Kapitel 10
Als wir durch die schwere Holztür traten war ich zuerst überrascht, hellem Tageslicht zu begegnen. Als sich meine Augen an das plötzliche helle Licht gewöhnt hatten erkannte ich jedoch, dass es nur grelle Lampen waren, die Pläne und anderes Zeug auf dem riesigen Tisch in der Mitte des Raumes erhellten. Es sah ein bisschen aus wie auf einer Baustelle, Stühle überall und herumliegende Sachen, die man sonst wohl nicht hier vermutet hätte. Wobei, das Messer das wie beiläufig in der Tischplatte steckte hätte ich mir schon fast denken können. Und dann war da der Mann, der in mitten des ganzen Chaos eines Raumes stand, und zu uns blickte als wir hereinkamen.
„William, wen hast du da schon wieder aufgegabelt?" Sie begrüßten sich mit einem kurzen Handschlag und dann lag die ganze Aufmerksamkeit des Mannes wieder komplett auf mir.
„Ich bin Kay." Ach. Dann also nicht K sondern Kay. „Du weißt das wir komplett ausgelastet sind, Will. Wir können niemanden mehr aufnehmen, außer sie kann etwas, das uns nützlich sein könnte, und zwar wirklich nützlich."
„Sie ist eine Spionin, Kay. Von Water Economics."
„Hey hey hey! Das habe ich nie gesagt, also hör auf so was zu behaupten!", mischte ich mich in ihre Unterhaltung ein. Ich hatte es satt dass sie über meinen Kopf hinweg über mich redeten als wäre ich nicht da, und dann auch noch über Sachen die sich Will, wahrscheinlich in seiner Paranoia, eingebildet hatte. Kay sah mir in die Augen und versuchte wahrscheinlich abzuschätzen, ob ich log oder nicht. Ich erwiderte seinen Blick standhaft und ließ mir keine Unsicherheit anmerken.
„Dein Name?"
„Gaby." Kay nickte abwesend, als dachte er über etwas nach.
„Celine, du bringst sie in eines der Zimmer, ja? Pass auf das sie nicht abhaut, ich werde später noch mal vorbeischauen." Seltsamerweise löste dieses angekündigte Verhör keine Panik in mir aus, ich hatte das instinktive Gefühl das ich Kay vertrauen konnte, das er ein rational denkender Mann war der seine Leute bestens im Griff hatte und Gerechtigkeit hier an oberster Stelle stand. Soweit hatte ich nichts zu befürchten, denn die Sachen die William mir vorwarf waren nicht war, und die Wahrheit kam am Ende doch immer ans Licht, oder? Celine, unsere Fahrerin deren Name so gar nicht zu den wilden kleinen Zöpfen passte, die ihr überall in ihre haselnussbraunes Haar geflüchtet waren, schob mich auf dem gleichen Weg auf dem wir auch gekommen waren wieder aus dem Raum hinaus und ich hatte damit keine Chance, die Unterhaltung zwischen Kay und William noch weiter zu verfolgen.
„Celine, ihr habt zufällig nicht noch was zu trinken?" Sie warf mir einen Blick zu der sagte Nerv mich nicht, aber ich wusste dass sie meine Bitte nicht vergessen würde. Sonst hätte sie mir im Auto nicht immer wieder besorgte Blicke zugeworfen. Sie mochte vielleicht die Starke und Unberührte spielen, aber im Prinzip war sie auch nicht stärker als ich.
Wir gingen die gleiche Treppe wieder hoch und an den Hütten vorbei, zur hintersten Wand des kleinen Talkessels, den die Felsen bildeten. Insgesamt war der Radius genannten Kessels bestimmt nicht größer als dreißig Meter, aber die kleinen Höhlen in den Felswänden die zusätzlich Räume und Verstecke bildeten, schienen ihn zu vergrößern und ein Leben hier wirklich möglich zu machen. Und dann entdeckte ich den Brunnen, die pure Quelle des Lebens hier in der Wüste, der in der Mitte der Hütten stand und um den mehrere junge Frauen versammelt waren, die Eimer putzten, abstellten, oder nach unten ließen. Ehe ich sie weiter beobachten konnte zog mich Celine weiter und wir betraten eine andere Höhle, in der eine Treppe nach oben führte. Die Wand zum Talkessel der Treppe war nicht vorhanden und je höher wir stiegen, desto besser überblickte ich das Leben dort unten, dessen ich mir vor einem Tag noch sicher gewesen war, das es nicht möglich war.
„Hier." Die Treppe endete an einem Korridor, der ebenfalls keine Wand zum Talkessel hatte und somit extrem gefährlich schien, besonders wenn man den Fakt betrachtete, dass der Durchmesser nur einen Meter zu betragen schien und ich Mühe hatte, neben Celine zu gehen und nicht in die Tiefe zu stürzen. Neben Celine, auf der anderen Seite des Ganges, waren alle vier Meter Gittertüren angebracht, die nur für einen Zweck gut zu sein schienen: um jemanden darin zu halten, und nicht draußen. Wir passierten drei der Türen und ich erspähte keine Personen in den dahinterliegende kleinen Zellen.
