Kapitel 3
„Danke für den Kaffee und für deine Jacke. Hast dich gestern von deiner besten Seite gezeigt Kid!"
Der Angesprochene nahm mir seine Lederjacke aus den Händen und antwortete: „Kein Ding. War nicht gerade mit viel Arbeit verbunden."
Heat verließ uns, denn er war nicht mehr Teil dieser Konversation.
„Ich finde es ziemlich cool, dass du Killer in der Werkstatt hilfst. Ich bin mir sicher, dass du eine Begabung für solche Dinge hast. Wenn du das Schuljahr schaffst, könntest du doch wirklich Mechaniker werden, studieren willst du wohl kaum oder?"
Der rothaarige zuckte mit den Schultern und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Mag sein. Ich denke nicht viel über die Zukunft nach. Ist mir zu anstrengend und unrealistisch."
„Ach", ich boxte ihm leicht gegen den Arm, was er vermutlich nicht einmal als ein Kitzeln empfand, „hänge dich rein Kid. Du bist nicht blöd und eigentlich ganz anständig. Reiß dich zusammen, das Schuljahr ist bald zu Ende!"
„Du klingst wie Killer"
„Du meintest deine Eltern haben sich verpisst. Alles Gut bei dir? Ich meine..", ganz automatisch wichen meine Augen seinem Blick, da mir das Thema nun unangenehm war, „es geht mich nichts an und so.... ich kenne deine Umstände nich-"
Der Rothaarige unterbrach mich genervt: „Stammel nicht so blöd rum. Sie haben sich nie sonderlich für mich interessiert, dann haben sie sich ins Ausland verpisst. Ist doch besser so. Sie stehen mir nicht mehr im Weg und ich enttäusche niemanden, außer mich selbst. Alle sind glücklich. Und jetzt komm!"
Er ging voraus zum Klassenraum und ich folgte ihm wortlos. Dass er mir einmal so etwas Privates erzählen würde, hätte ich nicht erwartet.
Im Unterricht konnte ich mich kaum auf den vorgetragenen Stoff konzentrieren, ich dachte über Kids Umstände nach und mir wurde immer klarer, wie sich sein Charakter entwickelt hatte.
Ich kannte es, wenn die Eltern im Ausland unterwegs waren. Mein Vater Roger war seit jungen Jahren Kapitän und meine Mutter Rouge lernte er ebenfalls am Schiff kennen, sie ist Touristenführerin. Aber sie kamen immer wieder nach Hause nach spätestens einem Monat. Die Hoffnung gab es bei Kids Eltern wohl nicht. Außerdem hatte ich immer Ace bei mir. Er war zwar nicht der verantwortungsbewussteste und konnte nur Nudeln kochen, aber er war für mich da.
Schließlich wurde ich endlich aus meinen Gedanken gerissen, da der Professor verlange, dass ich das nächste Kapitel vorlas.
Mein Verstand fand sich jedoch schnell wieder bei Kid und seinem Leben. Es war nicht weiter verwunderlich, dass er sich nicht in der Lage befand, eine Perspektive zu finden für das weitere Leben.
Ich spürte den Drang ihn etwas zu motivieren, vielleicht könnte ich ihn dazu bewegen, etwas aus seinem Leben zu machen.
[...]
Nachmittags saß ich am Küchentisch und sträubte mir das lange Haar. Kein Wunder, dass ich nichts von meinen Aufgaben verstand, ich hatte Null aufgepasst heute!
Ace, der wie immer am Fressen und zocken war im Wohnzimmer, sah zu mir und fragte: „Was los Vanessa? Probleme mit den Hausaufgaben?"
„Als ob gerade du mir helfen könntest", antwortete ich belustigt und legte den Stift weg.
„Um was gehts denn?"
„Flächenintegral"
„Ach male einen Penis und schreibe hin, dass du keine Ahnung hast. Wer braucht den Mist denn später?"
Ich musste lachen und ging schließlich zu ihm auf die Couch, wo ich mich erledigt niederließ.
„Wenn man etwas Naturwissenschaftliches studieren will zum Beispiel."
„Du willst doch irgendwas Soziales machen, da brauchst du den Müll nicht. Lass dich nicht so runter ziehen und konzentriere dich auf deine Stärken!", die motivierenden Worte meines Bruders ließen mich langsam wieder bessere Laune spüren.
„Du sag mal Ace, du kennst doch Kid oder?"
Ace schaufelte sich die Chips in den Rachen, die ich ihm in der vorherigen Nacht besorgt hatte und sah mich überrascht an. „Ja wieso? Ich spiele manchmal mit ihm Basketball draußen. Er geht in deine Klasse richtig?"
Ich nickte.
„Was ist mit ihm? Gefällt er dir?"
„Nein ...Ja...darum geht's nicht. Ich habe das Gefühl, dass er eine helfende Hand in Sachen Vernunft braucht", erklärte ich dem schwarzhaarigen.
„Dann hilf ihm doch, wo liegt das Problem?"
„Ich will mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen."
„Hm", Ace dachte kurz nach und stopfte sich erneut das Maul voll, ehe er wie ein Wiederkäuer schmatze und dabei redete, „wirst schon sehen, wie nahe er dich ran lässt. Musst ja nicht gleich übertreiben."
Angewidert von dem Anblick ging ich wieder zum Tisch und versuchte erneut mich an meine Hausaufgaben zu setzen. „Manchmal frage ich mich echt, was die Weiber alle so toll an dir finden. Du bist widerlich!"
