Der große Kampf
Wie besprochen tauche ich auf der Party in meinem zweitbesten Hemd auf. Meine Cousins freuen sich über meinen Besuch und schieben mir gleich ein Mädchen hin, welches mit glasigen Augen in die Umgebung starrt. An ihrem Handgelenk zeigen sich bereits Bissspuren - zwei rote auffällige Punkte auf ihrer makellos weißen Haut. Dennoch nicht so makellos wie die von... Mit einem Kopfschütteln verwerfe ich den Gedanken an das Mädchen in meinem Kopf.
So eine Art von Party also. Ich schiebe das Mädchen durch den Flur in das Wohnzimmer. Der Geruch von Blut steigt mir entgegen. Auf dem Sofa sitzt einer unserer Vampire und hat den Kopf in einem Hals vergraben. Sein Schmatzen ist trotz der Musik durch den ganzen Raum zu hören.
Mein vampirischer Instinkt lässt jegliches schlechtes Gewissen, welches ich in den letzten Tagen entwickelt habe, verschwinden. Nicht mal der Gedanke an sie wird mich jetzt davon abbringen ein richtig Vampir zu sein. Der, der ich sein sollte. Oder doch ?
Wo war Alex nur? Er hat doch den Plan gehabt. Mein Smartphone klingelt in der Hosentasche und deutet auf eine Nachricht hin. Schnell linse ich auf den Bildschirm. Alex verspätet sich. Na gut. Dann heißt es jetzt wohl den Befehl unserer Mutter zu befolgen und ein richtig Vampir zu sein.
Das Mädchen steht immer noch regungslos neben mir und ich schiebe sie weiter auf eine Ecke zu in der ich in Ruhe ihr Blut verspeisen kann. Mit meinem Oberkörper drücke ich sie gegen die Wand und führe meinen Kopf zu ihrem Ohr.
„Hab keine Angst", raune ich an ihr Ohrläppchen, bevor mein Atem ihrer Halsschlagader folgt. Ich schließe die Augen und werde von dem Anblick von Grace überrumpelt. Sie taucht sofort vor meinem inneren Auge auf. Die unschuldige Grace, die noch nicht wusste, was ich bin. Dann die Grace, die mich hasserfüllt angesehen hat. Ich knurre und klopfe gegen die Wand. Verschwinde aus meinem Kopf, kleine Grace! Lass mich doch einfach ein Vampir sein, damit ich dich weiter beschützen kann. Damit dir nichts zustößt. Ich schupse das Mädchen von mir. Sie stolpert mit glasigem Blick davon. Ein anderer Vampir greift sie am Handgelenk und hält dann plötzlich inne. Auf seinen Lippen bildet sich ein hämisches Grinsen, als sein Blick zum Eingang fällt.
Plötzlich herrscht Unruhe im Flur. Ein Vampir fliegt durch die Luft und kracht gegen das Sofa. Die beiden, die darauf sitzen, werden davon geschleudert und beide Vampire springen sofort auf. Fauchen entweicht aus ihren Kehlen, nicht aus Angst, eher wie eine Kampfansage. Zwei Halbstarke stehen im Wohnzimmereingang. Jeder von ihnen hat einen Pflock in der Hand - eine für uns tödliche Waffe, wenn man die einzusetzen weiß.
Das war also der Plan von Alex. Er hat die Hunter hier her geholt. Und diese wissen ihre Waffen einzusetzen.
„Lasst die Menschen gehen", knurrt der eine Hunter und umgreift fest den Holzpflock.
Lachen schallt durch den Raum und ich lasse meinen Blick durch die Menge meiner Leute wandern. Sie wirken nicht überrascht. Eher als wäre das wirklich alles geplant gewesen.
Auf wessen Seite steht Alex? Soll das eine Falle oder ein Versuch der Rettung sein?
Ich haste an den beiden Huntern vorbei. Im Flur stehen sich bereits Vampir gegen Mann entgegen und bekämpfen sich in einer Geschwindigkeit, die für normal nicht existiert. Mit einem Jauchzen rammt ein Vampir seine Zähne in den Hals eines Jägers. Sein Brüllen ist so laut, dass es doppelt in meinen Ohr widerhallt. Fassungslos stehe ich im Türrahmen und sehe Scott aus dem Augenwinkel mit einem Wurfstern auf den Vampiren feuern. Er wird von der Seite angerempelt und von den Füßen gerissen, doch in seinem Mund steckt ein Stück Fleisch von dem Hals des Jägers.
