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09

"Wenn man im Leben schon viel gelitten hat, ist jeder weitere Schmerz unerträglich und unbedeutend zugleich."
Yann Martel, Life of Pi

Die Heimfahrt war unerträglich lang. Schweigend standen wir in der ruckelnden Bahn. Nur Michelle hatte sich neben einen betrunkenen, alten Mann gesetzt, der sie sogleich mit großen Augen anhimmelte.

Es störte sie nicht. Es störte sie nie.

Knapp zwei Stationen vor unserer stieß Conrad mir sanft in die Seite. Ich drehte mich zu ihm, ohne die Augen von Michelle abzuwenden. Ich traute ihr nicht. Aber wenn Conrad sie sah, dann lag es zumindest nicht an meiner Vernunft, oder?

"Ich hab das immer noch nicht ganz verstanden", wisperte er mir ins Ohr. Es war so leise, dass ich es über die dröhnende Metro kaum verstand. "Soll das ein Witz sein? Du bist ein neunzigjähriger Mann, gefangen im Körper eines Siebenundzwanzigjährigen? Und die da ist ein Konstrukt deiner Gedankenwelt? Und wir können sie beide sehen? War irgendetwas in den Croissants von heute morgen drin?"

Ich klammerte mich fester an den Haltegriff über meinem Kopf und schüttelte den Kopf. "Ich bin 499 Jahre alt, Conrad."

Mit Genugtuung beobachtete ich, wie seine Gesichtszüge von Angespanntheit in hochgradige Verblüffung fuhren. "Und du hast keinen Seniorpass für die Metro gekauft?"

Ich verdrehte die Augen.

Kaum waren wir im Hotel angekommen, zerrte Michelle mich am Ärmel durch die Lobby. Ich konnte dem sehr verwirrten Putzmann, der gerade den Boden wischte, nur entschuldigende Blicke zu werfen, bevor wir die Treppe hoch hechteten.

"Welches Zimmer?", fragte sie.

"Äh", Ich fummelte meine Schlüsselkarte aus der Hosentasche. "381"

Sie bog scharf rechts ab und arbeitete die Zimmernummern an den Türen ab. Als wir ankamen, entriss sie mir die Karte und zog sie durch den rot leuchtenden Strich am Schloss, der sich augenblicklich grün färbte.

Mit einem Knall fiel die Tür wieder ins Schloss und wir standen im Dunkeln. Eine Zeit lang war nur das leise Keuchen zu hören, das Conrad, ein ähnlich unsportlicher Geselle wie ich, von sich gab.

Gerade tastete ich nach dem Lichtschalter, da schlug Michelle meine Hand weg. Ich zuckte zurück und wünschte, die Leute würden aufhören, mich in einem Zuge mit Schmerzen zu lenken, anstatt mit Worten.

"Und was jetzt?", fragte ich, mangels eines Gesichts vor Augen ins Nichts starrend.

"Ja, das überlegen Sie sich jetzt, William."

Ich verbesserte sie nicht. Inzwischen waren mir Höflichkeitsformen egal.

"Okay, äh", machte ich. Guter Anfang. "Erstmal müssen wir herausfinden, wie Sie aus Ihrer...beziehungsweise meiner Welt...geraten konnten."

Ich hörte, wie Conrad sich auf meinem Bett niederließ.

"Und dann, wie wir Sie wieder zurück dorthin bekommen."

"Und? Sie sind da etwas ganz Großem auf der Spur!", zischte sie.

"Hey, lassen Sie mir Zeit, Michelle. Ich weiß doch auch nicht, wie das passieren konnte. Ich habe jedenfalls nichts damit zu tun...nichts Absichtliches."

"Das ist mir vollkommen egal, ich will zurück nach Hause. Es sind 76 Jahre vergangen, verstehen Sie das? 76 Jahre ohne irgendeinen Lebenssinn, ohne eine Aufgabe, ohne ein Zuhause, ohne Bezugspersonen. Ohne Jack und Dorian. Und sogar ohne Leopold, den Schwätzer."

Ich trat ein paar Schritte vorwärts und hatte die Größe des Raumes deutlich überschätzt, denn ich war Michelle näher als gewollt. Jetzt einen Rückzug zu machen wäre peinlich, also blieb ich stehen. Immerhin rührte sie sich auch nicht vom Fleck.

"Glauben Sie wirklich, dass ich Ihnen da in irgendeiner Form nachhänge? Es sind nicht 76 Jahre der Einsamkeit gewesen. Es sind über Vierhundert. Vierhundertzehn um genau zu sein. So viele Jahre, die ich in kompletter, ja kompletter Einsamkeit verbracht habe. Und auch davor hatte ich so gut wie niemanden. Ich weiß, vergleichen macht unglücklich, aber mein Leben ist widerwärtiger als Ihres. Also erzählen Sie mir nichts von Zeit ohne Lebenssinn, Michelle."

Ich schnaubte, weil ich wohl einfach nicht aus meinen Fehlern lernte. Reflexartig wanderte meine Hand zu meinem Nasenrücken.

"Ohne mich hätten Sie doch nie existiert."

"Oh ja, danke Daddy, darf ich jetzt wieder nach Hause?"

Michelle machte mich zunehmend wahnsinnig. Und das nicht auf die Art, die ich ihr eigentlich zugeschrieben hatte.

"Wenn du nicht deine zauberhafte Klappe hälst und mich denken lässt, dann schmeiße ich dieses Fenster ein und werfe dich raus."

"Das will ich sehen." Sie lachte.

Ich stöhnte. "Na schön, als du...aufgewacht bist, woran genau kannst du dich erinnern? Wo warst du? Wer war bei dir?"

"Ich war in London."

"Genauer!"

"Richmond Bridge."

"Richmond Bridge."

"Richmond Bridge?", fragte Conrad und richtete sich hörbar auf. Allmählich gewöhnten meine Augen sich an die Finsternis. "War das nicht..."

"...der Ort an dem ich Whitney Dawson in die Themse stürzte? Ja."

"Was heißt das?", fragte Michelle und verschränkte die Arme.

"Das heißt...Da muss es eine Verbindung geben, oder nicht? Whitney stirbt, du lebst."

Conrad seufzte. "Aber wenn ich das jetzt alles richtig verstanden habe, dann war Whitney ja nie wirklich existent. Wie kann ihr Tod dann hervorrufen, dass Charaktere lebendig werden?"

"Ich verstehe nicht mal, wie das generell passieren kann", seufzte ich. "Michelle, was haben Sie noch gesehen?"

"Polizei", sagte sie blitzschnell. "Da war viel Polizei, einige Meter von mir entfernt. Sie standen am Geländer, aber ich habe nicht verstanden warum."

"Wahrscheinlich haben Sie Whitneys Schuhe inspiziert, oder nicht?", fragte Conrad aufgeregt.

"Wahrscheinlich", antwortete ich tonlos. "Aber-"

"Es gab sehr viel Geschrei. Ich habe nicht alles verstanden, aber es wurde nach Tauchern gerufen, glaube ich."

"Taucher...weil sich jemand nachts von der Brücke gestürzt hatte?" Conrad nickte. "Meinen Sie, man hat Whitneys Schuhe erkannt?"

"Vermutlich."

"Was noch?" Ich wurde ungeduldig. Das Ganze bewegte sich nicht vor und zurück.

"Wie gesagt lag ich in den Armen eines Geschäftsmannes. Ich habe ihn nicht genau gesehen und ich kann mich auch nicht an sein Gesicht erinnern, aber ich weiß, dass er davon ausging, ich sei ohnmächtig geworden. Er hat mir ein Riechsalz unter die Nase gehalten. Davon bin ich auch wach geworden. Es war echt widerlich."

"Hat er etwas zu Ihnen gesagt?"

"Nein, ich bin aufgestanden und geflohen."

"Was?"

Sie schnaubte. "Ja wachen Sie erstmal plötzlich irgendwo auf, wo Sie definitiv nicht eingeschlafen sind. Das ist ganz schön irritierend."

Ich nickte. Nicht nur das. Alles hier war irritierend.

"Und wo sind Sie hingerannt?"

"Ich weiß es nicht, weg halt."

"Wow" Ich rieb mir die Schläfen. Dieser Tag verlief eindeutig überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

"Können wir wenigstens die Vorhänge aufmachen?", fragte Conrad dazwischen. "Es ist echt stickig hier drin."

"Das kommt von diesem grauenvollen Parfum, das sich jemand hier viel zu dick aufgesprüht hat", murmelte Michelle.

Ich runzelte die Stirn. "Das ist nicht meins", sagte ich, als ich ihren Blick auf mir bemerkte. "Muss dem Putzpersonal zuzuschulden sein."

Conrad riss die Vorhänge auf und ein gleißendes Licht durchflutete das Zimmer. Die Mittagssonne bahnte sich ihren Weg direkt in meine Augen. Ich blinzelte einige Male, bevor ich meinen Blick über das ungemachte Bett und Conrad schweifen ließ, der mit verzogenem Gesicht am Fenster stand.

Moment -

Ich drehte mich ein Stückchen zurück. Das Bett war nicht gemacht.

Das Bett war nicht gemacht.

Eine Reihe unbeschreiblicher Gefühle rann durch meinen Kopf, wie ein Fluss der Überforderung. Das Bett war nicht gemacht, das Putzpersonal war nicht hier gewesen. Natürlich nicht, ich hatte das Bitte nicht stören - Schild an der Klinke angebracht.

Und dennoch waberte, nun eindeutig erkennbar, ein fremder, penetranter Duft durch die Luft. Männlich, dick aufgetragen, leicht süßlich.

Ich sah zu Michelle, dann zu Conrad.

"J-j-jemand war hier drin...", sagte ich hastig, über jede Silbe stolpernd. Michelle kniff die Augen zusammen und Conrad tat es ihr gleich, obwohl er in eine andere Richtung blickte.

Er sah aus dem Fenster.

"William, komm mal."

Ich trat an die Scheibe. Er deutete auf den gegenüberliegenden Bürgersteig. Dort stand ein Mann. Und er schien etwas zu beobachten. Was genau konnte ich nicht sagen, dazu war er zu weit entfernt, doch es musste sich an der Fassade des Hotels befinden.

Michelle wagte ebenfalls einen Blick auf den Fremden. Dann trat sie zwei Schritte zurück.

"Was ist los?", fragte Conrad.

"Nicht der schon wieder", murmelte sie.

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