7 || Sign of the Times
Shelby's POV:
Im Haus angekommen folge ich Daryl nach oben ins Schlafzimmer. Wie zu erwarten lässt er mir gar nicht erst die Wahl, und ich protestiere auch nicht. Ich denke die ganze Zeit über Carols Worte nach, und ich bin viel zu viel mit mir selbst beschäftigt um irgendeinen Einspruch erheben zu können. Verwundert über mich selbst setze ich mich aufs Bett. Ich habe Angst, mehr als mir lieb ist, aber nach außen hin bin ich eigentlich ziemlich gelassen. Zumindest scheine ich gelassener als Daryl zu sein, denn er würde mich am liebsten einschließen und bewachen.
Wie ein Schafschütze steht er vor dem Fenster im Schlafzimmer und beobachtet die Umgebung. In den Händen hält er schussbereit die Armbrust. „Daryl ...", entgegnet es mir. „Hmm ...?" ertönt seine Stimme wenig später. „Geh raus ... Bitte", murmle ich. Mir wird es zu viel. Selbst für seine Verhältnisse ist sein Verhalten nicht normal, und das, obwohl Carol uns ausdrücklich sagte, dass wir uns normal verhalten sollen. Ich möchte das er einen Gang runterschaltet. Selbst wenn Negan meinetwegen hier ist, will ich nicht das Daryl da mit hineingezogen wird. Ich werde niemals zulassen, dass er oder sonst jemand hier einen Biss oder eine Kugel für mich riskieren muss. Damit könnte ich nicht leben.
„Shelby ...", murmelt er und dreht sich zu mir. Er will protestieren, doch diesmal lasse ich ihn nicht. „Ich bin einverstanden damit hier zu bleiben, aber bitte lass mich allein. Geh runter, setz dich auf die Veranda und sei um Gottes willen normal. Wenn er weg ist, kannst du hochkommen und mich holen", sage ich. Für einen Moment sehen wir uns einfach nur an, dann lässt er die Armbrust sinken und entfernt sich vom Fenster. An seinem Blick kann ich erkennen, dass er wütend ist, aber das interessiert mich gerade nicht.
Er zögert noch, geht dann aber endlich raus. „Hör zu ...", beginne ich bevor er die Tür von außen endgültig schließen kann. Daryl stoppt sofort und dreht sich zu mir um. Ich atme durch. „Sollte Negan wirklich meinetwegen hier sein, lässt du ihn rein. Du wirst nichts tun". „Das kannst du nicht von mir verlangen", fällt er mir sofort ins Wort. Ich presse die Lippen aufeinander. „Bitte! Das ist nicht dein Problem, und ich will auch nicht das du, Rick oder sonst wer hier es zu eurem Problem macht ... vor allem du nicht. Du bist in den letzten Wochen ein richtiger Freund geworden, vielleicht der einzige den ich in dieser scheiß Welt je haben werde". Es fällt mir schwer das auszusprechen, aber er muss verstehen wie wichtig das für mich ist. Daryl atmet durch. „Es ist mein Problem, sowie Ricks oder Glenns, oder das von sonst wem hier. Du bist ein Teil von uns und wir sterben füreinander, wenns sein muss. Ich lasse nicht zu das er hier reinkommt und dich mitnimmt. Tut mir leid", sagt er, dann schließt er hinter sich die Tür und lässt mich allein. Verdutzt bleibe ich zurück. Daryl ist bemerkenswert und zum ersten Mal seit dem Weltuntergang verspüre ich so eine Art Heimatgefühl. Negan darf mir das nicht wegnehmen.
...
Gefühlt Stunden sitze ich auf diesem Bett und warte auf einen unerwünschten Besuch, der hoffentlich nie kommt. Mein Kopf fühlt sich schwer an und diese Stille macht mich fertig. Ich hasse es zu warten. Viel lieber würde ich meinen Frust gerade an ein paar Walkern auslassen. Das würde definitiv das Nachdenken ersparen. Vorhin war ich noch ziemlich gelassen, doch jetzt wo ich Zeit zum denken habe, ist da nicht mehr viel von übrig.
Genervt von meiner inneren Unruhe stehe ich auf. Ich muss was tun. Ich muss mich selbst so beschäftigen, dass ich keine Zeit zum Grübeln habe.
