Kapitel 3
Grimma hockte auf einer Stange in Evils Büro, die er extra für sie angebracht hatte, während er selbst hinter seinem Schreibtisch saß und gespielt gelangweilt durch eines der Bücher blätterte. "Was hast du mir zu berichten Grimma? Es muss dieses Mal ja wirklich etwas äußerst wichtig sein!" "In der Tat!" Der Geier schüttelte sein Federkleid und blickte von seiner Stange hochmütig auf Evil herab. "Dann sprich!", kommandierte er, aber wie so oft, wenn er ihr einen Befehl erteilte gehorchte sie nicht."Ich erzähle es dir schon noch!", säuselte sie mit unverhohlenem Genuss. Knurrend schlug Evil das Buch in dem er geblättert hatte zu. Grimma lachte. "Es war schon immer so leicht dich zu ärgern!" Wieder knurrte er. Es klang, wie aus der Kehle eines Wolfes. "Siehst du!" Diesmal gackerte der Geier, wie eine dumme Gans und breitete seine schwarzen Schwingen aus.
Grimma flog durch den Raum auf Evil zu und ließ sich auf einem seiner langen, leicht gebogenen Hörner nieder. "Ich glaube die Dinger sind seit dem letzten Jahr gewachsen!", stellte sie weiterhin lachend fest. "Runter da!" Evil scheuchte sie von seinen Hörner und der Geier landete nun wieder missmutig gelaunt auf seiner Stange. "Jetzt erzähl schon Vogel." Grimma zupfte noch ein paar Sekunden in ihrem dunklen Federkleid herum, bevor sie wieder zu sprechen begann.
"Wie du weißt, hast du mich letztes Jahr beauftragt im Norden unserer Welt zu spionieren, aber da war es mir viel zu kalt. Scheußlich sage ich dir! So viel Eis und Schnee! Sogar noch mehr als hier! Wirklich grässlich! Schneeflocken, Gletscher und Eisbären so weit das Auge reicht und verdammt nochmal trostlos! Ich habe tagelang nur weiß gesehen! Weiß und nochmal weiß! Ich..." "Komm zum Punkt Grimma." "Ja, ja!", krächzte der Geier genervt. "Ich änderte meine Flugbahn also von Norden in Richtung Südwesten. Ich bin über eine gelbe Sandwüste mit einigen schönen Tierkadaver geflogen. Ich sage dir deren Ge..." "Erspare mir Geschichten über deine Fressgewohnheiten!" "Barbar! Du verstehst einfach nicht, was das für ein himmlischer..." "Du hast recht. ich verstehe das wirklich nicht und vermutlich ist es auch die einzige Sache auf dieser Welt, die ich nicht verstehe, aber so darf es auch gerne bleiben."
Grimma stieß einen beleidigten Laut aus, bevor die Worte wieder, wie ein Wasserfall aus ihrem Schnabel sprudelten. "Jedenfalls landete ich nach einigen einsamen Monaten in denen meine einzige Unterhaltung mit einer dummen Wüstenschlange stattgefunden hat, in einem Zeltlager von Elfen."
"Elfen!" Ehe Evil es sich versah stand er auf den Beinen und schlug mit geballten Fäusten wütend auf den Tisch. Er hatte nie wieder etwas mit seinen Artgenossen zu tun haben wollen! Weder in diesem noch in einem anderen Leben! Ja, er wollte noch nicht einmal ihren Namen hören. Elfen. In seinen Ohren war es ein Schimpfwort, auch wenn er zu seinem bedauern selbst einer war.
"Ja, Elfen! Glaube mir ich war auch nicht begeistert darüber. Sie waren alle ganz anders als du... Keine Hörner und alle mit ekelhaft bunten Blumen geschmückt und dazu passende, geschmacklose Gewänder! Und gesungen und getanzt haben die! Widerwärtig! Eigentlich wollte ich sofort wieder weiter fliegen, aber dann hörte ich wie einer dieser Elfen das Wort 'Einhorn' fallen ließ und ich weiß ja wie besessen du von diesen grässlichen Geschöpfen bist." Er starrte den Geier entgeistert an. Die Elfen waren vergessen.
