¢ Alcoholic Impetus [Peter Prevc] ¢
Peter Prevc
Stil: Ich-Form
Wörter: 4042
Song: Kaleo - Way Down We Go
Warnung: !Nichts für schwache Nerven!
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Wie sollte ich das beschreiben. Niemand konnte es beschreiben. Er war ein ganz einfacher junger Mann. Groß gewachsen, schlank. Er war da, als ich ihn gebraucht habe, ohne nach ihm rufen zu müssen und dann, war er einfach weg. Doch das glaubte ich nur...
Mein Leben war nicht einfach. Mit Höllenqualen nicht zu vergleichen. Der einzige Ausweg war in meinen Augen die Ewigkeit, doch dass es der Himmel sein würde, wusste ich jetzt noch nicht.
Bevor ich irgendetwas vor hatte, ging ich in die erstbeste Bar, um mich dort ordentlich vollzukippen. Im Halbrausch war es doch einfach, sich selbst etwas anzutun. Für mich gab es nichts mehr, wofür es sich zu Leben lohnt. Nicht mal das Leben selbst war lebenswert. Was hat es mir Schmerz gebracht. Ich durfte nichts behalten, hatte keine Familie. Groß wurde ich in einem Internat, mit strenger Erziehung und von der waren so einige Narben an meinem Körper zurückgeblieben. Ich habe nichts und werde auch nicht haben.
Lässig locker lehnte sich jemand neben mich. Dem Barkeeper schon ein Bier beordert und danach auf zwei aufgestockt. Strickt ignoriert, versuche ich den nächsten doppelten Whiskey so schnell wie möglich runterzubekommen, um den nächsten zu bestellen. Hätte ich doch gleich die ganze Flasche genommen, dachte ich mir heimlich, als sich der Fremde etwas näher mir entgegen lehnt. So wäre ich jetzt im alten Baumhaus des Internats und müsste mit niemanden reden. Ich hasse Männer, immer nur das Anbaggern von Frauen im Kopf und sonst nichts. Wie ich diese Kreaturen abgrundtief verabscheute.
"Darf ich Sie auf einen Drink einladen?", fragte er schon fast zurückgehalten klingend, was mich ein wenig aufhorchen ließ. War er zu schüchtern, um sich schweren Herzens überwunden zu haben?
Ich schenkte ihm einen kurzen Blick und nickte stumm. Je mehr desto besser.
"Gerne", versuche ich recht höflich zu wirken. Er entspannte sich. War anscheinend etwas überrascht und froh über meine Antwort.
War es das, was ihn so interessant machte? Seine Art, mich nicht um den Finger wickeln und nur reden zu wollen?
Ich fand Interesse an ihm. Normalerweise fand ich nie Interesse an irgendwelchen Erdlingen und mir ging kein Grund in den Kopf, warum er anders sein sollte als die anderen.
"Kenne ich Sie irgendwoher?", startete ich das Gespräch diesmal und er sah auf, begann nervös auf dem Barhocker hin und her zu rutschen.
"Nein", schüttelte er den Kopf und seine Stirnfransen bewegten sich leicht, "ich habe Sie gesehen und Sie haben wirklich nett gewirkt. Außerdem bin ich alleine hier und Sie verstehen anscheinend was vom betrunken werden. Das muss ich auch", senkte er nun bedrückt den Kopf und ich bereute es innerlich ein wenig, ihn gefragt zu haben. Doch warum genoss ich das Leid und den sichtbaren Schmerz nicht, wo ich es sonst immer getan habe.
"Peter", streckte er mir die Hand entgegen, worauf ich diese schüttelte und meinen Namen ebenfalls preisgab, "Tija."
"Machst du das aus Spaß?", deutete Peter mit leichtem Lächeln auf das halbleere Glas und ich zuckte mit den Schultern.
"Alkohol", atmete ich aus, als wäre meine Überzeugung nicht mehr vorhanden, "macht so einiges leichter."
Er sah mich mit schrägen Kopf an: "Was zum Beispiel?"