Leise gehe ich aus dem Schlafzimmer. Mein Weg führt mich ins Bad. Dort angekommen fällt mein Blick auf mein Spiegelbild. Eigentlich will ich mich gar nicht so genau anschauen, aber irgendwas hält mich zurück, und so nehme ich mir einen Moment, um mich anzuschauen. Ich bin blass, viel blasser als ich mich erinnere je gewesen zu sein. Es hat nichts mit Eitelkeit zu tun. Wer kümmert sich inmitten einer Apokalypse schon um sein Aussehen? Ich zumindest nicht, aber es ist erstaunlich und erschreckend zugleich wie viele Spuren die letzten Jahre hinterlassen haben. Ich bin 25 Jahre alt. Natürlich sieht man das auch. Mein Gesicht ist noch immer jung, doch wenn ich mir selbst in die Augen schaue, sehe ich nur das Leid der letzten Jahre. Ich sehe die Dinge die ich tun musste um zu überleben. Ich fühle mich nicht wie 25, ich fühle mich wie jemand der jetzt schon viel zu viel für nur ein Leben erlebt hat, in dem Körper eines einst unschuldigen 25-Jährigen Mädchen. Ein Teil in mir findet es hart und traurig, der andere ist stolz. Stolz darauf, immer noch zu leben. Ich hasse diese Welt. Ich vermisse Mom, Dad und meine Schwester, aber ich bin immer noch hier, und ich habe Freunde gefunden. Daryl's letzten Worte schießen mir ins Gedächtnis. „Wir sterben füreinander, wenns sein muss". Er hat recht, auch ich würde für sie sterben.
Ich gebe mir noch einen Moment zum Nachdenken, dann wende ich mich von dem Spiegel ab um meinen Plan, den ich vor längerer Zeit schon machte in die Tat umzusetzen. Ich atme einmal tief durch, öffne den Spiegelschrank, und hole eine Schere und eine Packung Haarfarbe in der Farbe dunkelbraun raus, das ich beides schon vor einiger Zeit dort deponiert habe. Das Gute an meiner langweiligen Aufgabe Dinge zu verstauen, die die anderen erbeutet haben, ist das ich Dinge die nicht dringend benötigt wurden, einfach behalten durfte. Darunter fiel die Haarfarbe. Glenn hatte sie in einem verlassenen Wohnhaus gefunden. Ich wusste nicht, ob ich sie jemals benutzen werde. Ich habe sie aus einem einzigen Grund an mich genommen: für den Fall der Fälle das Negan jemals auf Alexandria aufmerksam wird, möchte ich alles tun, was nötig ist, damit er mich nicht sofort erkennt. Vielleicht ist diese Idee albern und nur eine Spinnerei meiner innerlichen Angst vor seiner Herrschaft und dass er immer noch nach mir suchen könnte, aber was solls? Meine Haare zu verändern ist ein Opfer was man hinnehmen kann.
Ich schließe den Schrank wieder und blicke zurück in den Spiegel. Ich nehme ein Haargummi und binde mir die Haare zu einem Pferdeschwanz. Sie sind wunderschön. Man mag es kaum glauben. Vor dem Untergang der Welt war ich immer sehr auf meine Haare fixiert. Ich hasste dieses Dunkelblond und fing schon früh an sie zu färben. Ich habe immer versucht sie wachsen zu lassen, aber habe es nie weiter als zur Brust geschafft, da sie dann abgebrochen sind durch das ganze färben. Jetzt gehen sie mir schon fast bis zu den Hüften und ich habe meine natürliche Haarfarbe lieben gelernt. Ich verspüre kurz so etwas wie Wehmut, doch es gibt kein Zurück. Es sind nur Haare, und so nehme ich die Schere und schneide dort, wo das Gummi sitzt die Haare ab. Der Pferdeschwanz fällt ins Waschbecken. Mit der Last von meinem Kopf fällt auch eine kleine Last von meinem Herzen. Vielleicht bringt das gar nichts, und er erkennt mich dennoch wieder. Vielleicht weiß er schon längst das ich hier bin und holt mich gleich, aber ich habe nicht tatenlos herumgesessen, ich habe etwas getan.
Ich sehe zurück in den Spiegel. Meine Haare gehen jetzt nur noch knapp über die Schultern. Ich schneide noch ein paar Stellen nach, dann lege ich die Schere zur Seite. Als Nächstes die Farbe. Ich greife nach der Packung und mische alles zusammen, dann verteile ich es auf meine Haare.
