Samstag, 1. Dezember 23:02 Uhr
Ich zwinkerte ein paar Mal.
Das hier wurde immer lachhafter.
Ellie hatte sich auf den Weg zur Bibliothek gemacht. Warum zum Henker sollte sie einen Abstecher in die biologische Sammlung einlegen, das Licht anmachen und danach achtlos ihren Schal liegenlassen, wo wir ohnehin alle glaubten, jeden Moment erfrieren zu müssen?
Ich war wirklich kein rein von Logik getriebener Mensch, aber das gab doch nun überhaupt keinen Sinn. Außerdem ... hätte Ellie nicht noch einmal an der Cafeteria vorbeilaufen müssen, um in diesen Teil des Gebäudes zu kommen? Natürlich gab es auch noch einen anderen Weg, aber der führte durch den Innenhof, dessen Zugangstüren bekanntlich ja verriegelt waren.
Okay.
Vielleicht war es besser, sich darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Vielmehr sollte mich nun interessieren, dass ich immer noch inmitten von ausgestopften Tieren und eingelegten Körperteilen herumlungerte und mir eventuell einen schöneren Aufenthaltsort suchen könnte.
Etwas zögerlich schlang ich mir Ellies Schal um den Arm, bevor ich mich endgültig abwandte, natürlich mitsamt der Lampe. Was auch immer meine Bandkollegin hier zu suchen gehabt hatte, ihren heiligen, wärmenden Schal hatte sie sicherlich nicht absichtlich zurückgelassen.
Erneut kämpfte ich mit meinem kindischen Unwohlsein, als ich mich mit so viel Abstand wie möglich an den ausgestopften Tieren und den grinsenden Skelettmodellen vorbeischob. Zwar wirkten die Dinger im helleren Licht der Lampe bei Weitem nicht so unheimlich wie in dem meines Smartphones, aber trotzdem war ich nicht unbedingt erpicht darauf, mir den Anblick ihrer toten Augen intensiver als nötig zu Gemüte zu führen.
Außerdem fragten sich Harry und Louis sicherlich schon, wo ich abgeblieben war. Und womöglich ergab sich auch noch eine Gelegenheit, mit Liam zu reden? Falls dieser sich inzwischen dazu entschlossen haben sollte, seinen Ärger für den Moment sein zu lassen und sich wieder zu den anderen zu gesellen.
Ich fragte mich ohnehin, was zum Henker er nun die ganze Zeit über getan hatte, in der er allein im Gebäude umhergepilgert war. Es war ja nicht so, als gäbe es sonderlich viel zu tun.
Meine Gedanken schweiften ab, während ich mir einen Weg durch die völlig überfüllten Regale und Kartons hindurchbahnte, Ellies Schal und mein Handy in einer Hand, die geklaute Lampe in der anderen.
Leider hielt diese Denkpause nicht allzu lange an.
Ich hatte gerade mal die halbe Länge der Regale zurückgelegt, als mich metallisches Klappern innehalten ließ.
Wie angewurzelt verharrte ich in Position, die Lampe unnötig fest an meine Brust gedrückt.
Mehrere Sekunden lang war es mucksmäuschenstill. Lediglich mein eigener Herzschlag pochte so laut, dass ich das Gefühl hatte, jedes Lebewesen im Umkreis von einem Kilometer damit auf mich aufmerksam zu machen. Vermutlich würden sich gleich sämtliche Mücken im Raum auf mich stürzen.
Irritiert wischte ich mir die schwitzige Handfläche an der Hose ab, nachdem auch die folgenden Sekunden ereignislos verstrichen.
Sicherlich hatte ich mich getäuscht. Oder ich war einfach nur paranoid, weil ich mich von diesem blöden Kram hier drin so verstören ließ. Ich meine, man konnte ja nur durchdrehen, wenn man mit eingemachten Gehirnen konfrontiert wurde, oder?
Meine Güte.
Über mich selbst den Kopf schüttelnd, vergrub ich die Finger noch fester in Ellies Schal und wollte mich gerade wieder in Bewegung setzen – als sich prompt wieder ein Geräusch zu Wort meldete. Diesmal war es jedoch nicht dieses metallische Klappern von vorhin, sondern eher ein ... Scharren.