"Lass uns nicht darüber reden, okay?", nahm ich einen Schluck und Peter antwortete anscheinend auf seinen eigene Frage
"Das Abnehmen und das Hunger vergessen", seufzte er schon fast kraftlos und mein Blick wanderte an ihm hinab. Ich verstand nicht, wo er noch abnehmen soll. An ihm war schon nichts auf den Knochen, was es zu abnehmen galt. Er war schlanker als schlank. Ja schon fast abgemagert.
"Und auch das Leben", hob ich mein Glas und hatte irgendwie das Gefühl, diesen Satz sagen zu müssen, um Peter nicht zu verletzen. Aber warum wollte ich das nicht.
So schob er mir eine Flasche Bier entgegen und wir stießen an.
"Auf ein besseres Leben", warf er den Spruch in den Raum und wir nahmen jeweils einen Schluck.
Je später der Abend wurde, desto mehr erfuhr ich, warum Peter sich eigentlich betrinken wollte. Er musste. Was für mich hart klingt, war für ihn die Selbstverständlichkeit.
Betrunken sein als Selbstverständlichkeit. War die Welt nun so verrückt, wie man sie immer nur geglaubt hatte?
Naja, das einzige was mich etwas leblos dastehen ließ, war sein Lächeln, gemixt mit seinen Augen. Es war eine wundervolle Combi. Es fühlte sich fast so an, als hätte er schon lange jemanden gesucht, mit dem er reden konnte und anscheinend hatte es ihm gut getan. Doch ob ich ihm mein Vorhaben erzähle, weiß ich nicht. Er würde mich nur abhalten, davon nicht mehr leben zu können. Doch war er die einzige Person, die mich leblos machte. Als wäre ich eine leere Hülle die dafür verdammt war, von seinen Augen verschlungen und in ein endloses schwarzes Loch gezogen zu werden.
Warum tat er das verdammt nochmal. Konnte er damit aufhören?
War es dieses schmerzende, gebrochene Lächeln oder warum konnte er sich nicht mehr auf das konzentrieren, was er eigentlich vor gehabt hatte. Immer wieder versuchte er sich selbst zu ermahnen, diese Begegnung bei einer kurzen und einmaligen zu belassen, doch sein Kopf wehrte sich strickt dagegen, alleine diesem Gedanken etwas Freiraum in seinem Kopf zu lassen.
"Und warum machst du das?", fragte er nun und riss mich leicht aus den Gedanken.
Ich sah ihn an, so hoffnungsvoll wie schon lange nicht mehr. Doch mein Blick senkte sich, als die Realität mir innerlich einen ordentlichen Hieb verpasste.
"Ich weiß nicht", begann ich nervös auf dem Glasrand herumzufahren, welches bereits zum vierten Mal mit Whiskey befüllt worden war, "ich will darüber nicht wirklich reden, obwohl ich es will."
Das brachte mir ein schräges Lächeln ein, wenn Verstand und Herz in einem Satz vereint waren. Eines widersprach dem anderen.
Peter nahm einen Schluck des fast leeren Glases, der nun auf Kräuterlikör umgestiegen war, den ich verabscheute. Doch er beschrieb es als eine Art schlechte Angewohnheit, nach drei Bier und zwei Radlern, wo ihm wegen der leichten Unverträglichkeit schon vorher schlecht wurde, auf den Likör umzusteigen, bevor er sich schlussendlich mit Pflaumenschnaps und Vodka den Hals verbrannte. Er verstand sich in gewisser Hinsicht selbst nicht, warum nicht gleich mit Schnaps anzufangen. So hat Peter es gesagt. Er hat ihr auch verraten, das er so, indem sein wöchentliches Prozedere sich bis nach Mitternacht in die Länge zog, mehr über sich selbst und sein Leben nachdenken kann.
"Bist du jetzt schon betrunken?", lachte Peter leicht und ich schüttelte den Kopf. Es war erst halb 11. Jetzt schon betrunken zu sein, war eine Sünde.
"Nein", kam es immer noch kopfschüttelnd zurück, "du etwa?"
"Ich weiß nicht", fing er sich langsam wieder und ich boxte ihm auf die Schulter.
Mein Blick ging tief in seine Augen, was mich kurz vergessen ließ, was ich eigentlich sagen wollte: "Wirklich nicht?"
