Kapitel 2
Müde trottete ich durch die Gänge, der Montagmorgen war immer der schlimmste. Ich war definitiv kein Morgenmensch und verbrachte meine Wochenenden viel zu intensiv damit, lange wach zu bleiben und meinen Hobbys nach zu gehen, als fehlenden Schlaf nachzuholen und mich zu entspannen.
Nur so halb nahm ich die Worte meiner Freundin Perona wahr, sie jammerte wie so oft über ihre Beziehung mit Zorro.
"Er ist nicht gerade der Typ Mensch der sich oft meldet hm?", warf ich so ein, als sie mir vorjammerte, wie wenig Zeit er für sie fand.
"Er meldet sich viel zu selten! Er ist generell total schlampig was das angeht und nimmt sich viel zu wenig Zeit für mich!", genervt ließ sie sich an ihren Spind fallen und sah an die Decke des langen Flurs, "manchmal glaube ich, ich bin ihm egal."
"Bestimmt nicht. Aber er ist eben ungeschickt was das angeht", antwortete ich gähnend und schloss meinen Spind, als ich plötzlich aufschreckte da Kid hinter diesem hervor kam.
Mit einem breiten Grinsen hielt er mir einen dampfenden Becher voller Kaffee hin.
"Bitte, ist für dich!"
"Wo ist der Hacken?", ich sah ihn mit skeptischem Blick an, griff allerdings nach dem Becher und zog den angenehmen Duft ein. Der heiße Dampf ließ meine Gesichtsmuskeln entspannen und ich fühlte mich nun etwas besser.
"Gibt's keinen", antwortete er nur und nickte dann Perona zu, um sie zu grüßen.
Diese setzte einen genervten Blick auf und frage: "Hast du etwa mitgehört?"
Kid zuckte nur mit den Schultern und gähnte: "Ein wenig vielleicht. Deine Probleme interessieren mich herzlichst wenig. Habe meine eigenen."
Der Blick der Rosahaarigen wanderte zu meinem neu gewonnenen Kaffee und sie richtete erneut einen genervten Blick an Kid: "Hättest mir ruhig auch einen mitnehmen können! Vanessa ich warte im Klassenzimmer." Mit diesen Worten ging sie schon voraus und ließ mich mit dem Riesen alleine stehen.
"Die ist heute mal wieder in bester Laune!", meinte Kid grinsend und machte dann eine Kopfbewegung zu meinem Becher, "jetzt trink endlich, ich will mich nicht umsonst beeilt haben, dass er noch warm bleibt!"
Ich nickte und machte einen Schluck, ehe ich meine Tasche nahm und mit Kid ebenfalls Richtung Klassenzimmer schlenderte. Schnell fing er ein Gespräch mit mir an. Es ging wie so oft um Musik.
Es war das Thema, worüber Kid und ich mich üblicherweise unterhielten. Man kann sagen, wir teilten diese Leidenschaft und ich denke genau das ist es, was ihn so scharf auf mich macht. Möglicherweise auch mein Kleidungsstil, aber mehr fiel mir nicht dazu ein. Doch so oberflächlich und gerade aus er mir gegenüber war, musste ich mich wohl auch nicht weiter mit dem Thema befassen, es war wohl einfach nur sein Schwanz, der Interesse an mir hatte und der Rest war wohl ganz annehmbar.
Im Klassenzimmer angekommen, setzte ich mich auf die mit Bleistift und Markern beschmierte Platte meines Tisches. Perona tippte gerade an einer kilometerlangen Nachricht an Zorro, ich musste schmunzeln als ich dies sah.
Kid fing an zu Pfeifen und setzte sich auf seinen Stuhl. „Da hat wohl jemand den Arsch offen."
Perona hämmerte mit ihren beiden Daumen gegen den Bildschirm ihres Smartphones und murmelte: „Der Idiot kann was erleben, er hat mir gerade für heute Abend abgesagt, weil er mit seinen Freunden trainiert!"