Die Zeit, die ich warten muss verbringe ich im Bad. Ich klappe den Deckel der Toilette runter und setze mich im Schneidersitz darauf. Leise summe ich einige Songs vor mich hin. Singen beruhigt mich. Zu gerne würde ich wissen, was draußen passiert. Ich hoffe einfach nur das Daryl keine Dummheiten macht.
Als die Zeit rum ist, stehe ich auf. Bewusst werfe ich noch keinen Blick in den Spiegel. Ich ziehe mich aus und gehe in die Dusche. Die stinkenden Chemikalien der Haarfarbe runter zu waschen, fühlt sich gut an. Als ich fertig bin, hülle ich mich in ein Handtuch und gehe raus. Ich trockne meine Haare, dann sehe ich in den Spiegel. Es ist anders, und das war das Ziel. Überraschenderweise finde ich es sogar schön. Ich ziehe mich wieder an und fange an im Bad etwas aufzuräumen, was mich nicht davon abhält weiter wirres Zeug zu denken.
Aus meinen Gedanken werde ich gerissen als ich plötzlich jemanden vor der Tür höre. Meine rechte Hand greift direkt nach eines der Messer in meinem Gürtel, doch als die Tür aufgeht lockere ich meinen Griff darum sofort. Es ist Daryl. Einen Augenblick sehen wir uns einfach nur an, dann beendet er endlich meine lauten Gedanken. „Er ist weg", murmelt er. Mein Körper entspannt. Wie ferngesteuert gehe ich zu ihm hin und umarme ihn einfach. Ich weiß nicht warum, aber ich scheine das gerade zu brauchen. Daryl ist sichtlich überrumpelt und ich gehe davon aus, dass er mich wegstoßen wird, doch überraschenderweise tut er es nicht. Zaghaft legt er seine Arme um mich und seinen Kopf auf meinen. Ich schließe die Augen und meine Hände krallen sich regelrecht in seine Weste. Er zieht mich noch etwas näher an sich, und ich spüre ein schon fast vergessenes Gefühl. Es ist schon ein paar mal in den letzten Wochen vorgekommen, dass ich mit Daryl an meiner Seite absolute Leichtigkeit gespürt habe, aber nicht so. Gerade jetzt fühle ich mich so geborgen. Ein Gefühl, das ich niemals mehr für möglich gehalten hätte.
Ich möchte nicht, das es aufhört, doch ich will auch nicht, das es komisch für Daryl wird. Langsam löse ich mich etwas, doch nur so weit, dass ich ihn anschauen kann. Seine Arme liegen immer noch um mich, und es scheint so, als wolle er sich auch noch nicht lösen. „Es tut mir leid. Mir ist nur einfach so ein Riesen-Stein gerade vom Herzen gefallen", stammle ich. „Es ist okay. Du scheinst es zu brauchen", antwortet er. Wie recht er hat. Tatsächlich fühle ich mich jetzt auch besser. „Was hast du getan?", murmelt er plötzlich und streicht mit einer seiner rauen Hände durch meine noch nassen Haare. „Ich habe mich für den Fall der Fälle vorbereiten wollen. Es war eine dumme Idee. Ich weiß". „Ist es nicht", beginnt er. „Vielleicht hilft die Veränderung wirklich mal. Außerdem steht es dir sehr gut. Jetzt siehst du fast so aus wie ich". Als er letzteres sagt, muss er lachen, und auch ich grinse. „Ich hoffe nicht", entgeht es mir, worüber wir beide lachen müssen. Ich habe Daryl noch nie richtig lachen gehört. Anfangs dachte ich das er mich einfach unlustig findet, aber dafür macht er zu oft diesen Schmunzel-Laut. Er ist einfach ein sehr ernster Mensch. Umso mehr freut mich das gerade. Mein Blick fällt in seine Augen, die zwischen den Haarsträhnen hervor glitzern, und darauf wie sie in diesem freudigen Moment leuchten. Das Blau sticht jetzt noch viel mehr raus. Es ist wunderschön. Plötzlich lacht keiner von uns beiden mehr und wir sehen uns für einen Moment einfach nur an. Sanft drückt Daryl mich noch etwas näher an sich. Ich presse meine Lippen aufeinander und genieße es viel zu sehr. Ich könnte Stunden so stehen, doch dann räuspert er sich und der Moment ist vorbei. Seine Arme lassen mich los, und auch ich räuspere mich einmal. „Wir sollten zu Rick gehen. Ich will wissen warum das Schwein hier war", murmelt er. Ich nicke nur. Wir gehen nach unten. Daryl greift nach seiner Armbrust, dann gehen wir.
