Kapitel 7
„Du kannst dein Leben nicht einfach wegschmeißen, Gaby. Deine Ausbildung- was ist mit deinem Traum? In deinem Alter ist man doch noch voller Träume und Tatendrang, will die Welt erobern."
„Ich weiß auch nicht, ich sehe wohl einfach die Realität", entgegnete ich Mum.
„Ich kann dich zu nichts zwingen", sagte sie und gab die Diskussion auf. Ich war entsetzt. Meine alte Mum hätte das niemals zugelassen, sie hätte gekämpft, nicht aufgegeben. Aber ich wusste nicht mehr ob ich diese Person überhaupt kannte.
„Und was ist mit dir?", fragte ich sie schließlich, den Tränen nahe. „Willst du deinen Traum einfach so aufgeben?" Sie zuckte mit den Schultern. „Im Moment..." ...vergeudete sie ihr Geld lieber in Alkohol, beendete ich den Satz im Kopf. Was sollte ich darauf sagen? Ebenfalls aufgeben?
„Ich muss los." Ich wollte hier einfach nur noch weg, möglichst wenig Zeit an dem Ort verbringen, über den ein schwarzer Schleier gelegt war und unter dem jedes bisschen Fröhlichkeit unmöglich war.
Sie machte sich nicht einmal die Mühe um zu fragen wo ich hin wollte.
Ich wusste es auch nicht genau. Einfach weg. Vielleicht in Richtung Markt. Der Abend war über der Stadt hereingebrochen und das orangefarbene Licht der untergehenden Sonne tauchte die Straßen in einen goldenen Schimmer. Trügerisch, man könnte fast annehmen alles sei in bester Ordnung. Und das war es keineswegs.
Ich schlenderte den üblichen Weg entlang, meine Aufmerksamkeit war nur auf den nächsten Schritt gerichtet, auf den Fuß den ich gemächlich vor den anderen setzte.
Vielleicht entdeckte ich ihn deswegen erst, als ich schon fast wieder an ihm vorbeigelaufen war. Der Typ von heute morgen, es war ganz ohne Zweifel er. Ich zögerte, hin und hergerissen zwischen dem Gedanken, ihn anzusprechen, oder einfach wieder umzukehren. Aber ganz ehrlich, was hatte ich schon zu verlieren? Wenn das nicht eine Chance war, dann wusste ich auch nicht.
Ich lenkte meine Schritte in seine Richtung, er schien vertieft ihn sein Handy, tippte darauf herum. Ich war überrascht dass er noch eines hatte. Die meisten Handys waren aus den Leben der Menschen verschwunden, was zum einen wohl an den immer weiter steigenden Preisen gelegen hatte, auch als am schlechten Netz, dass immer weiter zerfiel weil die Konzerne pleite waren oder ihr Geld in etwas anderes investierten. Inzwischen besaß fast keiner mehr eins, man hatte sich wieder auf die alten Kabeltelefone besonnen, die im Notfall den gleichen Zweck hatten.
Ich wusste nicht genau, was ich ihm sagen, ihn fragen wollte, aber etwas an ihm machte mich einfach neugierig, vielleicht ein Instinkt. Und ich hatte mich schon immer auf meine Instinkte verlassen können. Ich blieb vor ihm stehen, unschlüssig, nervös, und spielte mit einer Strähne meiner Haare. Er sah erst auf als ich zu sprechen begann, wie aus einer anderen Welt gerissen.
„Hey. Ich wollte- ich habe mich gewundert, ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen..." Und die meisten Leute aus dieser Gegend lebten hier, keiner kam freiwillig in das Viertel der Stadt, das am ehesten einem Slum gleichkam."
„Ich komme nicht von hier." Er klang genau so arrogant wie heute morgen und ich bereute meine Entscheidung sofort. „Was willst du?"
„ich habe mich nur gewundert- woher kennst du Georgio?"
„Ganz ehrlich: das geht dich keinen feuchten Dreck an." So charmant und freundlich wie eh und je.
