o9. Namche Bazaar
Am darauffolgenden Tag erreichte die Gruppe schließlich Namche Bazaar auf 3.340 Metern Höhe über dem Meeresspiegel.
Harry war bereits sehr erschöpft und freute sich auf eine Dusche und ein warmes Bett.
Trotz seiner Müdigkeit verlor er allerdings nicht den Blick für die Schönheit des Ortes.
Die Architektur der Stadt war geprägt von dem traditionellen nepalesischem Stil mit bunten Gebäuden aus Stein und Holz.
Die engen Gassen schlängelten sich durch den Ort, gesäumt von kleinen Geschäften, Restaurants, Tee- und Gasthäusern.
Während sie auf dem Weg zu ihrer Unterkunft waren, nahm Louis sich die Zeit, ihnen zu erklären, dass die Stadt und deren Umgebung eine vielfältige Gemeinschaft aus Einheimischen, Sherpas und Trekkenden aus aller Welt beherbergte.
Harry staunte.
Er konnte auch an Niall's Blick sehen, dass er fasziniert war, von all den Dingen, die sie sahen.
Es schien wie ein Tor in eine andere Welt zu sein.
Eine Welt, in der die Zeit stehen geblieben war. Eine Welt, in der alles entschläunigt wirkte und eine Welt, in der man noch nicht vergessen hatte, welche Dinge im Leben wirklich wichtig waren.
Namche Bazaar bot atemberaubende Panoramablicke auf die umliegenden Gipfel des Himalayas. Dazu zählte nicht nur der Mount Everest.
Es gab viele Gipfel in dessen direkter Nähe und die meisten von ihnen ragten höher in die Luft, als die meisten Menschen je kommen würden.
Trekkende konnten von verschiedenen Aussichtspunkten die spektakuläre Landschaft genießen.
Genau so ein Ausflug stand für den morgigen Tag auf dem Plan.
Schließlich wollten sie die nächsten zwei Tage in der Stadt bleiben, um ihre Körper an die Höhe zu gewöhnen.
Keiner von ihnen wollte höhenkrank werden.
Am besten ließ sich dem durch eine gute Akklimatisierung vorbeugen.
Die Zeit in Namche Bazaar wollten sie allerdings trotzdem nutzen, und so hatte Louis einen Besuch im Sherpa Cultural Museum organisiert.
Die Atmosphäre um sie herum war allerdings nicht nur ruhig.
Sie war durchaus lebhaft und pulsierend.
Harry konnte sich gut ausmalen, wie es dort im Sommer aussah - immerhin hatten sie sich entschlossen, den höchsten Gipfel der Welt im Winter zu besteigen.
Allerdings besuchten während der Hochsaison im Sommer unzählige Touristen aus aller Welt den kleinen Ort. Dann, wenn die Bedingungen günstig waren, waren die Gassen gefüllt mit Menschen, Geräuschen und Aktivitäten, was Namche Bazaar zu einem aufregenden und energiegeladenen Etappenziel machte.
Es war eine faszinierende Örtlichkeit voller Geschichte, Kultur und Abenteuer im Herzen des Everest-Gebiets. Eine einzigartige Mischung aus traditioneller, nepalesischer Kultur und moderner Trekking-Infrastruktur.
Harry konnte es kaum erwarten, in den nächsten Tagen mehr über all diese Dinge zu erfahren.
Als sie schließlich in dem Teehaus ankamen, in dem sie übernachten wollten, drückte Louis dem erschöpften jungen Bergsteiger eine heiße Tasse Tee in die Hand. „Müde?"
Erschöpft zuckte Harry mit den Schultern, während er sehnsüchtig darauf wartete, dass Niall und Liam die Duschen freimachten.
„Ja", gab Harry also zu und seufzte. „Aber die Erfahrung ist einzigartig. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen."
Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf Louis' Lippen, der nicht annähernd so erschöpft zu sein schien, wie Harry. „Das freut mich zu hören."
Harry nippte an seinem Pfefferminztee und atmete einmal tief durch. „Hast du auch Kopfschmerzen?"
Louis schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete er. „Du etwa?"
Harry nickte.
Louis schenkte ihm einen beschwichtigenden Blick. „Das kommt von der Höhe", erklärte er. „Aber da erzähle ich dir schließlich nichts Neues. Dein Körper wird sich in den kommenden Tagen daran gewöhnen. Sollte es dir nicht besser gehen, können wir auch noch einen Tag länger bleiben, bevor wir weitergehen."
Ein warmes Gefühl breitete sich in Harry's Brust aus.
Louis schien so ein rücksichtsvoller, in sich ruhender Mensch zu sein.
Langsam aber sicher begann er zu spüren, dass diese Stimmung auf ihn überging.
Ihn bei sich zu haben, schien einen Teil der Anspannung in seinem Inneren zu lindern. Er fühlte sich sicherer und verlor einen großen Teil seiner Angst vor dem bevorstehenden Abenteuer.
Schließlich war die Besteigung des Mount Everest im Winter kein Spaziergang.
Doch irgendwie hatte er tief in sich plötzlich dieses Vertrauen in Louis, das ihn sicher werden ließ, dass sie das schaffen würden.
„Ist alles in Ordnung?", wollte Louis schließlich von ihm wissen. „Belastet dich etwas?"
Wieder zuckte Harry mit den Schultern. „Ich weiß es nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. „Das Gespräch mit Violet hat mich irgendwie aufgewühlt."
Während Harry sich gar nicht sicher war, weshalb er Louis das eigentlich erzählt hatte, legte dieser ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. „Möchtest du darüber reden?"
Wieder einmal war er überrascht von der einfühlsamen Art des Expeditionsleiters. „Da gibt es eigentlich nicht wirklich etwas zu erzählen", versuchte er, sich einzureden. „Ich habe einfach nur so ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil ich sie hochschwanger mit so viel Verantwortung allein gelassen habe."
Er war überrascht davon, wie leicht er sich Louis gegenüber öffnen konnte, obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte.
„Das kann ich verstehen", gab Louis zur Antwort und lächelte ihn aufmunternd an. „Die Situation zwischen euch scheint sehr angespannt zu sein."
Harry musste ihm zustimmen. „Das ist sie auch. Sie bekommt zwar Hilfe von ihrer Mutter, aber das ersetzt natürlich nicht meine Anwesenheit."
„Wieso sagst du ihr das nicht genau so, wie du es mir gerade gesagt hast?", riet Louis und bemerkte dabei, dass er seine Hand noch immer auf Harry's Schulter liegen hatte.
Er zog sie zurück an seinen Körper, da er Angst hatte, dass er das als unangenehm zu empfinden schien.
Doch genau das Gegenteil war der Fall: Harry genoss die Nähe des Bergführers. Er kannte das Gefühl in dieser Art und Weise gar nicht und schob es vorerst darauf, dass sie sich einfach aufeinander verlassen können mussten, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten.
„Vielleicht hast du Recht", erwiderte Harry schließlich nach einer längeren Pause. „Du kannst es jetzt schließlich nicht mehr ändern und wolltest dir deinen Traum erfüllen. Ich kann dich verstehen."
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Hallo Freunde,
Danke für das Lesen des Kapitels :)
Ich bin gespannt, was ihr zu der Entwicklung der Geschichte sagt.
Was denkt ihr, wird als nächstes passieren?
All the love,
Helena xx
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