
38. Vertrau mir
Der Morgen dämmerte in Camp II, und die Gruppe bereitete sich auf den Abstieg vor. Die Anstrengungen der letzten Tage und die ständige Anspannung hatten deutliche Spuren hinterlassen. Jeder Muskel schmerzte, und der Gedanke an die bevorstehenden Stunden bergab war für alle belastend. Doch am meisten sorgten sie sich um Harry, dessen Verfassung noch immer schwankend und fragil war. Niall hatte die Lage unter Kontrolle - das konnte sich allerings jeden Moment ändern. Das war allen Beteiligten bewusst.
Als sie sich durch das Lager bewegten, bereit, den Abstieg anzutreten, lag Stille über der Gruppe. Niall war ernst und konzentriert, als er Harrys Sauerstoffversorgung ein letztes Mal prüfte und die Gruppe ermahnte, Harry eng zu beobachten. Der Sturm hatte sich in der Nacht gelegt, und obwohl die Schneefelder nun friedlich unter einem klaren Himmel lagen, blieb die Kälte in der Luft. Der Rückweg würde anstrengend werden.
Harry schwankte ein wenig, als sie sich auf den Weg machten, und Louis bemerkte es sofort. Er griff nach Harrys Arm und half ihm, das Gleichgewicht zu finden, während er ihm ein leises „Alles gut?" zuraunte. Harry blinzelte benommen, als versuche er, sich zu orientieren, und nickte dann schwach.
Das Gelände war steil, und der Schnee unter ihren Füßen war tückisch. Der Abstieg erforderte volle Konzentration, aber für Harry, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, war jeder Schritt eine Herausforderung. Niall und Louis wechselten sich ab, ihm zu helfen, während Liam vorausging, um den sichersten Weg zu finden. Sie hatten zwar das Ziel vor Augen, aber das Wissen, dass Harry dringend in ein Krankenhaus gehörte, setzte ihnen zu.
Die Luft war dünner, das Atmen fiel leichter, doch Harrys Zustand zeigte nur geringfügige Besserung. Er schwankte, stützte sich schwer auf Niall und Louis und hielt sich kaum auf den Beinen. Immer wieder murmelte er zusammenhanglose Fragen oder blieb abrupt stehen, als hätte er vergessen, was sie gerade taten.
„Louis...", flüsterte er irgendwann und schaute ihn mit verwirrten Augen an. „Wie weit ist es noch bis nach London?"
Louis seufzte und drückte Harrys Schulter, um ihm Halt zu geben. „Wir sind auf dem Weg zurück, erinnerst du dich? Zum Basislager."
Harry nickte benommen, aber der Blick in seinen Augen blieb glasig und unsicher. Der Gedanke, dass Harrys Zustand jederzeit kippen könnte, lag wie eine schwere Last über ihnen. Sie mussten weiter, mussten tiefer ins Tal, wo der Luftdruck stieg und Harrys Hirnödem langsam zurückgehen könnte.
Als sie den von ihnen gefürchteten Khumbu-Eisbruch erreichten, kam eine erneute Welle der Sorge auf. Die gefährlichen Gletscherspalten und die wackeligen Leitern waren schon in guter Verfassung eine Herausforderung, doch mit Harry, der sein Gleichgewicht kaum halten konnte, drohte jeder Schritt ein Risiko zu werden.
„Er ist viel zu wackelig auf den Beinen, um über die Gletscherspalten zu steigen", überlegte Liam, als sie an der ersten Leiter ankamen und mit nachdenklichen Gesichtern in den Abgrund blickten. „Selbst mit Sicherung ist es unmöglich, ihn sicher auf die andere Seite zu bringen."
„Wir haben aber keine Wahl", erwiderte Niall. „Es gibt keinen anderen Weg und die Zeit ist knapp."