„Schon mal was von Neugierde gehört? Sorry, ich vergaß- dazu braucht man Gehirnzellen." Ich hatte es nicht erwartet, aber sein Mundwinkel zuckte.
„Schlagfertigkeit ist eine Fähigkeit die nicht jeder besitzt, wusstest du das?"
„Wusstest du das die meisten Arschlöcher gar nichts für ihr Verhalten können? Das ist ein Gen, dass vererbt wird- und du hast anscheinend Pech gehabt." Schalt einen Gang runter, Gaby. Das ist wirklich nicht das Gespräch, weswegen du gekommen bist. Aber weswegen war ich gekommen?
„Kannst du irgendwas besonderes? Schlösser knacken, Computer hacken?", fragte er urplötzlich.
„Äh was?" Ich war völlig überrumpelt.
„Vergiss es. War eine Schnapsidee. Hör mal, Mädchen. Mit mir willst du dich lieber nicht anlegen, also verschwinde." Ich fand es ziemlich respektlos, dass er mich als Mädchen ansprach, schließlich war er nicht viel älter als ich.
„Wieso-" Aber er hatte sich bereits auf den Weg gemacht, ging mit entschlossenen Schritten die Straße entlang, von mir weg. Ich verfluchte mich leise. Was zur Hölle hatte er damit gemeint, ob ich etwas besonderes konnte? Wenn er glaubte, mich damit abspeisen zu können, hatte er sich geirrt. Damit hatte er mein Interesse nur noch umso mehr geweckt. Und ich gab nicht so schnell auf. Dieser Typ hatte etwas an sich, seine Ausstrahlung, vielleicht ein Geheimnis, dass ihn umgab. Und ich würde es herausfinden, das schwor ich mir in diesem Augenblick. Schließlich hatte ich im Moment nichts viel Besseres zu tun.
Als ich ihm folgte, leise, schleichend, hatte ich jeden Moment die Befürchtung, er könnte sich umdrehen und würde mich sehen. Aber sein Blick blieb starr nach vorne gerichtet, auf etwas, das wohl nur er sehen konnte. Sein Ziel war mir unbekannt, in dieser Richtung lagen weder besondere Geschäfte noch kulturelle Einrichtungen.
Zehn Straßen weiter kam ich mir bereits ziemlich dumm vor. Was, wenn er nur seine Großmutter besuchen wollte. Ich hatte gedacht, ich wäre total schlau als ich ihm gefolgt war. Was, wenn er doch nur ein Typ war wie jeder andere? Aber warum dann die Frage nach meinen besonderen Fähigkeiten? Es ergab einfach keinen Sinn und ich spielte mit dem Gedanken, auf der Stelle umzudrehen und mich lieber um unser Einkommen zu kümmern, das sich schließlich auch nicht von selbst einstellen würde.
Aber dann blieb er plötzlich stehen, vor einer Bar vor der ich in jedem anderen Moment halt gemacht hätte. Besonders wegen der Situation mit Mum. Aber meine Neugier war einfach stärker als ich, mal wieder, und so folgte ich ihm, in einigem Abstand, in die Bar.
Ich wusste im ersten Moment, warum ich solche Ort am liebsten mied. Das wenige Licht das durch die schmutzigen Fenster hereinfiel wurde von der dunkeln Möblierung verschluckt und gab dem Raum eine düstere Atmosphäre. Außerdem war der Gestank unerträglich, den Alkohol und eine fehlende Putzkraft zusammen erzeugte, fast unerträglich. Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte trotz des plötzlichen Lichtmangels etwas zu erkennen. Der Typ war nicht an der Bar stehen geblieben sondern ging weiter nach hinten und setzte sich an einen der zahlreichen Tische, die hier aufgebaut waren.