"Nein", kam es etwas lauter und überzeugter als zuvor und er schob mir ein kleines Gläschen eines dreifachen Likör hin, worauf ich etwas wegrutschte.
"Geh weg mit diesem widerlichen Zeugs", hob ich die Hände vor mich, als würde sich damit das Glas zu seinem Besitzer zurückbewegen.
Er stupste es mit einem Finger extra nochmal etwas zu mir und lächelte schon fast finster: "Das ist meine Kur, willst du schon vor mir umkippen?"
"Ist das eine Herausforderung?", wurde nun das finstere Lächeln erwidert und schweren Herzens nahm ich das Gläschen. Das Anstoßen kam nur von seiner Seite, während ich leicht angewidert die Nase rümpfte und mit geschlossenen Augen alles runterzukippen versuchte.
Ein Schauer durchfuhr meinen Körper und mit einem hörbaren Laut, wurde das leere Glas auf die Fläche der Bar gestellt. Meine Zunge fuhr durch die Zahnreihen, um den bitteren Geschmack so gut es nur ging zu entfernen. Peter hatte immerhin etwas zum Lachen, was sich gut anfühlte, den Grund selbst fröhlich zu sein, wenn Peter es war, hab ich nach stundenlangem Nachdenken immer noch nicht herausgefunden.
"Tut mir leid", klang es gespielt, "ich hatte ja keine Ahnung wie sehr die Lady dies Getränk verabscheut."
"Willst du noch ein Bier", kam es schon fast forsch von mir, "ich hab kein Problem damit."
"Nein", kam es aus der Pistole geschossen und wir beide lachten darauf, "willst du wirklich nicht darüber reden?"
Ich sah ihn lange an, bevor ich schwer die Luft ausstieß und ihm meine Geschichte erzählte. Er saß nur da, in dem roten Shirt, hörte zu und umschlang mit beiden Händen das Glas, welches darunter nun verschwunden war.
"Betrunkener ist es doch einfacher, sich etwas anzutun."
Peter antwortete nur mit einem kurzen Mhm, sah nicht auf. Er war anscheinend noch mit dem Verarbeiten des ganzen Stoffes beschäftigt.
"Verstehen kann ich das gut", setzte er kurz ab, "ich habe es ja auch schon mal versucht, wurde aber daran gehindert. Mein kleiner Bruder ist damals mit 8 Jahren ins Badezimmer um 2 Uhr morgens spaziert und hat mich mit verweinten Augen und dem Messer angesetzt an der Halsschlagader gefunden. Ich weiß noch, wie er laut nach mir geschrien hat, obwohl ich zwei Meter vor ihm gestanden war. Peter tu' dir nicht weh, hat er gerufen, du hast mir versprochen mit mir morgen ein Eis zu essen. Danach bin ich von dem vielen Hungern und den blanken Nerven zusammengebrochen"
Als Peter dann sah, wie ich ganz feuchte Augen hatte, zuckte er kurz zusammen und scheint sich selbst zu ermahnen. Nicht wirklich förderlich.
"Entschuldige", räusperte er sich, "das hätte ich nicht tun sollen."
Ich konnte kaum antworten. Es hatte mich zu sehr berührt. Mit dieser Stimme, als er dies erzählt hatte, durchfuhr schon fast ein kalter Blitz meinen Körper und die vernarbten Stellen auf meiner Haut schmerzten kurz.
Aus einem Instinkt oder Rausch oder was auch immer, klammerte ich mich an den Oberarm von Peter. Was war das für ein Gefühl. Als hätte mich jemand von einem Fluch befreit, die aufgestaute Last auf den schon eingeknickten Schultern genommen und all die Zuneigung zurückgegeben, die man mir nun verdammte 19 Jahre verweigert hatte.
Als ich dann zu schluchzen begann, wusste Peter erst, wie schlimm es eigentlich um mich stand und er strich mir mit der freien Hand, wenn auch leicht verkrampft, über den Rücken.
"Tija, ich wollte das nicht. Bitte hör auf zu weinen", bekam er ein schlechtes Gewissen.