Jesper springt von der Treppe, die nach oben führt, auf den Vampiren und rammt ihm ohne zu zögern einen silbernen Pflock von hinten zwischen die Rippen. Mit einem erstickten Fauchen, erschlafft der vampirische Körper. Weitere Hunter stürmen das Haus und bringen die menschlichen Gäste in Sicherheit. Sie beschützen sie mit ihrem Leben. Doch das Haus wimmelte nur so von Vampire und die Dunkelheit ist auf der Seite unserer Rasse. Sie nährt unseren Körper. Die Aufregung löst Adrenalin und Endorphine in mir aus.
„Adam! Beweg dich verdammte scheiße, hilf uns!", höre ich meinen Cousin fauchen. Er schlägt einem Hunter mit der Faust ins Gesicht, packt ihn am Kragen und zieht ihn zu seinen Zähnen hin. In wenigen Sekunden hat er seine Zähne im Nacken des Jägers vergraben. Blut ist über den gesamten Boden verteilt. Weitere Hunter fallen den Vampiren zum Opfer, verlieren nur durch einen Biss ihr Leben. Und dann ist mein Cousin verschwunden. Ich gehe in Kampfstellung, bereit das Richtige zu tun. Doch was war das Richtige? Die Kämpfe um mich herum sind ohrenbetäubend. Meine Gedanken können nur einen klaren Gedanken fassen. Was würde Grace von mir erwarten?
Scott steht plötzlich vor mir. Sein Brustkorb hebt und senkt sich. In der einen Hand hält er einen Dolch und in der anderen einen Pflock. Ich sehe den Mut und den Ehrgeiz in seinen Augen. Natürlich ist er der Anführer dieser Gruppe von Huntern. Er hat sie in den Tod geführt und er wird sie zum Sieg oder zum Verlieren führen.
„Endlich ist der Moment gekommen, Cooper", knurrt er zwischen seinen Zähnen hervor. Sein Haar ist blutverschmiert und die Wut ihm ins geschrieben. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Vampiren auf ihn zuspringen.
Auf welcher Seite stehe ich?
Meine Hand greift ohne zu zögern nach einer Kehle. Mit geweiteten Augen sieht er mich an. Ich sehe ihn an, greife nach den Haaren des Vampiren und ziehe mit einem Ruck daran. Scott und mein Blick lösen sich nicht voneinander, als der Kopf sich von den Schultern des Vampirkörpers löst. Doch dem jungen Anführer bleibt keine Zeit zu verstehen, dass ich mich gerade auf ihre Seite gestellt habe. Rücken an Rücken stehen wir im Hausflur und eliminieren alles, was sich uns entgegenstellt. Ich verteidige mich vor den Vampiren, die mich als Bedrohung sehen. Ramme ihnen meine Zähne in den Hals und werde mit Blut bespritzt. Scott schlägt präzise und schnell. Ihm fallen fast genau so viele Vampire zumOpfer, wie meiner Hand und meinen Zähnen. Wir kämpfen dem Sieh nahe, bis ich einen erschrockenen, weiblichen Schrei nach Hilfe wahrnehme.
Scott scheint nichts gehört zu haben,aber ich packe ihn am Handgelenk und ziehe ihn nach draußen.
"Ist Grace hier?", bringe ich hervor und wir rennen nach draußen. Jesper sieht uns keuchend nach. Ich konnte sehen, dass seine Kraft am Ende war.
„Ja", ruft Scott über den Lärm hinweg und folgt mir.
„Zieht euch zurück, Scott. Das hat keinen Sinn. Sie werden immer mehr." Ich deute auf den Waldrand aus dem gelassen einige weitere Vampir spaziert kommen.
„Woher kommen die alle?" Scott sieht mich perplex an und winkt Jesper zu.
„Jesper, wir hauen ab!"
