♥ 32
Lucian kommt wieder, hat Unmengen an Tüten dabei und sofort verfalle ich in den Arbeitsmodus. Immerhin kenne ich mich mit Kindern aus, nicht wahr? Ich habe Praktika in Kindergärten, Krabbelstuben und Kindereinrichtungen aller Art gemacht. Ich studiere Sozialpädagogik, um Kindern zu helfen. Da muss es ein Kinderspiel sein, mich um den namenlosen Zwerg zu kümmern.
Ha Ha.
Zurückspulen, Neustart, Action und Go.
In Wahrheit ist Lucian derjenige, der souverän handelt. Er wickelt den kleinen Racker und bereitet die Milch zu. Er hat einen Milchaufwärmer gekauft, Fläschchen, einen Destillierer und Unmengen an Zeug, das ich nicht benennen kann. Kassy und ich starren ihn nur an.
»Ich habe drei kleine Schwestern«, sagt er zu seiner Verteidigung und wickelt das Baby in eine Decke. Aus Kissen und weiteren Decken baut er auf dem Bett eine sichere Festung, aus der das Baby nicht herausfallen kann.
»Ich sollte vielleicht runter. Carsten ist ganz a-«
Kassy unterbricht ihn und nickt. »Ja, ja. Geh. Danke. Aber geh!«
Ich weiß noch immer nicht, was ich denken soll. Oder kann. Da liegt ein Baby in Kassys Bett. Ein lebendiges Baby, das an seinem Schnuller nuckelt und nicht mehr mitbekommt, wie aufgewühlt wir alle sind.
»Wo kommt er her? Ist es auch ein er? Hast du nachgesehen?«
Weil das ja auch das wichtigste ist. Glanzleistung von mir, wirklich. Aber ich bin ehrlich überfordert. Nach 17 Tagen Schweigen wieder in Kassys Nähe zu sein, ist berauschend. Auch wenn unser Wiedersehen alles andere als normal ist.
Kassy nickt, läuft an mir vorbei und holt aus ihrem Küchenschrank eine Schnapsflasche. Sie schüttet sich einen Schluck in ein Glas, bietet mir auch etwas an und trinkt es in einem Schluck. Sie ist kalkweiß. Auf ihrer Hose und ihrem Pullover sind Mehlflecken und ihre Haare sind verzaust. Etwas, das aussieht wie Babykotze, hängt an ihrer Schulter herunter. Ich habe sie noch nie so fertig erlebt.
»Es ist ein er. Lucian hat nachgesehen.« Sie hebt den Kopf und blickt mich direkt an. »Es tut mir leid, dass ich dich angerufen habe. Ich war so in Panik. Er wollte nicht aufhören zu schreien und dann kam Lucian hoch und ich habe doch gar keine Ahnung von Babys! Wie kann sie das tun? Wieso hat sie es mir verschwiegen? Ich dachte, ihr Leben sei so gut. Und dann liegt da ein Baby. Das lebt. Und schreit. Und ich war ganz allein.« Wieder schluchzt sie und verbirgt ihr Gesicht hinter den Händen. In zwei schnellen Schritten bin ich bei ihr, presse sie an mich und wiege sie hin und her.
Ich muss rational denken. Ich muss ihr helfen. Das ist bisher immer mein Part in der Beziehung gewesen. Ich bin der Kopf, sie das Herz. Ich bin der solide Muffin, sie das cremige Topping.
»Woher weißt du, dass es Pennies Kind ist?«, hauche ich an ihr Ohr und sie deutet vage mit der Hand in die Richtung des Esszimmertisches. Unter etlichen Tüten und Windelverpackungen entdecke ich einen zerknitterten Brief, eindeutig in Pennies Handschrift verfasst.
»Liebe Za,
ich kann es dir nicht länger verschweigen, denn der Beweis ist da. Ich habe Mist gebaut. Ich habe Hottie betrogen und wurde schwanger. Er hat mich verlassen, als er es herausfand. Ich weiß nicht einmal, wie der Vater heißt. Und es ist mir auch egal.
Ich bin keine Mutter. Ich kann mich nicht einmal um mich kümmern! Ich kann nicht auf ein anderes Wesen aufpassen. Du kannst das. Du hast dich um mich gekümmert und mich erzogen. Du schaffst das jetzt auch. Es tut mir so leid, große Schwester. Ich weiß, dass du dir gewünscht hast, dass ich es schaffe. Aber ich bin nicht stark genug. Jeder hat seine Päckchen zu tragen, nicht wahr? Das hast du immer gesagt. Du hast die Schläge und die verbalen Angriffe abbekommen, ich wurde verkorkst und regelbrechend.
Ich habe einen Brief zum Jugendamt gesendet. Da sollte sich jemand melden bei dir. Ich werde das Sorgerecht abtreten und will, dass du dich um mein Kind kümmerst.
Bitte.
Penelope.«
Ich schaue von dem Brief zu Kassy zu dem Baby.
»Vielleicht nehme ich doch einen Schnaps«, sage ich langsam und lasse mich auf einem Stuhl nieder. »Wir haben scheinbar einen weiten Weg vor uns.«
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