Ich ließ ihn nur leicht los und sah auf: "Dann hilf mir, das nicht zu tun. Mich wird niemand davon abhalten."
Mit einem kurzen Schrei wurde Peter wach. Er rang nach Luft und fuhr sich durch die nassen Haarsträhnen, die an seiner Stirn klebten. Dieser eine Satz, schon fast in seinen Kopf gebrannt, war nicht Wirklichkeit geworden. Auch wenn er den Abend nur noch verschwommen und betrunken von Likör und Bier in Erinnerung hatte, konnte dieser Satz von nichts auf der Welt aus seinem Kopf verbannt werden. Ein Blick auf seine blutroten Finger, bewies ihm das Gegenteil. Die schmerzende Realität. Und wie seit langem nicht mehr, weinte er sich in den Schlaf. Für ihn unbegründet, für seinen Verstand nicht.
"Peter", tippte ihn jemand an. Die Sonnenstrahlen versuchten sich durch den Vorhang zu zwängen und kündigten einen wunderschönen Tag an.
"Peter", wurde es energischer und schon fast aufdringlicher. Er wusste, wer in seinem Zimmer um Höllenzeiten am Morgen stand. Kein anderer als einer seiner zwei Brüder und der Stimme nach, war es der jüngere.
Peter drehte sich einmal in seinem Bett auf die andere Seite und murrte: "Lass mich in Ruhe, Domen."
"Aber Peter", versuchte er wieder anzusetzen, wurde aber unterbrochen.
"In ein paar Stunden. Ich will schlafen, also lass mich in Ruhe!", wurden die letzten Worte einzeln betont.
"Aber das Krankenhaus hat angerufen", kam es schon fast zornig, "die wollen mit dir reden."
Nun schlug Peter seine Augen auf und setzte sich blitzartig auf. Er riss seinem Bruder das Telefon aus der Hand und hauchte ein stockendes Hallo. Seine Augen flogen durch das Zimmer und visierten immer wieder einen anderen Punkt an, bis ein kurzes Mhm erklang und er das Telefon fallen ließ. Heiße Tränen überfluteten sein Gesicht und er begann zu schluchzen. Für Domen unbegründet, klammerte sich sein älterer Bruder an ihn und scheint auch nicht mehr loszulassen. Alte Bilder kamen in ihm auf. Doch Domen traute sich nicht zu fragen, was seinem Bruder dazu veranlasste.
Nun stand er schon seit mehreren Stunden auf der Terrasse und starrte im kalten Herbstwind auf die Sonne, was nun schon mehr als unheimlich wirkte.
Domen saß am Esstisch und sah zu, wie seine Mutter das Geschirr abräumte. Cene, sein älterer Bruder, der aber jünger als Peter war und ihr Vater waren zu einer Sprungskivorstellung gefahren, um das richtige Material für den Mittleren zu finden. Peter wäre ursprünglich mitgefahren, doch der sprach fast nichts mit ihnen. Die zwei Schwestern waren zwei Häuser weiter bei ihrer Freundin spielen.
"Mum", begann Domen, "weißt du, was mit Peter los ist?"
"Hast du Angst?", kam seine Mutter dahinter und setzte sich ihm gegenüber.
Domen nickte kurz. Er wusste nicht wirklich warum, doch er hatte Angst. Diese Unwissenheit war schon fast der Tod für ihn. Immer alles zu wissen und nun dastehen zu müssen und nichts zu wissen, war schlimm für ihn.
"Er redet nicht mit mir und weint nur. Bitte mach etwas", hauchte Domen hervor und seine Mutter sah, wie große Sorgen sich ihr Sohn um den größten machte.
Sie nickte, stand auf und schob die Terrassentür auf. Langsam ging sie näher an Peter heran und sagte vorsichtig seinen Namen.
Er drehte sich zu ihr, die Augen geschwollen und rot, vereinzelte Tränen auf seinen Wangen glitzerten in der Sonne.
Peter fiel seiner Mutter um den Hals und hauchte vor sich hin: "Ich darf nicht zu ihr. Sie haben es mir verboten. Ich habe versagt. Es versprochen nicht eingehalten. Es ist alles meine Schuld."
