Kapitel 19
Stöhnend stand Evil im Türrahmen seines Schlafzimmers und hielt sich den brummenden Schädel. Er hatte die ganze Nacht bewusstlos auf dem kalten Fußboden verbracht und jetzt schmerzte jeder einzelne seiner verdammten Knochen. Die Schmerzen von der Phönixfeder waren jedoch verschwunden. Das einzige Andenken an ihre Existenz waren die Rußflecken auf Evils gesamten Körper. Sie sahen aus, als hätte man ihn mit kleinen Feuerbällen beworfen oder mit schwarzer Farbe bemalt.
Müde und noch schlechter gelaunt als sonst schlürfte er in Richtung seines Arbeitszimmers. Erst als er den Raum betrat und das Mädchen auf dem Sessel vor dem Kamin entdeckte, erinnerte er sich wieder an ihre Existenz. Evil hatte die Kleine zugegeben für einen kurzen Moment vergessen. Schlagartig wurde ihm auch bewusst, dass er nicht wie sonst eine schwarze Hose und ein Hemd trug, sondern nur seinen Morgenmantel.
Fluchend wollte der Elf zurück in sein Zimmer eilen, aber da sprang das Bambi bereits von ihrem Stuhl auf und zerrte ihn am Ärmel seines Mantels zu dem kleinen runden Tisch in der Ecke. Auf diesem Stand ein Teller mit leckerem Frühstück. Zwei Spiegeleier, einige Scheiben Brot, Wurst und Karotten. Daneben entdeckte er auch noch eine Tasse mit dampfendem Tee.
"Wer hat das gemacht?", fragte Evil misstrauisch. "Das war ich!", antwortete sie mit vor Aufregung geröteten Wangen. "Du?" Irritiert schaute er einige Male zwischen ihr und dem Teller hin und her, bevor er sich auf den anderen Sessel vor dem prasselnden Feuer plumpsen ließ. "Willst du es gar nicht probieren? Ich bin extra früh aufgestanden, damit das Essen rechtzeitig fertig wird!" "Wie bist du überhaupt in die Küche gekommen?", knurrte er und beäugte den Teller mit dem Frühstück ein weiteres Mal. Vergiftet war es vermutlich eher nicht, obwohl das auch bereits einmal vorgekommen war.
Ein leises Lächeln schlich sich bei dieser Erinnerung auf seine Lippen. Die, die damals versucht hatten ihn zu töten, hatten es schwer bereut. Legt euch nicht mit Unsterblichen an! Sie zertreten euch wie Kakerlaken!
"Ich habe den Eingang hinter einem der schweren Ölgemälde gefunden von denen hier in ein paar in den Gängen rumhängen." Ungewollt zuckte er bei ihren Worte zusammen. Die Küche war einer der Orte, die er magisch verschlossen hatte. Nicht weil es dort etwas Kostbares gab, doch er hatte es vor ein paar Tagen bei ihrer Ankunft als notwendig erachtet. Verflucht Evil! Wie konntest du vergessen, dass auch deine Schutzzauber vermutlich bei ihr keine Wirkung haben werden!
Seine Augen huschten für einen Moment zu dem Bücherregal hinter der sich der Gang zum Erinnerungsraum verbarg. Es machte ihn wütend und beunruhigte ihn zu gleich, dass das Bambi selbst in den Best geschützten Ort hier im Turm spazieren konnte. Was wenn sie den Erinnerungsraum entdeckte?! Nein. Das durfte niemals, niemals geschehen.
"Du wirst den Turm nicht mehr auf eigene Faust erkunden, hast du mich verstanden! Ich untersage es dir dein Zimmer zu verlassen, wenn ich nicht da bin!", schnauzte er sie an. Die Kleine nickte jedoch bloß lächelnd. Sie brachte wirklich nichts, absolut nichts aus der Ruhe!
"Na gut, aber dafür musst du mein Frühstück essen!" Frech grinste das Bambi ihn an. Evil brummte etwas Unverständliches in sich hinein, doch dann streckte er doch noch seinen Arm aus und ließ mit einem Fingerschnippen den Teller mit ihrem selbstgemachten Essen auf seinem Schoß landen.
"Was hast du da?" Das Mädchen stand schneller, als Evil reagieren konnte neben ihm und schob seinen linken Mantelärmel hinauf. Vor ihren Augen entblößten sich sein mit Rußflecken bedeckte Arm. Ihre Augen weiteten sich und sie sog überrascht die Luft ein. "Was...?"
Evil riss seinen Arm von ihr los und stand auf. Dabei fiel der Teller herunter und zersprang am Boden in tausend Teile. Aber das Bambi schien es nicht zu interessieren, dass ihr schönes Frühstück jetzt auf dem Fußboden lag. Ganz im Gegenteil ihre Augen klebten nur an ihm. Er fühlte wie Unwohlsein unter ihrem Blick in ihm aufstieg. Warum muss sie auch so neugierig sein?!
"Geh! Geh auf dein Zimmer!", befahl er. "Na geh schon!", fügte Evil hinzu, als sie sich nach einigen Sekunden immer noch nicht gerührt hatte. Das Bambi schüttelte bloß den Kopf und griff wieder nach seinem Mantel. "Lass los!", fauchte er, aber die Kleine zog ihn unbarmherzig aus dem Raum, den Flur hinunter und durch eine Tür hinter der das Badezimmer lag. Vor dem Waschbecken ließ sie ihn los, öffnete einen der Wandschränke und holte ein paar Schwämme heraus. Da kennt sich ja jemand anscheinend gut aus...