Plötzlich hielten wir an und Celine zog einen Schlüssel aus ihrer Hosentasche. „Kay holt dich ab." Damit schloss sie die Tür auf und ich ging ohne zu protestieren in den kleinen Raum, der Tatsache bewusst dass es nichts brachte mich zu wehren. Ich ließ mich an die hintere Wand der zehn Quadratmeter großen Zelle sinken und sah durch die Tür zu wie Celine wieder nach unten lief, hoffentlich, um mir mein Wasser zu holen. Sie würden mich noch ein bisschen hier schmoren lassen, dessen war ich mir bewusst. Wenigstens hatte ich bis dahin einen perfekten Blich auf die wehenden Tücher der Hütten unter mir und konnte das Leben beobachten, dem sie hier, in ihrem kleinen Rebellenversteck, nachgingen.
Wie versprochen erhielt ich meine Wasserflasche bevor die Dämmerung eintrat. Ich war heilfroh um den Ausblick auf das Lage denn die Stunden die ich nun schon in dieser Zelle verbrachte waren pure Qual, nicht nur wegen der aufgestauten Hitze die auch den Schatten zu erreichen schien sondern wegen der Langweile, gegen die weder Summen noch die Geschichten halfen, die ich mir in meiner Langeweile ausdachte. Das einzige was mich beschäftigt hielt waren die Leute unten die ihrem täglichen Leben hier im Lage nachgingen. Was mich kaum wunderte war, dass ich bisher noch kein einziges Kind gesehen hatte. In einem Lager voller Rebellen die wahrscheinlich vor nichts zurückschreckten wären Kinder ziemlich fehl am Platz. Trotzdem machten sie, wenigstens von hier oben, einen ziemlich normalen Eindruck, niemand hätte vermutet dass sie Teil einer Widerstandsgruppe waren die sonst was planten.
Ich erschrak, als ich in der Stille die hier oben herrschte plötzlich Schritte hörten, die sich langsam von unten näherten. Den letzten Tropfen Wasser hatte ich gerade eben ausgetrunken, vielleicht kam Celine um mir neues zu bringen? Oder etwas zu essen?
Aber das Gesicht das am Ende der Treppe auftauchte war nicht das von Celine, sondern das von Kay, der mir ja vorhin, elegant ausgedrückt, versprochen hatte, später noch vorbeizukommen.
„Schöner Ausblick, oder?" Ich nickte nur. „Will sagt du bist von Water Economics, stimmt das?"
„Nein, ich... ich habe ihn wohl erschreckt, nehme ich an." Ich erzählte von Georgio und wie ich ihn nach Williams Namen gefragt hatte und diesen später aus Versehen ihn meinem Gespräch mit Will erwähnte.
„Und weshalb hat er dich mitgenommen? So ganz unnütz kannst du ja nicht sein wenn er sich dazu entschlossen hat, dir unser Geheimnis anzuvertrauen und damit die Sicherheit aller hier aufs Spiel zu setzen." Kay setzte sich auf die andere Seite der Tür, ein perfektes Spiegelbild zu mir.
„Ich kann kämpfen. Jedenfalls habe ich früher Kickboxen gemacht."
„Jemand der weiß sich zu verteidigen ist nicht der schlechteste Gewinn." Kay schwieg einen Moment. „Ich war früher auch wie du. Alleine und ohne jede Orientierung, ein Straßenkind. Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen und das sag ich jedem, der hierher kommt. Als sich unsere Gruppe gefunden hat war das ein bisschen wie eine zweite Familie und selbst jetzt ist es noch so. Wenn du dich gegen uns stellst stellst du dich gegen deine zweite Chance. Wir können dir vielleicht keine absolute Sicherheit garantieren, aber dafür Zusammenhalt." Zusammengehalten hatte meine Familie früher auch. Aber dann war sie auseinander gebrochen, Stück für Stück, bis von der einstigen Familie nicht viel mehr übrig war als ein Haufen Asche.
Die Gemeinschaft, die Kay hier aufgebaut hatte, hatte nur ein Ziel: den Konzern Water Economics zur Strecke zu bringen. Und vielleicht war es das, was sie zusammenhielt. Kay war vielleicht dreißig, aber trotzdem erschien es mir, als spräche er mit einer Weisheit, die für einen Dreißigjährigen unerreichbar schien. Wenn er wirklich als Straßenkind aufgewachsen war, musste er viel mitgemacht haben, vielleicht sogar mehr als ich. Vielleicht kam es daher.
„Ich lege mein Vertrauen in dich, Gaby. Will ist nur vorsichtig und ich schätze das. Aber trotzdem: solltest du uns hintergehen kannst du dir sicher sein dass meine Familie immer an erster Stelle kommt. Und ich tue alles dafür, damit es ihnen gut geht, verstanden? Was ich von dir brauche ist Loyalität und dass du dasselbe Vertrauen in uns, das ich auch in dich habe." Und damit stand er auf, zog den Schlüssel den zuvor noch Celine in ihrer Tasche gehabt hatte hervor und sperrte die Tür auf. Er steckte die Hand aus um mir hochzuhelfen.
„Willkommen im Lager, Gaby. Von jetzt an dein Zuhause."
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