Insgesamt war die Bar gut besucht und ich musste mir eingestehen, dass es noch mehr Leute wie Mum gab, die ihren Kummer ertränkten, und dass sogar am helllichten Tag. Wobei es hier drinnen fast schon Nacht war. Aber ich konnte mich zwischen den Leuten verstecken und musste mir keine Gedanken über meine Tarnung machen.
Während ich mich auf einem der Barhocker niederließ beobachtete ich den Tisch, an dem er saß. Alleine, als wartete er auf jemanden.
„Bist du nicht noch ein bisschen zu jung um hier zu sein?" Erschrocken drehte ich meinen Kopf, nur um vor mir den schon etwas älteren Barkeeper zu sehen, der mich musterte.
„Ganz sicher nicht. Ich bin achtzehn." Okay, ich war sechzehn, aber die zwei Jahre waren wirklich nicht der Rede wert. Außerdem sagten die Leute oft, dass ich älter aussah als ich war. Warum also konnte der vor mir das nicht so sehen?
„Wenn du meinst. Was darf's denn sein?"
„Ähm... ein Wasser?" Der Barkeeper zog eine Augenbraue nach oben, sagte jedoch nichts. Wenig später knallte er das Glas mit dem Wasser mir auf den Tisch. Meine Aufmerksamkeit war immer noch auf den Tisch in der Ecke gerichtet, als hinter mir wieder die Tür aufging. Zwei junge Männer und eine Frau kamen herein und steuerten direkt auf den hintersten Tisch zu. Bingo!
Sie begrüßten sich mit einem Nicken und setzten sich dann neben ihn an den Tisch. Die drei unterschieden sich dadurch von den anderen hier, dass ihre Ausstrahlung nicht auf verzweifelt, hilflos und trauernd hinwies. Nein, sie sprühten nur so vor Energie, in unserer Stadt eine wahre Rarität. Was sagte ich da, wahrscheinlich im ganzen Land. Es ärgerte mich, dass ich keine ihrer Worte verstehen konnte, dazu saß ich einfach zu weit weg. Und näher an ihren Tisch traute ich mich nicht, waghalsig genug war diese Aktion sowieso schon.
Sie redeten und redeten. Und dann griff die Frau in ihre Jackentasche und holte ein kleines Päckchen daraus hervor. Ich beäugte die Übergabe an den Typ mit dem ich vorher geredete hatte kritisch. Was konnte das sein? Drogen? Genau wie der Handel mit Alkohol florierte dasDrogengeschäft prächtig, allerdings hätte ich nicht vermutet dass sich hinter der Bar hier solche zwielichtigen Geschäfte verbargen. Aber andererseits, das Ambiente sprach in diesem Fall ja schon für sich.
Dann standen die drei wieder auf. Ich nahm einen großen Schluck und versteckte mich hinter meinem Glas, als sie direkt an mir vorbeikamen. Als die Frau nur noch einen Meter entfernt von mir war, hob ich doch meinen Blick, meine Neugierde war einfach zu groß. Sie sah mich direkt an und ich verschluckte mich fast an meinem Wasser. Hatte der Ty mich doch erkannt? War ich angeflogen?
Aber da war sie schon weitergegangen und die drei mysteriösen Gestalten verließen die Bar auf dem gleichen Weg auf dem sie gekommen waren. Ich trank mein Wasser hastig aus und suchte nach einer Münze in meiner Tasche. Dann sprang ich auf und stürzte ebenfalls zur Tür, bevor der Typ die Bar verließ und mich entdecken würde.
Draußen atmete ich erst einmal tief durch. Was jetzt? Ich hatte keine wirklich große Lust, nach Hause zu gehen, Mum würde um diese Uhrzeit wahrscheinlich schon wieder weg sein und ich wäre nur alleine. Meine Entscheidung wurde mir vorweggenommen als die Tür hinter mir erneut aufschwang und eine nicht ganz unbekannt Stimme fragte: „Was zur Hölle hast du hier zu suchen?"
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Wer ist wohl dieser geheimnisvolle Typ?
Vermutungen bitte...HIER :D
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