Ace fing laut an zu lachen und konzentrierte sich nun wieder auf sein Spiel. „Du siehst nur nicht wie fantastisch ich bin, weil ich dein Bruder bin!"
„Nein du kannst ganz fantastisch sein, aber du bist trotzdem widerlich!"
Schließlich griff ich nach meinem Smartphone und holte einmal tief Luft, ehe ich Kids Nummer aus der Klassen-WhatsApp-Gruppe heraus fischte und ihm eine Nachricht schrieb.
Ich sah am Verlauf unserer ‚Unterhaltung' dass er mir schon vor etwa einem Jahr schrieb...
Alles plumpe Angebote, die selbe Leier wie auch in der Schule.
Ich tippe meine Nachrichten und versuchte mich erneut an dem neuen Mathekapitel.
[...]
Als ich das letzte Mal abbog erreichte ich schließlich die Werkstatt. Mir wurde klar, dass sie mir immer mal wieder beim vorbei gehen und fahren auffiel, wer hätte gedacht, dass Kid dort arbeiten würde.
Der Rothaarige kam gerade aus dem Gebäude, er grinste mir entgegen und begrüßte mich: „Hey hey. Hätte nie erwartet mal von dir so eine Nachricht zu lesen. Außerdem hättest du mich vorhin in der Schule fragen können!"
„War eine spontane Idee", antwortete ich ihm.
„Aber sicher." Seine Tonlage verriet mir, dass er mir nicht wirklich glaube, aber das war auch nicht sonderlich wichtig.
„Also worauf hast du Lust Nessi?", er steckte seine Hände, wie so oft, in die Taschen und wartete auf meine Antwort.
„Kid du weißt ich träume seit Wochen, dass wir zusammen Pizza essen gehen!", antwortete ich grinsend und er lachte leicht auf.
„Oh Ja. Ganz vergessen wie verrückt du nach mir bist!", der Sarkasmus war klar heraus zu hören, „dann lass uns gehen!"
Er führte mich zu einem kleinen italienischen Restaurant nicht weit weg, nach etwa 10 Minuten Fußmarsch waren wir angekommen und saßen draußen auf der Terrasse, da es noch schön und warm war.
„Jetzt ernsthaft. Was ist hier los?"
Ich sah verwundert von der Karte auf, die ich gerade studiert hatte und legte den Kopf schief. „Was meinst du?"
„Ich habe dich 8 scheiß mal gefragt, ob du was unternehmen willst, die Antwort war immer nein. Was hat sich geändert?"
„Keine Ahnung, dass du heute noch nicht das Wort ˋfickenˋ benutzt hast?", ich musste schmunzeln.
Kid jedoch rollte die Augen und sah nun auch in die Speisekarte, ehe er sagte: „Was macht das für einen Unterschied? Oder willst du mir ernsthaft erzählen, dass du hier-"
Ich unterbrach ihn, indem ich die Karte zuklappte und auf den Tisch klatschte: „Ich will dich einfach besser kennen lernen, ist das so schwer zu verstehen?"
„Tsss", der rothaarige grinst schief und ließ sich nach hinten in die Lehne des Stuhls fallen, „schwer glaubhaft, sagen wir es so."
„Ehrlich, ich habe dich gern. Ich unterhalte mich gut mit dir, wenn du nicht deine Aussetzer hast und ich habe das Gefühl, dass du jemanden gebrauchen könntest, der dir in den Arsch tritt, damit du merkst, was für Potential in dir steckt!"
Nach meinen gesagten Worten schwieg er. Sie mussten wohl erst noch wirken.
In der Zeit kam die Kellnerin und wir bestellten. Erst als sie wieder verschwand um die Getränke zu holen, ergriff Kid wieder das Wort: „Uncool zu erwarten, dass ich Bock drauf habe, da mitzumachen."
„Mag schon sein", ich grinste, „ich weiß nicht was es ist, das mich offensichtlich so sympathisch für dich macht, aber du quatscht ziemlich oft mit mir und langsam lässt du mich hinter diese harte Fassade!"
Kid sah nur beleidigt weg und schwieg erneut.
Ich fand seine Reaktion amüsant.
Als dann schließlich unsere Getränke kamen, fingen wir an uns vernünftig zu unterhalten. Es waren alltägliche Dinge, unsere Hobbys, natürlich wie so oft Musik, Killers Werkstatt, mein Bruder....
kein einziges Mal an diesem Abend kam eine dumme Bemerkung oder ein anzügliches Angebot, Kid ging mir nicht auf die Nerven mit seinem Überschuss an Testosteron und ich lachte viel mit ihm. Ich lachte über dumme Witze, Geschichten die er zu erzählen hatte, über seinen damit zusammenhängenden schwarzen Humor, es war ein verdammt guter Abend!
Nach dem Essen brachte er mich nach Hause, vor der Tür nahm ich meinen Schlüssel heraus und lächelte. „Danke für den Abend, war cool!"
Kid nickte nur und machte schnell Kehr. Er hob seine Hand zum Abschied und verschwand ins Dunkle.
Es war mittlerweile kurz vor 12.
Bevor die großen Fragen kommen, wie ich das mit dem Chat gemacht habe, es gibt Apps dafür c:
Titelbild: https://i.pinimg.com/564x/15/8b/e7/158be73e062a52db3a955b03d206fbef.jpg
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