"Ganz langsam", strich sie ihm über den Rücken, "ich will auch mitweinen aber dazu musst du mich in das ganze einweihen."
Darauf drückte er sie noch etwas fester.
Alles, was mein Körper nicht krampfhaft ablegen wollte, war eine dunkle Jacke. Mit zwei Initialen. Ich wusste aber nicht, wem sie gehörte und warum ich sie nicht weglegen konnte. Würde ich es tun, weinte ich so lange, bis ich sie wieder zwischen die Finger bekam. Welch eigenartiges Gefühl der Vertrautheit ich auch mit diesem zusammengenähten Stück Stoff verbinde. Es waren so viele Fragen, die meinen Kopf zu zerbrechen scheinen. Auch war meine nicht vorhandene Lust am Leben nicht mehr so vorhanden, wie bevor ich im Krankenhaus wach geworden bin.
Wie jeden Tag, saß ich auf dem Fensterbrett des verdreckten Fensters des Internats, starrte auf die Straße mit ihrem regen Treiben und warte, bis die Nacht anbricht. Alles wirkte so nutzlos und dennoch war ein Funke da, der darauf bestand, jeden Tag sich hier niederzulassen und zu sitzen. Mit den müden und kraftlosen Augen. Dem leeren Blick.
Neben den spielenden Waisenkindern, stürmte nun ein junger Mann auf dem gepflasterten Weg zum Eingang des schäbigen Gebäude, welches mit der Fassade für seine Inneneinrichtung mit sprach. Aus irgendeinem Grund, stand ich auf und bewegte mich langsam Richtung Tür. An den vielen Stockbetten vorbei. Ich öffnete die Tür mit der abgeblätterten Farbe und horche nur zu. Doch ein Wort dieser Stimme scheint mich mit neuem Leben zu erfüllen.
Danach folgten die Schritte über die Treppe nach oben. Neben den schweren der Heimleiterin, die einem die Nackenhaare aufsträuben ließ, waren auch leichtfüßig zu vernehmen.
"Tija?", fragte er schon fast verwundert, als würde er mich nicht kennen.
Meine Augen wurden groß und scheinen nicht verstehen zu wollen, wer vor mir stand: "Peter?"
Ohne ein weiteres Wort schloss er mich in die Arme und ich schlang meine Arme um ihn. Krallte mich am Stoff seiner Jacke fest, um ihn nicht mehr loslassen zu müssen.
"Ich nehme dich jetzt mit", hauchte er in mein Ohr und ich verstummte abrupt. Ich drückte mich leicht von ihm weg und zuerst zu ihm und dann zu der Leiterin, die genervt nickte und nun ging. Anscheinend war ihr diese Situation doch zu liebevoll, als würde sie an diesem Anblick erblinden.
"Ist das dein ernst?", hauchte ich immer noch nicht glaubend.
Peter nickte lachend: "Jetzt komm. Cene und Domen freuen sich schon auf dich und deine neuen Eltern erst."
"Eltern?" Was war dieses Wort neu für mich. Diese Zuneigung. Diese Liebe.
"Meine Eltern haben dich adoptiert. Jetzt frag nicht lange und lass uns deine Sachen packen", lächelte er und drückte mich leicht durch die Tür. Ich nahm seine Hand und zog ihn zu meinen Plätzchen am Schrank. Es war nicht groß und ich hatte nicht viel, doch es hat immer gereicht. Peter zog den alten Koffer unter dem Bett hervor und nahm mir alles ab, bis es nichts mehr zu packen gab.
Ich stand noch eine Weile da, war etwas traurig, diesen Platz nun verlassen zu müssen, doch das ganze Leid sagte mir nun, dass ich an einen besseren Platz käme. Peter nahm mich an der Hand und führte mich durch halb Slowenien. So fühlte es sich zumindest an.
Als wir nun vor einem Familienhaus standen, kamen zwei kleine Mädchen rufend auf uns zugelaufen. Peter nahm sofort eine auf den Arm, während die andere nun vor mir stehen blieb und mit einem zuckersüßen Lächeln zu mir hinauf sah.
"Bist du meine neue Schwester?"
Ich nickte und schüttelte die Hand: "Tija und wer bist du?"
