Kapitel 8
Malia
Es hatte total gutgetan, Joris alles über meine nächtliche Begegnung mit den Moiren zu erzählen. Fast alles jedenfalls.
Dass sie meinen Lebensfaden besaßen, hatte ich ihm bewusst verschwiegen.
Schließlich hätte ihn dieser Fakt nur unnötig aufgeregt, und er wäre schnurstracks zu ihnen marschiert, um mein Leben zu retten, indem er seines beendete.
Ich kannte ihn zwar noch nicht lange, aber dass er der selbstloseste Mensch, oder eher gesagt, Dämon, der Welt war, hatte ich nach diesem ersten Monat in unserer gemeinsamen WG erkannt.
Er brachte mir mindestens einmal pro Tag selbstgekochtes Essen ins Zimmer, hatte einen riesigen Vorrat an unterschiedlichen Teesorten für mich besorgt, obwohl er selbst nur Kaffee trank, und putzte freiwillig die ganze Wohnung, inklusive meines Badezimmers.
Um nur diese drei Dinge als Beispiele zu nennen.
Das Einzige, was mich störte, war, dass dieser Bastard bereits gewusst hatte, dass ich eine Hexe war. Natürlich hatte er das, so im Nachhinein betrachtet waren die Anzeichen auch ziemlich klar zu deuten gewesen.
Doch die Tatsache, dass er mir trotzdem nichts von seiner wahren Identität erzählt hatte, hatte mich zuerst wirklich wütend gemacht.
Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, nicht nur wütend.
Unter der Wut lauerte Enttäuschung, weil ich ihn nicht als jemanden eingeschätzt hätte, der solche Geheimnisse hatte – vor allem nicht vor jemandem, der ein ähnliches Schicksal teilte wie er.
Wir zwei waren fast auf derselben Stufe im System, ich nur eine höher als er, aber das musste er ja nicht wissen.
Hexen meiner Blutlinie waren besonders, und ich wollte nicht, dass er deswegen anfing, mich anders zu behandeln, als er es gerade tat.
»Also«, durchbrach ich schließlich das Schweigen, das die letzten Minuten über uns gelegen hatte, »Was denkst du?«
Ich betrachtete ihn, während ich auf eine Antwort wartete. Es dauerte nicht lange, bis er die Augen aufschlug, deren Dunkelheit mich immer wieder aufs Neue überraschte, und begann, seine Gedanken in Worte zu fassen.
»Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, weil ich davon ausgehe, dass du nicht vorhast, mich umzubringen. Sonst wärst du jetzt nicht hier.«
Ich nickte zustimmend, gespannt, ob Joris dasselbe im Kopf hatte, wie ich.
Nachdem er meine Zustimmung abgewartet hatte, fuhr er fort: »Wir müssen die Moiren umbringen. Anders werden sie es nicht gut sein lassen können.«
Zischend stieß ich die Luft aus, bewunderte ihn dafür, dass er die Worte laut aussprechen konnte.
»Tatsächlich bin ich zu demselben Schluss gekommen. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen. Sie entscheiden seit über 2000 Jahren über die Schicksale aller Menschen. Und, wer soll ihre Aufgabe übernehmen, wenn sie tot sind?«
Joris schmunzelte.
»Eins nach dem anderen. Wenigstens sind wir uns darüber einig, wie wir vorgehen wollen. Nur – vielleicht sollten wir das nicht hier besprechen. Die Gefahr besteht, dass sie zuhören.«
Frustriert stützte ich meinen Kopf in die Hände.
»Scheiße, daran habe ich nicht gedacht«, stieß ich gedämpft hervor.
Doch wo sollten wir hingehen?
Es gab nur zwei Orte, wo die Moiren uns nicht belauschen konnten. Entweder das Anwesen meiner Familie, dass ich nie wieder betreten würde. Nicht mal nach meinem Tod sollte mein Körper dorthin zurückkehren, dafür hatte ich gesorgt.
Oder aber die Hölle.
Die Hölle.
Ich hob den Blick, lächelte, als ich Joris erwartungsvollen Blick sah. Er hatte nur darauf gewartet, dass ich auf die Lösung dieses Problems kam.
»Du willst – du willst mich mit in die Hölle nehmen?«, fragte ich zweifelnd. »Ich dachte, Hexen haben keinen Zutritt?«
Außer meine Blutlinie natürlich. Aber es war etwas zu spät, damit herauszurücken.
Kurz huschten Schatten durch Joris Augen, doch ich konnte nicht genau beurteilen, was genau es war.
»Wie gut, dass ich einen guten Draht zum Teufel habe«, sagte er grinsend und stand von seinem Bett auf, um sich kurz zu strecken.
Dabei rutschte sein Shirt ein Stück hoch und entblößte einen Streifen Haut über seiner Jogginghose. Schnell wandte ich den Blick ab, schaute aus dem Fenster, auf bewölkten Himmel, und die Skyline meiner Lieblingsstadt.
Schritte kamen in meine Richtung, und ich drehte meinen Kopf wieder, um zu beobachten, was Joris jetzt tat.
Er erreichte seinen Schrank legte seine Hand auf das Holz.
»Jetzt willst du dich umziehen? Ist dir das nicht fein genug für den Untergrund«, spöttelte ich und nickte zu seinem Outfit.
Er schmunzelte leicht.
»Gute Idee. Aber eigentlich dachte ich, wir legen gleich los.«
Mit diesen Worten stieß er die Schranktüren auf und mein Mund klappte vor Erstaunen auf.
»Was – Was zur Hölle?«
Natürlich, dort waren Klamotten, wie ich es erwartet habe.
Doch dahinter – ein dunkles Treppenhaus, Stufen aus schwarzem Obsidian.
»Nicht dein Ernst, oder?«, lachte ich auf. »Das Tor zur Hölle befindet sich in deinem Schrank? Wow. Dein Draht zum Teufel muss ja wirklich extrem gut sein.«
Sein Lächeln verblasste bei meinen Worten, und er nickte nur, und holte im selben Zuge einen schwarzen Anzug raus.
»Du solltest dich auch umziehen. Ich habe zwar nicht vor, jemandem über den Weg zu laufen, aber sicherheitshalber.«
Ich nickte, stand widerwillig von seinem bequemen Schreibtischstuhl auf und ging zur Tür. Als ich schon halb auf dem Gang war, drehte ich mich noch einmal um.
»Was hättest du eigentlich getan, wenn ich das gefunden hätte?«, wollte ich von ihm wissen, und nickte zur Treppe.
Ein gewisser Unterton schwang in meiner Stimme mit, und wir wussten beide, dass ich auf die Lüge über seine Identität anspielte.
»Was wohl? Ich hätte dir die Wahrheit erzählt. Ich hasse es, dich anzulügen, Malia.«
Ich weiß nicht, was dieser Mann mit mir anstellte. Aber ich nickte nur einmal, und verließ das Zimmer.
Sein Zimmer.
Irgendwie glaubte ich ihm.
Und, tat ich nicht gerade dasselbe?
Log ich nicht über meine Identität, indem ich ihm nicht verriet, dass ich der Eternal Bloodline angehörte?
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