Bis zu Ricks Haus ist es nicht weit. Angekommen klopft Daryl. Michonne öffnet die Tür einen Spalt. „Wo ist er?", fragt er. „Lasst ihn einen Moment in Ruhe", antwortet sie. Daryl will protestieren, als Ricks Stimme im Hintergrund ertönt. „Lass sie rein". Michonne tritt zur Seite. Wir treten ein. Rick sitzt mit Judith auf seinem Schoß auf der Couch, Carl daneben. Als wir drin sind steht er auf. Er überreicht Carl Judith und schickt sie raus. „Warum hast du diesen Irren hier reingelassen? Du weißt das er hinter Shelby her war", beginnt Daryl als sie draußen sind. „Ich musste. Es wäre zu auffällig gewesen ihn nicht reinzulassen. Um deine nächste Frage auch zu beantworten: nein, er weiß nicht das sie hier ist, oder es interessiert ihn nicht". Ich runzle die Stirn. „Warum war er dann hier?". Rick sieht uns abwechselnd an. „Er will das wir uns ihm und seinen Saviors anschließen". „Bullshit!", protestiert Daryl direkt. „Du weißt genau, was das heißt. Wir ackern uns ab, nur um einen Teil unserer Dinge ihm als Bezahlung zu geben und er garantiert uns angeblichen Schutz. Er will uns betrügen, so wie die anderen auch. Er hat Angst das wir als Gemeinschaft zu stark werden", fügt er hinzu. „Ich weiß das und ich habe abgelehnt. Er war nicht einverstanden und schlug vor, dass Abraham mit ihm kommt. Er hat großes Interesse an ihm", antwortet Rick. Daryl wird wütend. Er ballt seine Fäuste und läuft im Raum umher. Ich kenne Daryl, und weiß das man ihn in solchen Momenten nicht zu nah treten sollte. Michonne und Rick wissen das auch, denn sie geben ihm einen Moment.
„Er will Abraham, weil er ein guter Kämpfer ist. Nicht nur bei Walkern, auch bei Menschen. Er beobachtet uns". Somit bricht Daryl sein Schweigen. „Das macht mir auch Sorgen", antwortet Rick. „Du hast doch nicht ...", beginne ich, werde aber gleich von Rick unterbrochen. „Natürlich nicht. Abraham würde so oder so nicht mit ihm gehen. Negan hat es akzeptiert ... vorerst, aber ich glaube nicht das es bei diesem Besuch bleibt". Wir alle sehen uns an. Es ist eine ernste Lage, und so wie ich Negan kenne wird er die Ablehnung nicht hinnehmen. „Du musst es allen sagen", sagt Michonne. Rick nickt und atmet durch. „Ich werde gleich eine Versammlung einberufen. Wir müssen wachsam sein in nächster Zeit. Ich bin mir sicher, dass er was planen wird. Traut niemandem und bleibt zusammen. Wenn er Krieg will sind wir gewappnet. Ich lasse nicht zu das wir uns abhängig machen, und ich lasse auch nicht zu das einer von uns geht". Daryl sieht zu mir, dann wieder zu Rick. „Sag es den anderen. Ich gehe jagen. Versuch gar nicht erst mir zu verbieten hier rauszugehen", sagt er und sieht wieder zu mir. „Komm mit oder lass es. Ich brauche auf jeden Fall eine Auszeit". Mit diesen Worten geht er zur Haustür, öffnet sie und stürmt nach draußen. Wie ferngesteuert folge ich ihm. „Shelby ...", hält Rick mich zurück. Ich bleibe stehen, drehe mich um und sehe ihn an. „Ich hätte nicht zugelassen, dass er dich mitnimmt, wenn er deinetwegen hier gewesen wäre". „Das weiß ich doch", antworte ich. „Ich glaube nicht, das er von dir weiß, dennoch finde ich es sehr klug von dir, das du dein Aussehen geändert hast". Ich presse meine Lippen aufeinander und nicke. „Es ist nicht viel, aber falls er wieder kommt kann ich so leichter in der Menge untergehen". Rick sieht mich weiter an. Er nickt und lächelt ganz leicht. „Passt auf euch auf", murmelt er. „Du auch auf euch", antworte ich, drehe mich um und gehe raus. Am Fuße der Treppe blieb Daryl stehen um zu warten. Ich gehe zu ihm.
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