"Nika und das ist Ema", zeigte sie mit dem Finger auf die jüngere auf Peters Arm. Diese streckte mir nun auch die Hand entgegen, welche ich natürlich schüttelte.
"Papa ist am Sägen", präsentierte Ema voller Stolz, was Peter nun das Lächeln verschlug.
"Im Haus?!", kam es leicht erschrocken und Peter zog mich mit sich.
"Warte", versuchte ich ihn noch daran zu hindern, da ich den Koffer auf der Straße stehen gelassen habe, doch er war so getrieben, dass er nicht stehengeblieben war, das Gartenzaungatter sprengte und nun vor der offenen Terrassentür stand.
Heute herrschte fremdwirkende Aufgewühltheit im Hause Prevc. Peter ließ Ema runter, die sich nun leicht wehrte und lief mit den Schuhen über die Treppe.
"Warte Ema, Mum wird mich", doch die kleine war nun schon ganz oben und rief aufgeregt nach ihrem Vater, bevor sie in ein Zimmer verschwunden war. Peter schüttelte nur den Kopf und entlockte mir ein Lachen.
"Sie zieht nie die Schuhe aus und ich bekomme meistens eine Standpauke", erklärte er seine Geste und schlüpfte aus seinen Schuhen, bevor er meine Hand losließ und in das Haus rannte. Ich hörte hinter mir angestrengte Laute und den Kies rascheln, worauf ich mich umdrehte. Nika war gerade dabei, den Koffer von mir zum Haus zu schleppen.
"Komm Supergirl", ging ich auf sie zu und half ihr, "ich helfe dir."
Geschafft stemmte sie die Hände in die Hüfte und strich sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn.
"Du bist wirklich stark", nahm ich ihren Arm und tat so, als würde ich die nicht vorhandenen Muskeln bewundern.
"Das kommt vom Training. Ich springe auch wie meine Brüder", glitzerten ihre Augen stolz und ich nahm nun den Koffer, bevor wird die letzten Schritte zur Terrassentür zurückgingen, "du bist eigentlich wirklich nett. Ich hab gedacht, du bist böse, weil Peter immer geweint hat."
"Geweint?", traf es mich nun wie einen Schlag ins Gesicht.
"Ja, aber ich verstehe von dem Liebeskram ja nichts. Mama hat gesagt, dass er dich vermisst."
"Mir hat dein Bruder auch gefehlt", tippte ich ihr auf die Nase und taddelte sie ja die Schuhe auszuziehen und Peter nicht noch unnötigen Ärger einzuhandeln, worauf sie auch mich gemahnt hatte. Anscheinend liebte Nika diesen Koffer, da sie nun ihre Hand wieder um den Griff klammerte.
"Mama ist ganz außer sich", hauchte sie mit der Hand seitlich an ihren Mund zu mir hinauf, "Papa versucht mit Werkzeug zu arbeiten. Das endet nie gut."
"Und warum nicht?", machte ich ihre Geste nach und stand mit ihr im Wohnzimmer, keinen blassen Schimmer, worauf wir warteten.
"Er kann es einfach nicht", kicherte die kleine und verstummte sofort, als der Vater nun über die Treppe rhythmisch polterte.
Als er mich erblickte, begann er sofort zu lächeln und kam geraden Weges auf mich zu.
"Papa", zog Nika mich am Koffer näher, "das ist Tija. Sie ist viel netter als ich gedacht habe."
"Nika", sah er taddelnd zu seiner Tochter hinunter und wandte sich dann an mich, "Dare."
"Tija", stellte ich mich noch einmal selbst vor und musterte die Sägespäne in seinem Haaren.
"Bitte Mädels, verratet mich nicht. Ich hab die Wasserleitung abgedreht und eure Mutter sucht mich sicher schon. Ich bin niemals dagewesen."
Beide nickten stumm lächelnd und verkreuzten die Finger hinter dem Rücken.
"Ich sehe die Finger", zog er eine Augenbraue nach oben und zuckte beim leisen Türknall zusammen. Er sah wild um sich und rannte dann, nebenbei seine Spur verwischend, indem er die einzelnen Holzteilchen aufhob, über die Treppe nach oben.
Nika und ich standen da und warteten, bis die Mutter nun ins Wohnzimmer kam. Einen Korb mit vollen Wasserflaschen bei sich. Sofort stellte sie ihn ab und nahm mich in den Arm, scheint auch nicht mehr loslassen zu wollen.
"Julijana, aber bitte nenn mich Mum, wie es die großen Jungs auch machen. Hast du sie schon getroffen?"
Ich schüttelte den Kopf und sah zu Nika, die auch den Kopf schüttelte.
"Cene und Domen müssten gleich von der Schule zurück sein. Die konnten es gar nicht abwarten, dich endlich kennenzulernen. Ihr habt nicht zufällig meinen Mann gesehen?"
Wir schüttelten nur den Kopf und folgten ihr in die Küche.
"Wisst ihr", hob sie den Korb auf den Tisch, "er hat mir nämlich das Wasser abgedreht. Jetzt bin ich zur Nachbarin gegangen und hab mir Wasser zum Kochen und zum Trinken geholt. Wie ich ihn kennen, haben wir am Nachmittag dann auch keinen Strom mehr", entkam ihr ein Lachen und horchte auf, als man zwei Taschen im Flur hörte.
Nun stand ein fast gleichgroßer und ein kleinerer vor mir, starrten mich ein paar Sekundenbruchteile und streckten zeitgleich mir die Hand entgegen. Ich entschied mich für den Größeren, der sich als Domen vorstellte und machte dann mit Cene Bekanntschaft.
Cene wirkte müde und hielt seiner Mum eine 5 in Physik vor die Nase, während sich Domen langsam verdrückte. Anscheinend war es bei ihm keine Fünf gewesen.
"Domen hat in Mathe eine Eins geschrieben", lehnte sich Cene am Tisch mit beiden Armen ab.
Seine Mutter atmete tief durch: "Was sollen wir denn noch alles tun, um ihm zu helfen."
"Wenn man es nicht versteht", fasste Cene den Entschluss, "dann versteht man es nicht."
"Vielleicht kann ich ihm helfen", warf ich in den Raum und beide sahen mich an, worauf Julijana zu lachen begann.
"Zuerst lebst du dich mal ordentlich ein und dann..."
"Nächste Woche ist die Nachprüfung", unterbrach der Sohn seine Mutter und handelte sich einen finsteren Blick ein, "entschuldige", senkte er den Kopf, "habt ihr Dad irgendwo gesehen?"
"Der ist am Handwerken."
"H-h-h...", sah Cene auf und brachte vor stottern kaum ein Wort heraus, "Handwerken?"
"Er sägt irgendetwas. Bei euch im Zimmer glaube ich", bemerkte die Mutter und kramte in den Küchenschubladen herum.
"Bei uns?!", fuhr er herum, "meine neuen Elan Ski! Dad!", rannte er stürmisch an mir vorbei, "egal was du gerade machst, lass es!!!"
Julijana lachte und sah zu mir. Sie bemerkte, dass mir etwas auf dem Herzen lag.
"Geht's dir nicht gut, Schätzchen?", fragte sie sofort und ich schüttelte den Kopf. Wie gut tat diese eine Frage gerade. Die sie zum ersten Mal in ihren Leben an sie gewandt hörte.
"Darf ich dir beim Kochen helfen? Ich hab sowas noch nie gemacht, aber ich würde es gerne können."
Ein Strahlen machte sich im Gesicht der Mutter breit. Die drei ältesten, waren nicht sehr offen, ihr beim Kochen zu helfen und Nika wurde auch schon so in den Skizirkus mit eingenommen, dass sie auch nie dazu kam. Für Ema war es doch noch zu gefährlich mit den Messern und so blieb nur das Umrühren für sie übrig.
"Gerne. Stell' alles ab und schnapp' dir eine Wasserflasche. Ich koche nie, ohne vorher Hände zu waschen."
Und egal was auch passieren mag, Peter ist da und er war auch immer da, um mich zu beschützen. Hat gelitten deswegen. Und er war kein normaler junger Mann. Er war der, der mich verstand und so nahm, wie ich war.
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