Meine Amtung beschleunigte sich, zusammen mit den klingelnden Alarmglocken in meinem Kopf.
Das hatte ich mir nun definitiv nicht eingebildet.
Instinktiv rekcte ich die Lampe in die Richtung, in der ich den Ursprung des Geräuschs vermutete, doch natürlich konnte ich außer den deckenhohen Regalen zu beiden Seiten nichts erkennen. Lediglich ein Behälter konservierter Augen blickte mir entgegen, die im Licht der Lampe irritierende Ähnlichkeit mit Murmeln hatten. Ziemlich groteske Murmeln, wenn man mich fragte.
Lautes Klappern an irgendeinem undefinierbaren Punkt im Raum ließ mich zusammenzucken und brachte mich fast dazu, die Lampe fallenzulassen.
Okay, fuck.
Mein Herzschlag legte einen Marathon hin, als ich reflexartig zurückzuweichen begann, die Lampe wie einen Schild vor mir erhoben.
Plötzlich war mir das Licht nicht mehr hell genug.
Die Dunkelheit um den kleinen beleuchteten Radius um mich herum war plötzlich drückend und bedrohlich, als könnte sie mich jeden Moment verschlucken. Mein Nacken kribbelte unangenehm, doch als ich hektisch einen Blick über die Schulter warf, war dort nichts zu sehen. Lediglich die schwach sichtbare Regalreihe und die gähnende Finsternis dahinter lachten mir entgegen, ansonsten war dort nichts.
Irgendwo rechts von mir fiel polternd etwas um.
Das Rauschen in meinen Ohren schwoll zu einem Sturm an. Das alles war ein klein wenig zu laut für nichts, für meinen Geschmack. Was zur Hölle passierte hier?
Ich wollte hier raus.
Instinktiv beschleunigte ich meine Schritte und verhedderte mich beinahe in meinen eigenen Beinen, als ich über einen am Boden liegenden Karton hinwegsteigen musste. Einen Moment lang war ich noch verwirrter. Hatte der zuvor auch schon dort gelegen? Oder war ich durch eine andere Reihe gekommen? Oder war er von einem Regalbrett gefallen und hatte den ganzen Lärm verursacht? Aber Kartons fielen doch nicht einfach so aus Regalen.
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich hier raus musste, wenn ich keinen Herzinfarkt erleiden wollte.
Mich eng an dem Regal rechts neben mir haltend, bewegte ich mich weiter vorwärts. Das Ende des Gangs kam immer näher. Schemenhaft konnte ich ganz vorne schon die Tische an der Wand ausmachen, zusammen mit dem blöden Skelett, vor dem ich mich vorhin so erschrecken hatte lassen, und einigen gestapelten Kartons, deren Existenz mir am Anfang vollkommen entgangen waren.
Erleichterung machte sich in mir breit.
Nur noch ein paar Schritte, dann hatte ich die Tür erreicht und konnte-...
Rascheln aus unmittelbarer Nähe drang an meine Ohren und ich konnte mich nur noch für den Bruchteil einer Sekunde hektisch umsehen – dann fiel auch von oben etwas auf mich herab.
Reflexartig riss ich die Lampe empor, konnte eine unidentifizierbare Form ausmachen und wollte noch einigermaßen geistesgegenwärtig ausweichen, doch dann kollidierte das Objekt schon mit dem Lampenschirm.
Ein peinliches Quieken entschlüpfte meinen Lippen, als lautes Knacken ertönte, gefolgt von mehrstimmigem Klappern, als die zerschlagenen Stücke des Kunststoffs in mein Gesicht und zu Boden regneten. Etwas Hartes streifte meine Stirn, das mich wohl mitten ins Gesicht getroffen hätte, hätte ich mich nicht instinktiv geduckt, doch mir blieb keine Zeit, mir für mein unbeabsichtigtes Geschick zu gratulieren. Hauptsächlich aus dem Grund, weil dieses Geschick nicht sonderlich langlebig war.
In dem Versuch, noch weiter zurückzuweichen, verlor ich nämlich prompt das Gleichgewicht, taumelte über den Gang hinweg – und als ich dann auch mit der Schuhspitze an einer an den Rand geschobenen Regalleiter hängenblieb, war endgültig Schluss.