Kid lehnte sich breit grinsend zurück und legte seine Beine auf dem Tisch ab. Als er diese überkreuzt hatte, sprach er: „Wo liegt das Problem? Er hat eben Hobbys, du genauso. Oder würdest du ihn nicht für dein herum getänzle alias Ballett versetzen? Ihr seid da beide gleich, das habe sogar ich schon mitbekommen und ich höre dir beim besten Willen nicht gern zu Prinzessin!"
Leise lachend setzte ich mich nun ebenfalls auf meinen Stuhl. „Wieso lachst du, du willst dem Feuerlöscher doch nicht ernsthaft recht geben oder?", Perona klang, wie so oft, aufgebracht und sah mich wütend an, ihre Finger tippten aber weiterhin blind auf den Bildschirm.
„Ich denke Kid hat Recht mit dem was er sagt. Aber man kann das auch etwas anders ausdrücken: Ihr beide habt eben andere Prioritäten als eure Beziehung. Solange keiner von euch beiden zu kurz kommt, ist doch alles gut. Ihr müsst euch gegenseitig respektierten und solltet euch unterstützen, anstatt euch gegenseitig im Weg zu stehen!"
„Jaja meine Rede!", meinte Kid von der hinteren Reihe und Perona ließ ihre Augen rollen. „Blödmann, das hast du überhaupt nicht gesagt!", sie seufzte und legte schließlich ihr Smartphone zur Seite, ohne die Nachricht abzuschicken, „aber vielleicht habt ihr Recht. Seit wann seid ihr denn einer Meinung?"
Kids hämische Stimme war zu hören: „Sind wir immer! Wir verstehen uns super, nicht wahr Nessi~"
Ich erwiderte nichts mehr, lieber schlürfte ich meinen übrigen Kaffee, der mittlerweile die perfekte Temperatur hatte und der Unterricht begann.
[...]
Spät abends huschte ich von einer Laterne zur nächsten, es regnete und ich war, sagen wir leicht gereizt, aufgrund der Tatsache, dass ich bei diesem Sauwetter noch um 23:00 zur Tankstelle um die Ecke musste, weil mein älterer Bruder ein kleines Arschloch war.
Die Kapuze meines Pullovers zog ich mir hinunter bis zur Nasenspitze, um so wenig Wasser wie möglich abzubekommen, während ich den Einkauf unter meinem Arm hielt. Leider hatte mich der Regen überrascht, sonst hätte ich vorhin an einen Schirm gedacht.
Durch mein minimiertes Sichtfeld sah ich nur mehr meine Füße und den Boden, der sich etwa einen halben Meter davor befand.
Zufolge krachte ich gegen jemanden und sah irritiert nach oben. Ich richtete meinen Blick immer weiter und weiter nach oben, bis ich endlich ein Gesicht erreichte, um mich zu entschuldigen.
„Oh du bist es Vanessa", kam es von dem blonden Mann. Ich kannte ihn, er war ein Freund von Kid, die beiden hingen ständig rum vor und nach der Schule. Es machte den Anschein, als wäre er etwas älter als Kid, ich hatte mich schon gewundert, warum er so jemanden im engen Freundeskreis hatte.
„Hey. Tut mir leid, ich habe dich nicht gesehen", antwortete ich ihm und rettete mich unter die Bushaltestelle, die sich neben uns befand.
Der Blonde fing an zu lachen und meinte: „Das höre ich glaube ich zum ersten Mal in meinem Leben."
Konnte ich mir vorstellen, er war größer als Kid, aber wer weiß, wohin dieser noch wachsen würde...
„Einkäufe zu erledigen um die Zeit?"
„Ja Ace, mein beschissener Bruder, führt sich auf wie eine Schwangere und braucht ständig was zu Fressen", antwortete ich ihm.
Erst jetzt nahm ich wahr, dass Kid sich hinter ihm befand. „Hey Nessi."
„Hallo. Ehm ich muss jetzt weiter, ich bin nass und ich will ins Bett! Man sieht sich morgen!"
Gerade wollte ich meine Füße weiter bewegen, da bäumte sich Kid regelrecht vor mir auf. „Du bist klatschnass."
„Ja deshalb will ich schnell weiter!"