„Das war alles geplant", raune ich eher zu mir selbst. Von wo kam der Schrei? Wo ist sie? Meine Gedanken kreisen umher und ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.
„Wo ist Grace?" Die Stimme von Scott hallt zu mir durch, während ich die Umgebung absuche. Ich nehme ihren schnellen Herzschlag wahr, der hinter dem Haus verschwindet.
„Komm!" Ich versuche nicht zu schnell zu rennen, aber das bloße Gefühl, dass ihr Leben auf dem Spiel steht, stärkt meine Vampirinstinkte. Wir laufen an Annabelle vorbei, die auf dem Boden kniet und weint. Und dann sehe ich sie. Einer meiner Cousins, Nicolas, hat einen Arm um ihren Hals gelegt und grinst mich mit seinen frechen Vampirzähnen an. Neben ihm steht sein Bruder Leonard und hält Alex an seinen Haaren fest.
„Die Verräter-Brüder und ihre kleine Schlampe", säuselt Nicolas und zieht den Kopf von Grace etwas näher an sich.
„Oh dieses Blut...", flüstert er und grinst hämisch.
„Fass sie an und ich reiße dir jeden deiner Zähne einzeln heraus und danach werde ich dich töten", knurrt Scott und geht einen bedrohlichen Schritt auf die beiden Vampire zu.
Der Kopf von Grace geht noch einen Ruck weiter nach hinten und sie schluchzt auf.
„Scott, lass es", wimmert sie.
„Ihr wollt doch sicher nicht, dass ihr etwas zustößt nicht wahr?", fragt Leonard unschuldig und tätschelt Alex die Wange.
Ich sehe zwischen den beiden hin und her, wie sie die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben festhalten.
„Lasst Grace und Alex gehen und wir klären das wie richtige Männer", versuche ich die beiden aus ihrer Fassung zu locken. Leonard lacht laut auf und gibt meinem Zwillingsbruder einen Kuss auf die Wange.
„Tut mir leid, Adam. Aber von euch allen ist das Schicksal durch euren Verrat bereits besiegelt." Seine Worte ergeben keinen Sinn. Welches Schicksal? Doch ehe ich fragen oder gar protestierten kann, sehe ich wie der Kopf meines Bruders sich langsam von seinen Schultern löst. Leonard hält seinen Kopf in der Hand und lässt den Körper meines Bruders auf den Boden fallen. Ich keuche auf und sehe in meine Augen - auf mein totes Gesicht.
„Alex", bringe ich hervor. Und dann dringt ihr Schluchzen zu mir durch.
„Nein!", schreit Grace. Ihr bitterliches Weinen ist das letzte was ich höre, bevor sie vor meinen Augen verschwindet. Nicolas hat den Moment genutzt und ist mit ihr verschwunden. Ich schaffe nicht ihr hinter her zu rennen. Der Kopf meines Bruders liegt wie eine Schranke vor meinen Füßen.
„Grace!", schreit Scott und wirft einen Wurfstern nach Leonard, der in der Ferne verschwindet.
Sie haben mir alles genommen. Wie angewurzelt stehe ich auf einem Fleck, höre das erste Mal in meinem Leben mein eigenes vampirisches Herz gegen meine Brust trommeln. Die Augen meines Bruders sehen mich ausdruckslos an. Keine Wärme mehr in dem guten Vampiren von uns. Ich schlucke und versuche die Taubheit von meinem Körper abzuschütteln.
„Adam", murmelt Scott und tritt vor mich.
Ich schupse ihn von mir. Nicht aus Wut gegen ihn, eher gegen mich selber, gegen meine Rasse und aus Trauer alles verloren zu haben.
Scott tritt wieder an mich heran und tut etwas mit dem ich nie in meinem langen Leben jemals gerechnet habe. Er zieht mich an sich und umarmt mich. Diese kleine Umarmung, eine Geste, die sonst nie jemand mir gegenüber gezeigt hat, weckt die Hoffnung in mir.
Ich löse mich von Scott und lege ihm eine Hand auf die Schulter.
„Wir werden Grace finden und uns an der Rebellion rächen. Das schwöre ich auf mein Vampirdasein. Scott, ich werde euch helfen."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro