
Kapitel 9
„In die Wüste?"
„Hast du eine bessere Idee?"
„Aber dort ist es unmöglich zu überleben, menschenunfreundliches Terrain!"
„Nicht bei uns." Er zog mich hinter sich her durch die verlassenen Straßen, immer weiter aus der Stadt hinaus. „Am Stadtrand werden wir abgeholt." Ich stoppte abrupt und hinderte damit auch William, der mich immer noch am Arm zog, am Weitergehen.
„Stop, das geht mir zu schnell! Wenn ich mitkomme brauche ich Antworten, und zwar jetzt!" William verdrehte genervt die Augen, das konnte ich sogar in der Dunkelheit erkennen.
„Ich bereue jetzt schon dass ich mich auf dich eingelassen habe." Aber er redete weiter. „Wir sind Rebellen und anders als ihr in der Stadt nicht so blind und ahnungslos. Wir wissen, was wirklich vor sich geht!" Ich fiel ihm ins Wort.
„Jeder weiß das! Das Elend ist kaum zu übersehen!"
„Aber wer ist schuld an diesem Elend, Gabriella?" „Die Umwelt. Naturkatastrophen und Wassermangel. Die Erde ist ausgelaugt und wir tragen die Konsequenzen", ratterte ich das herunter, was ich in der Schule gelernt hatte.
„Falsch", antwortete William mit einem überlegenen Lächeln. „Die Erde ist kurz vor de Abkratzen, das mag sein. Aber das Wasserproblem, der Grund für den Tod von Millionen, ist von Menschen verursacht. Es wäre schwer, eine funktionierende Wasserversorgung für Milliarden einzurichten, aber nich unmöglich. Sie töten Menschen, Gabriella, absichtlich. Um der Überbevölkerung Herr zu werden! Und es überleben nur die Reichen, mit genug Geld und Macht, sich das Wasser zu kaufen." Seine Antwort schockierte mich, war es doch etwas ganz anderes als das, was uns in der Schule erzählt wurde. Aber es klang logisch, es war das, was ich von den Menschen in dieser Welt erwarten würde, die egoistisch waren und vor nichts zurückschreckten, ihre eigene Haut zu retten.
„Aber wie kann man das stoppen?", fragte ich entgeistert.
„Der Konzern mit dem das alles angefangen hat heißt Water Economics. Wenn wir ihn zerstören, hätten wir eine Chance, das zu ändern. Wir könnten dieses Elend stoppen." Ich hatte schon von Water Economics gehört, jeder hatte das. Die Firma, die über allem stand und deren Werbespruch war: Wasser für jeden. Zugegeben, ihr Ziel hatten sie noch nicht realisiert, aber so etwas hätte ich dann doch auch nicht vermutet.
„Das ist der Wahnsinn, William! Wie soll man so etwas schaffen?" Ich realisierte meinen Fehler zu spät. Er dagegen reagierte sofort und im nächsten Moment hatte ich ein Messer an der Kehle.
„Woher weißt du meinen Namen?"
„Georgio...", krächzte ich, aber er hörte mir gar nicht zu.
„Wer hat dich angeheuert? Milo? Water Economics? Ich wusste, dass sie hinter uns her sind, aber das sie so jemanden wie dich schicken ist wirklich lächerlich! Ich dachte ja eigentlich dass du freiwillig mit zum Lager kommst, aber da wirst du jetzt keine Wahl mehr haben." Verdammt.
Die darauffolgenden Stunden waren die Hölle. Nicht nur, dass William meine Erklärung, seinen Namen durch Georgio erfahren zu haben, vehement abstreitete, nein, er behandelte mich auch noch wie eine Schwerverbrecherin. Meine Hände waren mit einer Art Haargummi, keine Ahnung woher er das hatte, provisorisch zusammengeschnürt und er warf mir misstrauische Blicke zu, sobald ich mich auch nur räusperte. Und es war ein langer Weg durch die Vororte der Stadt, die, wenn es überhaupt möglich war, noch ärmer aussahen als die bei uns.
William behielt recht, bevor die Sonne ihre ersten Strahlen über die provisorisch gebauten Dächer aus Metallplatten und anderem Zeug gebauten Dächer der Häuser gleiten ließ, kamen wir an einen Supermarkt, auf dessen Parkplatz ein einzelner Geländewagen stand.
„Setz dich hinten rein", sagte er zu mir während wir langsam auf den Wagen zugingen. Die aufgehende Sonne blendete mich und so konnte ich nicht genau ausmachen, ob jemand im Wagen saß. Das änderte sich jedoch, als ich in den Schatten des Wagens trat und eine Gestalt hinter dem Lenkrad kauern saß. Was mich noch mehr überraschte, war, das diese Gestalt eine junge Frau war.
„Wen hast du da schon wieder mitgebracht?", fragte sie William etwas genervt als sie das Fenster herunterkurbelte und mich misstrauisch aber auch neugierig musterte.
„Ich dachte sie kann uns helfen, aber wie sich herausgestellt hat ist sie eine Spionin." Ich wollte ansetzen etwas zu sagen, wurde aber von William unterbrochen. „Glaub ihr keine von den merkwürdigen Geschichten die sie dir erzählt."
„Und was willst du mit ihr machen? Wenn sie wirklich das ist, was du sagst können wir sie schlecht einfach wieder laufen lassen."
„Wir nehmen sie mit und lassen K entscheiden", schlug William vor. Ich fragte mich, wer oder was wohl K war. Und ob derjenige gute Absichten hatte oder nicht. Beim Gedanken an eine Person, die einfach so über mein Wohlergehen entschied, bekam ich Gänsehaut. Vielleicht hätte ich einfach zu Hause bleiben sollen.
Die Fahrt war die Hölle und jetzt wusste ich, warum das hier ein Geländewagen war. Nicht nur dass William und unsere Fahrerin kein Wort über unser Ziel, das mysteriöse Lager in der Wüste, verloren, wahrscheinlich aus Angst ich als Spionin könnte doch noch was ausplaudern, nein, der Weg den man eigentlich gar keinen Weg nennen dürfte, bestand in der ersten Hälfte nur aus grob zusammen geschobenen Steinblöcken. Und die Fahrt auf genannten war die Hölle. Ich stoß mir mehrmals den Kopf an der Tür an und ich wollte gar nicht wissen, wie mein Rücken aussah. Die Sonne, die nun unbarmherzig auf das schwarze Auto schien, erhitzte die Luft im Inneren auf unmenschliche Temperaturen auf. Und es wurde nicht besser, als wir die dürftige Steppe nach drei Stunden verlassen hatten und die Natur außen immer mehr der Wüste zu ähneln schien, von der ich schon so viele Bilder gesehen hatte. Allerdings damals nur im Zusammenhang mit Tod und Elend, keines hatte diese Schönheit offenbart, die ich hier zu Gesicht bekam.
„Wie lange noch?" Die Fahrerin, die ihre dunklen Haare zu einem Knoten im Nacken gesteckt hatte, drehte sich um und sah William dann fragend an. Der schüttelte den Kopf. Ich konnte ihn immer weniger leiden.
„Bitte,ich sterbe hier fast vor Hitze!" Vielleicht war das ja ihr Plan.
„Glaubst du hier vorne ist es kühler?", erwiderte William ironisch. Ich schloss gequält die Augen und konnte nur hoffen, das ich in einem Stück, das weder gebraten noch geschmort war, ankommen würde.
Ich hatte die Stunden nicht gezählt, aber letztendlich fuhren wir den ganzen Tag durch die Wüste. Wir machten nur einmal Halt und die beiden gaben mir eine Flasche Wasser, die ich ohne Abzusetzen leerte. Dann ging es auch schon weiter, der goldgelbe Sand der mir am Anfang noch so einzigartig und schön vorgekommen war, rückte in den Hintergrund und wurde Teil der schmorenden Hitze, die die Luft um mich herum flimmern ließ und von der ich Kopfschmerzen bekam. Ich würde nie wieder freiwillig einen Fuß in diese Wüste setzen.
Der Abend brachte kühlere Luft mit sich und ich dachte fast ich träumte als die Temperatur erträglich wurde. Dann fuhren wir eine weitere Sanddüne hinauf und ich sah auf ein Felsgebilde hinunter, das zu Urzeiten vielleicht mal ein Korallenriff hätte sein können. Und zwischen den Felsen, egal ob in ein oder zehn Meter Höhe, waren Tücher gespannt, in allen Farben und Mustern, die den Eingang in kleine Höhlen verdeckten und ein Farbenmeer widerspiegelten, das unglaublich war.
Unser Weg führte hinunter, immer näher an die Felsen bis ein Tor in Sicht kam, eher ein kleiner Durchgang, der die hohen Felswände teilte und Einblick in das geschützte Innere gebot. William nickte einem der Wächter zu, die ihre Platz im Schatten des Tores hatten und anscheinend dafür sorgte, das niemand unbefugtes ins Lager eindringen konnte. Oder es verließ. Nachdem wir das Tor passiert hatten erkannte ich erst, dass die Felsformation fast einem riesigen Ring glich, der das Lager in der Mitte von allen Seiten schützte und die gespannten Tücher, die ein Dach bildete, die Sonne teilweise abhielten. Genial. Dieser Ort war wirklich einmalig und perfekt, und ermöglichte damit ein Leben in der Wüste, so weit denn auch Wasser vorhanden war. In der Mitte des Lagers waren kleine Hütten gebaut worden, die zum größten Teil auch nur aus Stoff und nicht aus Fels oder Holz bestanden. Und überall Menschen, die meisten um die zwanzig, aber ab und zu Leute, die wohl in Mums Altern sein müssten.
„Das ist ja der Wahnsinn, unglaublich!" Unser Geländewagen hielt, nahe an einer der Felswände und damit an einem Eingang, der in dem Gestein von außen kaum erkennbar war. Ich wusste sofort, dass wir uns nicht lange hier oben aufhalten würde.
„Wohin gehen wir?", fragte ich als die beiden mich in den Eingang eskortierten. Da konnte doch unmöglich ein Raum dahinter liegen, die Felswand war breit, vielleicht drei Meter, aber nicht so breit, dass es sich lohnen würde, einen Raum in den Fels zu schlagen. Aber es ging nicht geradeaus sondern nach unten, eine steile Treppe die immer tiefer führte und in der Temperatur immer weiter absank, so dass sie am Fuß der Treppe wohl nur noch um die zwanzig Grad betrug. Hier unten war alles von Fackeln erhellt und mir kam in den Sinn, wie ausgeklügelt und intelligent dieser Bau doch war.
Wir gingen einen langen Gang entlang, der schließlich an einer Holztür endete. William klopfte und mein Puls beschleunigte sich.
„Wo sind wir?"
„Bei K. Mal schauen, was er zu dir zu sagen hat."
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Lasst einen Kommentar da und schreibt mir, ob ihr euch das Lager auch so schön vorstellt :)
Und wer ist wohl die junge Frau, auf die Gaby hier trifft?
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