Liam seufzte. Er musterte Harry einen Moment lang, um die Situation genauer einschätzen zu können. Er zitterte am ganzen Körper, war so blass wie der Schnee, der sie umgan, und seine Augen waren leer und halb geschlossen. „Er schafft es nicht auf die andere Seite", wiederholte er. „Er wird in die Spalte fallen. Das ist zu gefährlich."
Louis starrte auf die Leiter, die vor ihnen lag. „Glaubt ihr, die Leiter kann zwei Personen tragen?
Loam's Augen weiteten sich alarmiert. „Vergiss es", antwortete er. „Wir brauchen nicht noch mehr Probleme."
„Hast du eine bessere Idee?", zischte Louis zurück und riss seinen Blick von der Gletscherspalte. „Ich werde ihm helfen."
Niall blickte zwischen den beiden Freunden hin und her. Liam griff Louis an der Schulter und schüttelte ihn kräftig. „Wir können nur eine Person sichern", erinnerte er ihn. „Eine falsche Bewegung und du kannst als Eisstatue die Ewigkeit in der Gletscherspalte verbringen."
Louis' Augen verengten sich. „Du weißt genau, dass wir keine andere Wahlmöglichkeit haben."
„Wir können hier nicht weitermachen", begarrte Liam. „Harry ist zu schwach. Es bringt niemanden weiter, wenn du dich ebenfalls in Lebensgefahr begibst."
„Jetzt hört schon auf euch zu streiten", intervenierte Niall und sah zwischen den beiden Männern hin und her. „Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren."
Harry starrte in die Gletscherspalte, als hätte man ihn in eine seltsame, aus ewigem Eis und Schnee bestehende Paralellwelt gesetzt. Er verstand nicht, was sich vor ihm befand, und an das, was hinter ihm lag, hatte er kaum Erinnerung.
„Harry, hör mir jetzt gut zu" Louis versuchte, so ruhig und fest wie möglich zu sprechen, um Harrys Aufmerksamkeit zu fangen. „Wir werden jetzt zusammen über diese Gletscherspalte steigen. Hast du das verstanden? Ich werde dir helfen. Vertrau mir, okay?"
Niall beobachtete den Expeditionsleiter mit gemischten Gefühlen. Er wusste, dass Liam Recht hatte - aber er wollte unter keinen Umständen riskieren, Harry zu verlieren. Er wäre lieber gestorben, als ohne ihn weiterzuleben.
Harry nickte langsam, und Louis griff nach seiner Hand. Er kniete sich hin, streckte Harry die Hände entgegen und zog ihn sanft zu sich nach unten. „Gut, Harry. Du tust genau, was ich dir sage - okay? Und festhalten."
Harry nickte. Mit einem Mal schien er die Situation zu begreifen, und er starrte mit weit geöffneten Augen in die Tiefe. Die Erinnerung seines Sturzes auf der Akklimatisierungstour blitzte zwischen seinen Gedanken auf.
Louis zog ihn sanft zu sich, um seine Aufmerksamkeit zurück auf die Gegenwart zu lenken. Während Liam Harry sicherte, wuchs das ungute Gefühl in Niall's Brust.
Louis wusste, dass er nicht gesichert werden konnte. Dafür reichten die Fixseile nicht aus.
Niall beobachtete Louis und Harry, wie sie auf allen Vieren begannen, ahf die Leiter zu kriechen. Louis rückwärts, Harry vorwärts, ihre Hände fest miteinander verbunden.
Harry schlotterte, und er schwankte gefährlich. Der Schwindel in seinem Kopf nahm ihm einen Großteil seines Gleichgewichtssinnes.
Und Liam fragte sich, ob das überbaupt gut gehen konnte.
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Tja, Freunde. Ich bin gespannt, was ihr zu dem Kapitel sagt und wie ihr glaubt, dass diese Kletterei über die Gletscherspalten ausgehen wird.😅
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und wir sehen uns zum nächsten Update am Sonntag.🤍
All the love,
Helena xx
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