In all dem Adrenalin, das durch meine Adern jagte, spürte ich die Kollision mit dem Boden gar nicht wirklich, obwohl ich mir dabei schmerzhaft den Ellbogen an einem Regalbrett schlug und mein linkes Knie wütend protestierte. Meine Stirn brannte, offenbar hatte das Flugobjekt dort Spuren hinterlassen, doch auch das war für den Moment nebensächlich.
Vielmehr interessierte mich nämlich die Tatsache, dass genau in diesem Augenblick nicht nur ich, sondern auch die kostbare Lampe mit dem unnachgiebigen, kalten Stein des Bodenbelags in Kontakt kam.
Mit einem erstickten Laut griff ich noch danach, in der Hoffnung, sie noch irgendwie vor dem sicheren Tod zu bewahren, doch der Versuch war vergebens.
Lautes Klirren erklang, als das Glas der Glühbirne zerbarst, und ein kurzes elektrisches Zischen später versank der Raum um mich herum in vollkommener Dunkelheit.
Ich war wie erstarrt, das Blut in meinen Adern gefroren und gleichzeitig siedend heiß.
Und als sich dann auch noch dieses vermaledeite Geräusch von vorhin wieder zum Dienst meldete, noch viel näher als zuvor, hatte ich das Gefühl, mich hier und jetzt vor Furcht übergeben zu müssen.
Irgendetwas war hier. Irgendwo in der Finsternis.
Und es kam näher.
Mein Puls raste.
Scheiße.
Mit fahrigen Bewegungen griff ich nach dem Regal neben mir und scheiterte in all meiner Hektik mehrmals, bevor ich mich daran auf die Beine ziehen konnte, wenn auch enorm unkoordiniert.
Meine noch immer schmerzenden Knie versagten fast ihren Dienst, als ich einige unsichere Schritte zurücklegte, mich weiterhin mit den Händen am Regal abstützend. Gläser klirrten leise, als sich das Regal unter der Beanspruchung leicht bewegte, doch ich konnte mich nicht dazu bringen, mir über womöglich herabfallende Konservierungsgläser Gedanken zu machen. Die würden erst zu einem Problem werden, wenn mir tatsächlich eines davon auf den Kopf fiel.
Mein Fuß stieß gegen das Objekt, das mir eben so hinterhältig zum Verhängnis geworden war und sich merkwürdig weich und hart zugleich anfühlte, ungefähr so, wie ich mir ein ausgestopftes Tier vorstellen würde, doch ich machte mir nicht die Mühe, es zu identifizieren. Ich bezweifelte, dass es meine Furcht auch nur im Ansatz gelindert hätte.
Taumelnd tastete ich mich am Regal entlang in die Richtung, in der ich den Ausgang vermutete, während ich gleichzeitig mit bebenden Fingern nach meinem Handy fischte, das ich mir vorhin kurz vor dem Fall geistesgegenwärtig in die Hosentasche geschoben hatte. Erstaunlicherweise hielt ich zudem noch Ellies Schal in den Händen und das mit einem so kräftigen Griff, als hinge mein Leben davon ab.
Ein winziger Hauch Erleichterung durchflutete mich, als das Display meines Smartphones zum Leben erwachte und die rechteckigen Schemen der Tür vor mir auftauchten. Das Skelett stand noch immer wie ein recht seltsamer Wächter rechts daneben, genau so, wie ich es zu Beginn dort zurückgelassen hatte, und grinste mir nicht sehr einladend entgegen.
Ich ignorierte den Totenkopf so gut es ging und stürzte mich mit schwitzigen Händen sogleich auf die Türklinke. Gleich war ich hier raus. Ich würde die Tür jetzt gleich hinter mir zuschlagen und die Mäuse und Ratten und Frettchen, oder was auch immer das hier drin war, in diesem Raum zurücklassen.
Und dann-...
Die Tür blieb zu.
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Cliffhanger, hihi.
Gleich drei Updates dicht hintereinander, weil ich nicht weiß, ob ich kommende Woche überhaupt dazukomme, auch wenn dieses hier nun recht kurz ist👀
Dann ... widme ich mich mal den Kommis😇🎀
Liebe Grüße!
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