„Wohnst du hier in der Nähe?"
„Ja gleich eine Straße weiter. Was führt euch hier her?", eigentlich interessierte mich das kein Stück, mir war kalt und ich fühlte mich unwohl in meiner Kleidung. Aber höflichkeitshalber wollte ich das Gespräch noch kurz weiter führen.
Der Blonde ergriff das Wort: „Meine Autowerkstatt ist hier auch in der Nähe, Kid hilft mir oft aus."
Überrascht sah ich zu dem Rothaarigen, welcher nur mit neutralem Blick dastand.
„Was ist?"
„Nichts, ich wusste nicht, dass du neben der Schule mehr oder weniger einen Beruf erlernst."
Kid erwiderte erst nichts, es schien, als würde er darüber nachdenken, ob er mir davon erzählen wollte.
Schließlich setzte ich wieder an, um gehen, da fuhr er fort: „Killer hat mich vor drei Jahren bei sich aufgenommen, als sich meine Eltern verpisst haben. Damit ich ihm nicht nur auf der Tasche liege, mache ich mich wenigstens nützlich."
Seine Denkweise brachte mich nun zum lächeln, ich wusste doch, dass er nicht so ein Arsch war, wie er auf den ersten...oder zweiten... und dritten Blick wirkte.
„Cool. Hört sich gut an!", antwortete ich ihm und sein Gesichtsausdruck veränderte sich kurz. „Was auch immer", er verdrehte nun die Augen und zog sich seine, mit Aufnähern bestückte, Lederjacke aus, ehe er sie mir um die Schultern warf.
Ich sackte ein paar Zentimeter zusammen, so schwer war das Ding. Schwer und riesig. Wie Kid selbst.
„Bring sie mir morgen wieder mit und mach sie ja nicht kaputt Nessi!"
Der blonde Mann verabschiedet sich lächelnd und die beiden gingen an mir vorbei. Verwundert folgte mein Blick ihnen noch ein wenig, speziell Kid, ehe ich mir die Jacke fest zusammenzog und damit nach Hause lief.
Dabei dachte ich über den Namen „Killer" nach und wollte gar nicht erst wissen, wieso man ihm diesen reizenden Spitznamen wohl gab.
Ace das faule Stück lag ausgebreitet auf der Couch, er war inzwischen eingepennt. Ich schmiss ihm die Chipstüte und die Schokowaffeln an den Kopf, was ihn allerdings nicht aufweckte und lief die Treppen nach oben in mein Zimmer. Dort legte ich die schwere Lederjacke über meinen Stuhl am Schreibtisch und entledigte mich meiner nassen Sachen. In meinem Pyjama kuschelte ich mich in mein Bett und starrte regelrecht auf die Jacke. Aufnäher von Bands schmückten sie an allen Seiten, Nieten und kurze Metallketten hingen an den Ärmeln und am Kragen, Schriftzüge waren zu erkennen. Die Jacke war wild, wie Kids Kleidungsstil allgemein und seine Person selbst.
Er redete so großartig, dass er nur in mein Höschen wollte und dann gibt er mir seine Jacke, damit mir nicht kalt ist? Was für ein Idiot!
Schmunzelnd schlief ich bald ein. Morgen sollte ich mich bei ihm bedanken.
[...]
Zur Abwechslung war ich es heute, die bei Kids Spind stand und darauf wartete, ihn morgens zu begrüßen. Er trottete mit Heat, einem weiteren Klassenkameraden zu mir.
„Wie ich sehe hast du brav darauf aufgepasst. Hast du verliebt daran geschnüffelt beim Einschlafen?", Kids breites Grinsen und seine tiefe Morgenstimme war wie immer charakteristisch für ihn.
„Ich habe mir beim Scheißen den Arsch damit abgewischt!", antwortete ich ihm und Heat fing an zu lachen, und sagte: „Damit wäre deine Lederjacke schon näher an ihrem Hintern gewesen als du Kid!"
Titelbild: https://i.pinimg.com/564x/c3/98/ed/c398ed79348d8cbd26a655819b187968.jpg
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