"Einhorn." Seine Stimme war rau vor Angst und Hoffnung und sein Herz zitterte, wie ein Tier in seiner Brust. Dann stürmte er plötzlich auf den Geier zu und packte ihn am Hals. "Was für ein Einhorn?! Rede! Was für ein Einhorn?!" Evil schüttelte Grimma ein paar Mal heftig, bevor er sie endlich wieder losließ und der Vogel röchelnd nach Atem rang. "Ver... dammt! Mie... ser... Elf!", würgte sie hervor. "Erzähl mir von dem Einhorn Grimma! Rede!", fauchte Evil. Der Geier atmete hektisch mehrmals tief ein und aus, bevor er mit einem giftigen Blick auf Evil den Schnabel wieder aufriss. "Der Elf... ging in ein Zelt hinein. Ihm folgten... zwei weitere. Ich schlüpfte unter der Zeltplane hindurch... und versteckte mich unter... einem Tisch..." Wieder atmete Grimma mehrmals lange ein und aus durch. Evils Griff um ihren Hals, schien sie doch sehr mitgenommen zu haben.
"Weiter!", befahl er, als sie auch nach mehreren Minuten des Ein- und Ausatmens immer noch nicht weiter sprach. "Einer der drei Elfen... war ihr Anführer und die anderen zwei waren Speer, die erst... vor ein paar Stunden aus dem Süden zurückgekommen waren. Die Beiden... berichteten ihrem Anführer, dass sie in den vergangenen Wochen drei Leichen... von Einhörnern gefunden hatten. Zum Beweis hatten sie jedem das Horn abgesägt und es... ihrem Chef mitgebracht und jeder weiß, dass man nur das Horn eines toten Einhorns entfernen kann. Aber dann erzählten die beiden Elfen ihm... das schlimmste in der ganzen Angelegenheit und zwar handelte es sich bei den toten Einhörnern, die sie gefunden hatten, um die letzten drei noch lebenden roten Einhörner!"
"NEIN!" Evil schrie auf und blies mit einem heftigen Windstoß aus seinen Händen den Globus und einige der Bücherregale an der Wand um, die laut krachend auf dem Boden landeten. Holz splitterte und kostbare Buchdeckel brachen. "NEIN!" Erschrocken breitete Grimma ihre Flügel aus und flog die Treppe zum Wehrgang hinauf. Ein paar Sekunden spätere hörte er die Dachluke klappern. Seine Freundin war fort und er war wieder allein. Allein und einsam und dem Tode geweiht. Seine letzte Hoffnung sich zu retten, war zu Asche zerfallen. Zu heißer, schwarzer Asche.
Stöhnend ließ er sich wieder in seinen Schreibtischsessel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Er fühlte, wie Angst im die Brust zuschnürte, wie ein Spinnennetz und zum ersten Mal in seinem Leben sah er keinen Ausweg. Ja, es hatte schon oft aussichtslos scheinende Situationen für ihn gegeben, aber sie hatten nur aussichtslos für ihn gewirkt, weil er bei jeder Möglichkeit, die er im Kopf durchgegangen war, etwas verloren hätte. Sei es sein Stolz, Macht, ein Gefühl oder eine Person. Doch dieses Mal würde er alles verlieren. Absolut alles. Umsonst gelebt, dass war alles was Evil denken konnte, während seine geschlossenen Augen in Dunkelheit blickten. Woher kam diese Finsternis eigentlich? War es der Tod den man sah, um einen zu erinnern, dass jeder, selbst ein Unsterblicher eines Tages den Weg zu ihm finden würde? Oder war es doch einfach nur eine Farbe ohne Sinn? Fragen und er kannte keine Antwort darauf. Umsonst geboren, umsonst gelebt und umsonst gestorben. Dieser Satz vergiftete seinen Verstand und betäubte seine Glieder. Umsonst...
(Liebe Leserinnen und Leser,
ich hoffe ihr konntet bis hierher den Inhalt und die Geschichte gut verstehen. Falls ihr Fragen habt, schreibt diese gerne in die Kommentare und ich werde sie euch beantworten so gut ich kann.
Wenn euch die Story gefällt teilt sie gerne oder votet sie.
Kritik ist auch herzlich willkommen. ;-)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro