen aus der Cafete geflohen sind?"
Alarmiert sah Liam zwischen uns hin und her. „Wie bitte?"
Stimmt. Er wusste ja noch gar nichts von der nächsten Hiobsbotschaft.
Ich nickte langsam. „Sie waren alle weg. Anscheinend Hals über Kopf. Die Teelichte standen noch auf den Tischen und sogar ein paar Handys lagen herum. Und jetzt das hier mit Louis? Irgendetwas stimmt hier nicht."
Für einen kurzen Moment herrschte Stille.
„Nicht irgendetwas." Die Worte aus Liams Mund klangen unheilvoll. „Wohl eher irgendjemand. Vielleicht war es gar kein unglücklicher Zufall, dass in der biologischen Sammlung die Käfige offen waren und die Tür zugefallen ist, als du im Raum warst. Und dass überhaupt erst Licht darin gebrannt hat. Und Ellies Schal auf dem Tisch lag. Und das Rauschen der Lautsprecher ganz am Anfang."
Finster sah er uns an. „Um ehrlich zu sein, hatte ich diesbezüglich nun schon länger einen Verdacht, aber wenn ihr mich jetzt fragt, treibt sich irgendjemand hier herum, der Spaß daran hat, uns Angst einzujagen. Mit dem Problem, dass das..." Er verwies auf den bewusstlosen Louis auf der Couch. „... für mich kein Spaß mehr ist. Beim besten Willen nicht. Das ist Körperverletzung, nichts anderes."
Ryan gab ein gequältes Ächzen von sich. „Dann lasst uns doch endlich den Notruf wählen. Der-..."
Liam schnitt ihm das Wort ab, indem er brüsk den Kopf schüttelte. „Schon versucht. Ich komme nicht durch. Weder mit meinem eigenen Handy noch mit dem von Louis. Ihr könnt es sehr gerne selbst auch nochmal probieren."
„Moment, Moment, Moment!", bremste ich das Gespräch. Dass es eigentlich nicht möglich sein dürfte, keinen Notruf absetzen zu können, war in dieser Sekunde für mich zweitrangig. „Du denkst, jemand spielt mit uns? Auf solche Art und Weise?"
Erneut schien er mit sich zu hadern. „Darf ich noch ehrlicher sein?"
Mit einer Handbewegung forderte ich ihn zum Weitersprechen auf, während Ryan fassungslos den Kopf schüttelte, vollkommen fertig mit sich, uns und der Welt.
„Wenn ihr mich fragt, ist es Ellie."
Ich war wie betäubt, während ich versuchte, die Worte irgendwie sacken zu lassen.
Und dann brach ein ungläubiges Lachen aus mir hervor.
Das konnte doch ... nicht sein Ernst sein. Oder?
„Ellie?" Ich starrte ihn an, doch Liam verzog keine Miene. Offensichtlich war es ihm ernst mit seinem Statement, was den Verursacher dieses Dramas hier betraf. „Ellie?! Spinnst du?"
Liam erwiderte meinen Blick in ähnlicher Intensität. „Ist das denn so abwegig? Sie hat ständig Runden im Gebäude gedreht, während alle anderen an der Cafete saßen. Sie wollte dich unbedingt ins Sekretariat begleiten. Sie hat sich auf einmal nicht mehr blicken lassen. Und dann noch dazu ihr Schal in der biologischen Sammlung. Was für ein Unglück, dass sie ihn dort vergessen hat. Das muss sie mächtig geärgert haben."
Noch immer konnte ich nichts anderes tun, als meine Gedanken kreisen zu lassen und ihn fassungslos anzusehen.
„Liam, das ist Ellie, verdammt nochmal!" Ich hielt meine Stimme gesenkt, meinen Tonfall eindringlich. „Eine sehr gute Freundin von mir und von Louis und Harry. Sie würde den Teufel tun und uns so in die Irre führen! Und schon gar nicht würde sie Louis eins über den Schädel ziehen oder die Treppe hinunterstoßen. Kapierst du eigentlich, mit welcher Art von Vorwürfen du da um dich wirfst?"
Liams Nasenflügel blähten sich. „Das sind keine Vorwürfe, Niall, das ist einfach pure Logik. Jemand muss die Lampe in der Sammlung positioniert, die Käfige geöffnet und dann die Tür hinter dir geschlossen haben. Von allein passieren solche Dinge nicht."
„Das heißt noch lange nicht, dass es ausgerechnet Ellie gewesen ist!" Verärgert schnaubend wandte ich mich ab. „Es könnte jeder gewesen sein."
„Eben nicht!", fuhr Liam erneut dazwischen, nun deutlich frustrierter als zuvor. „Alle anderen waren an der Cafete. Oder, Ryan?"
Ryan schien mehr ab- als anwesend zu sein, brachte aber trotzdem ein bestätigendes Nicken zustande. „Naja, schon. Alle außer du."
Liam, der schon drauf und dran gewesen war, zufrieden zu nicken, schmälerte bei dem nachgeschobenen Satz die Augen. „Danke, Sherlock."
Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf und hob provokant die Augenbrauen. „Wer sagt mir denn dann, dass es nicht du gewesen bist, Payne?"
Liam starrte mich an, eine solche Verletztheit im Blick, dass ich sofort wusste, dass er meine eigentlich scherzhaft gemeinte Frage in den falschen Hals bekommen hatte. „Fragst du das gerade wirklich? Als ob ich das jemals tun würde!"
Ich seufzte. „Li, das war doch nur-..."
„Naja", grätschte ausgerechnet jetzt Ryan dazwischen, unverkennbar amüsiert. „Vielleicht war es ja nur eine Inszenierung, um als edler Ritter zu seiner Rettung eilen zu können. Oder wie geht dieses blöde Sprichwort noch schnell?"
Meine Kinnlade klappte nach unten.
Hatte er das ... gerade wirklich gesagt? Ryan?
Der immer so zögerliche, um Freundlichkeit bemühte, leicht naive Ryan war nun dabei, Liam gezielt zu provozieren, noch dazu während Louis mit einer riesigen Platzwunder am Kopf auf der Couch lag und wir offenbar keine Möglichkeit dazu hatten, einen Notarzt zu rufen?
Genau das tat er.
Natürlich konnte sich Liam nun endgültig nicht mehr zurückhalten.
Mit einem wütenden Knurren sprang er auf und dampfte auf Ryan zu, der in seinem Sessel deutlich kleiner wurde und scheinbar bereute, was er eben von sich gegeben hatte.
„Was war das?" Seine Stimme war pures Gift. „Ich bitte um Wiederholung."
Ryan gab ein Schnauben von sich. „Vergiss es."
Ich seufzte. „Liam, bitte."
„Nein, Ni, jetzt reicht es mir wirklich." Liams sonst so sanftmütige Augen sprühten Funken. „Hör mir mal gut zu, du Freak von einem Feuermelder. Ich weiß genau, was du willst und warum du jetzt gerade hier bist. Denkst du vielleicht, ich bemerke nicht, wie du die ganze Zeit um Niall herumschwänzelst und versuchst, einen Keil zwischen uns zu treiben? Aber nein, du bist ja der scheißfreundliche, nerdige Typ, der nur gekommen ist, um der Band beim Spielen zuzuhören."
Er versetzte Ryans Sporttasche einen Tritt, der wohl stellvertretend für ihren Besitzer gelten sollte. „Ich sag dir das nur einmal, du kleines Wiesel. Fass meinen Freund einmal an und ich werde persönlich dafür sorgen, dass du das bereust. Kapiert?"
Ryan sprang so abrupt auf, dass ich zusammenfuhr.
„Weil du ja so ein toller Kerl bist, was?" Er spuckte die Worte derartig aus, dass ich nicht umhinkam, ihn in einer Mischung aus Entsetzen und Verblüffung anzusehen. „Scheinbar wird dir dein Freund auch nur dann wichtig genug, wenn sich ihm die Möglichkeit bietet, jemanden zu finden, dem er wirklich etwas wert ist, hm? Was ist er denn für dich, Liam? Eine Trophäe? Ein hübsches Anhängsel, das sich gut vorzeigen lässt? Aber wenn er wirklich jemanden braucht, bist du nicht da? Und wie du seine Freunde beschuldigst, weil es der einfachste Weg ist, das ist einfach abartig. Wenn du ihm wirklich vertrauen würdest, würdest du das nicht tun. Du hast ihn nicht verdient."
Okay, fuck. Das reichte.
Ich hatte bereits Luft geholt, um Ryan entsetzt über den Mund zu fahren, doch Liam war flinker.
Seine Faust, um genau zu sein.
Die bewegte sich nämlich so schnell, dass ich nur noch einen Wisch aus Farben wahrnahm, bevor sie auch schon mit voller Wucht mit Ryans Kiefer kollidierte.
Ryan gab ein überaschtes Grunzen von sich, als er von der Härte des Schlags rückwärtsstolperte und wieder in dem Sessel landete, von dem er sich eben erst erhoben hatte, die Hand an seinen Kiefer erhoben.
Seine Augen flackerten zornig, als sie sich auf Liam fixierten, der nun zwar mit verzerrtem Gesicht seine Schlaghand ausschüttelte, ansonsten jedoch relativ zufrieden mit sich wirkte.
„Ich liebe ihn", sagte er dann schlicht, bevor er zur Seite trat und damit den Weg zur Tür freigab. „Und jetzt verpiss dich, du kleiner Freak. Es sei denn, du willst, das der nächste Schlag direkt in die Fresse geht."
Am liebsten hätte ich das Gesicht in den Händen vergraben.
Das hier war genau die Art von Kampf, die ich am liebsten niemals erleben hätte wollen.
„Leute, es reicht jetzt!", fuhr ich Ryan über den Mund, als der gerade zu einer Erwiderung Luft holen wollte. „Wir haben jetzt wirklich andere Probleme als eure testosterongesteuerten Drohgebärden! Wir sitzen noch immer in dieser verschissenen Universität fest, die anderen sind unauffindbar und Louis liegt hier vermutlich mit einer Gehirnerschütterung, also bitte reißt euch zusammen!"
Kurz herrschte Stille und in mir erwachte das hoffnungsvolle Gefühl, eventuell ein Machtwort gesprochen zu haben – doch dann erhob Ryan sich ruckartig, bückte sich blitzschnell nach seiner Tasche und steuerte dann zielstrebig auf die Tür zu.
„Das muss ich mir nicht länger geben. Ich bin raus hier." Seine Hand lag schon auf der Klinke, als er sich noch einmal umwandte. „Und Niall ... solltest du irgendwann doch genug von diesem aggressiven Idioten haben, bin ich da."
Als ich daraufhin einfach nur fassungslos den Kopf schüttelte und mich wieder Louis zuwandte, der nach wie vor bewegungslos auf der Couch verharrte, seufzte er, riss schwungvoll die Tür auf und schlug sie hinter sich mit Nachdruck so fest wieder zu, dass der innen steckende Schlüssel zu Boden ging.
Wunderbar.
Einfach nur wunderbar.
„War das wirklich nötig?" Ich war weiterhin auf meinen besten Freund fixiert, doch Liam wusste natürlich auch so, dass er angesprochen war. Offen gesagt, hätte ich ihn vermöbelt, hätte er es nicht gewusst.
„Ist das dein Ernst?" Binnen eines Wimpernschlags saß er neben mir. „Hätte ich mir das bieten lassen sollen? Ich habe wirklich lange genug zugesehen, wie er versucht hat, mir meinen Freund auszuspannen! Irgendwann reicht es!"
„Meine Güte, dann lass ihn doch!" Eigentlich wollte ich nicht mit ihm streiten und eigentlich verstand ich seine Beweggründe nur zu gut, aber im Moment war ich viel zu angespannt, um irgendetwas reflektieren zu können. „Irgendwann kapiert er schon, dass ich kein Interesse habe. Aber wenn du dich so aufplusterst, wird er gerade mit Absicht nicht lockerlassen."
Liam schüttelte heftig den Kopf. „Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Einfach zusehen, wie er sich bemüht, uns mit allen Mitteln auseinanderzubringen?" Ein ungläubiges, leicht hilfloses Lachen verließ seinen Mund. „Sorry, Ni, aber das kannst du nun wirklich nicht von mir verlangen."
„Aber war es denn nötig, zuzuschlagen?" Frustriert schnaubte ich auf. „Nein, war es nicht! Mit Gewalt wird es auch nicht besser!"
Aufgebracht warf Liam die Hände empor. „Ja, okay! Sorry! Ich konnte mich nicht zurückhalten. So, ich hab's zugegeben. Bist du jetzt zufrieden?"
Ich starrte ihn an.
Wieso musste im Augenblick einfach alles so abgrundtief beschissen sein? Als hätte es nicht gereicht, hier eingeschlossen zu sein und von irgendjemandem am laufenden Bande verarscht zu werden, musste mir nun auch noch wieder einmal eine Beziehungskrise nach der anderen um die Ohren fliegen.
Doch bevor ich auch nur den Mund öffnen und womöglich etwas Dummes von mir geben konnte, setzte Louis unserer wenig sinnvollen Unterhaltung ein Ende, indem er sich leise ächzend zu regen begann.
Er wachte auf.
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Ähm ... so viel zum Thema "unnötiges Drama", oops.
Was Louis wohl zu berichten hat? Und wo the hell ist Harold abgeblieben?
Damn.
Info: Der Klappentext von "Bodyguard" (Niam) ist gestern (?) online gegangen!😇 Das ist die Story, die nach "EXIT" hochgeladen wird. Es dauert zwar noch länger bis zum ersten Kapitel, aber man kann sie sich gern schon mal in die Bib hauen😊
Und ... Happy 1D-Anniversary🥺🎉 11 years. I wanna cry. Es ist so krass. ES IST SO KRASS.
Schön, dass mir alle zustimmen.
Ja. Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!❤
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