"Was hast du vor?", fragte Evil misstrauisch, als das Bambi die Schwämme mit Wasser und Seife tränkte. "Mich um deine Flecken kümmern. Zieh mal deinen Ärmel hoch." Er seufzte. Die Kleine war einfach zu stur. Evil ahnte, dass sie ihn erst wieder gehen ließ, wenn er tat was sie von ihm verlangte. Es kam ihm vor, als hätten sie die Rollen getauscht. Er das frierende und hungernde Kind. Sie das mächtige Wesen, das sich erbarmte ihm zu helfen. Verkehrte Welt.
Evil schob, wie sie es wollte, seinen Mantelärmel hoch und entblößte damit die unzähligen Ascheflecken. Das Mädchen griff mit der einen Hand nach seinem Handgelenk und hielt es fest, als hätte sie Angst er könnte aufspringen und aus dem Bad rennen. Mit der Anderen hielt sie den Schwamm und schrubbte damit zuerst vorsichtig über die Flecken, als sie jedoch nicht verschwanden, schrubbte sie fester.
Evils Blick ruhte dabei die ganze Zeit auf ihrer kleinen Hand, die sein Handgelenk nicht einmal komplett umgreifen konnte. Es wäre ein leichtes sich aus ihrem Griff zu befreien. Er gab es ungern zu, aber ihre warme Hand auf seiner Haut fühlte sich gut an. Er fühlte sich sicher und spürte wieder diese Gewissheit, dass dieses kleine Mädchen ihn wirklich mochte. Warum sonst sollte sie sich um ihn kümmern? Ihm Frühstück machen und ihm Flecken mit einem Schwamm abschrubben? Oder zumindest versucht sie es.
Die Kleine war die Erste, die sein Herz nach fünfhundert Jahren wieder erwärmte. Den Frost langsam zum Schmelzen brachte und den kalten Wind fort trieb. Sie ließ die Dornen sich langsam zurückziehen, die sich als Schutz um sein Herz als geschlungen hatten. Er spürte, wie er sie immer mehr in sein Herz schloss und für sie darin aufzuräumen begann, um ihr einen Platz darin zu geben. Gutes Kind, dachte er. Dich hat man noch nicht verdorben!
"Sie gehen einfach nicht weg!" Das Bambi ließ enttäuscht sein Handgelenk los und drückte den Schwamm über dem Waschbecken aus. Evil blickte auf seinen freien Arm. Dieser war ganz rot von ihren Versuchen die Rußflecken zu entfernen. Allerdings hatte sie keinen Erfolg gehabt. Die Flecken waren immer noch da. Genauso dunkel und verhängnisvoll wie zuvor.
"Was hast du gemacht?", fragte die Kleine. Dabei legte sie den Kopf schief und musterte ihn besorgt mit ihren großen türkisenen Kulleraugen. Diese Augen sind vielleicht doch ein wenig zu viel des Guten! Selbst ein Hundewelpe kann nicht so herzzerreißend unschuldig gucken!
"Was hast du gemacht?", hackte sie nach, als er nicht antwortete. "Nichts...", knurrte Evil. "Doch du hast etwas gemacht!" Er kam sich vor wie ein kleiner Junge den man bei einem Streich erwischt hatte und jetzt zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Er ließ sich wirklich viel zu viel von dem kleinen Ding gefallen... "Nichts", wiederholte er bloß und ging zur Badezimmertür. Er öffnete sie energisch und trat hinaus auf den Flur. Das Mädchen folgte ihm, wie ein zweiter Schatten. Evil knurrte ungehalten, als sie vor ihn trat und ihm den Weg versperrte. Er hätte einfach über sie hinüber schweben können, doch er ließ es. Keine Ahnung warum.
"Bitte Evil..." Sie hatte die Augenbrauen flehend zusammengezogen und ihre Augen glänzten bedrohlich, so als würde sie jeden Augenblick anfangen zu weinen. Oh Gott! Bloß das nicht! "Du bist sturer, als jeder alte Greis den ich je getroffen habe", fauchte er und die Kleine strahle. Sie war gut! Sie war wirklich gut! Wickelte ihn um ihren Finger, wie ihr Spielzeug!
Sie ist eben auch kein kompletter Engel, Evil! Aber mögen tust du sie trotzdem noch!
Er schaute dem Bambi in die türkisfarbenen Augen. Auffordernd erwiderte sie seinen Blick. Evil seufzte und gab sich endgültig geschlagen. Mal wieder. Hoffentlich wurde das nicht zur Gewohnheit!
"Die Rußflecken kommen von einer Phönixfeder. Ich habe sie gegessen, damit sie mir das Gift aus dem Körper brennt", antwortete er ihr endlich und blickte in ein vor Schreck erblasstes Gesicht.
Liebe Leserinnen und Leser,
Ich hoffe euch haben bisher alle Kapitel, einschließlich Kapitel 19 gefallen und ihr habt Freude an der Story! Gebt mir gerne Feedback, wenn die Story euch zum Beispiel zu langweilig ist und ihr euch mehr Aktion wünscht. Allerdings kann ich schon Mal verraten, dass es bald noch sehr viel abenteuerlicher wird... 😏
Ich freue mich wie immer, wenn ihr Kommentare hinterlasst oder das Kapitel votet. Teilt sie auch gerne, wenn ihr glaubt, dass sie einem Menschen in eurem Umfeld gefallen könnte.
Eure Geschichtenmalerin
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