Kapitel 46 - Mittwoch, 24.8. (*2*)
Sina hatte den Blödsinn zutiefst genossen! Sie war wirklich eine gute Schauspielerin, das wusste sie. In der Schule hatte sie immer die Hauptrollen in der Theatergruppe bekommen. Das hatte sie sehr vermisst, als sie vom Gymnasium abging! Und dass Tom so mitgemacht hatte, war das Tollste, und dass er nicht sauer war, das Allertollste!
„Na, so makellos wird dein Ruf auch vorher nicht gewesen sein, oder?" stellte sie fest, als sie wieder zu Atem gekommen waren.
Er grinste sie an. „Alles musst du auch nicht wissen!"
„Interessiert mich eh nur peripher!" Sie tat sehr uninteressiert. „Aber so als Bergretter hat man bestimmt nicht die größten Probleme, eine Frau anzumachen!"
Sein Grinsen vertiefte sich. „Kann schon sein!"
„Aber damit ist jetzt Schluss, Loverboy! Das sage ich dir! Heute hast du die letzte Frau aufgerissen!"
Er lachte wieder los. „Ich? Ich habe gar nichts gemacht! Du hast mich angebaggert!"
„Ah! Stimmt ja!" Sie schmiegte sich an ihn. „Aber bei so einem knackigen Kerl konnte ich nicht widerstehen!" flüsterte sie.
Seltsamer Weise erregte sie dieses Geplänkel, gerade so, als hätte sie sich heute wirklich diesen tollen Typen geangelt!
Komisch, wie mich das Spiel erregt! dachte er. Als ob sie mich da wirklich angemacht hätte.
„Du, Mädchen? Das macht mich ganz schön heiß, dein kleines Theaterstück!" presste er hervor. „Mich auch, das darfst du annehmen!" Sie lächelte ihn verschwörerisch an. „Aber so ist es nun mal beim Anbaggern! Das ist ja der Sinn der Sache, oder? Du weißt ja, ich....!"
„Kenne mich da nicht aus! Ja, ja! Oh! Oh! Und ich habe das auch noch geglaubt!" Er lachte leise vor sich hin.
Dann legte er den Arm um sie. „Komm jetzt, Süße! Ich möchte noch etwas besorgen!" Er fühlte eine solche Zärtlichkeit zu diesem süßen Ding in sich, dass ihm fast die Tränen in die Augen stiegen.
Vor einem Juwelierladen hielt er an, sah interessiert ins Schaufenster, fand was er suchte.
Er drehte Sina zu sich herum. „Hör zu, Süße! Wir werden nicht heiraten,
und wir werden uns nicht verloben, okay? Aber wir werden uns immer lieben, ja? Deshalb möchte ich, dass wir heute Liebesringe kaufen und tragen. Wäre das für dich in Ordnung?"
Sie fiel ihm um den Hals. Was für eine schöne Idee! Was für ein Mann!
„Ja! Natürlich, Supertom! Das wäre wunderbar!"
„Also, Mäuschen, dann schaun wir mal!" Sie betraten das vornehme Geschäft.
„Wir hätten uns gerne Liebesringe angesehen!" sagte er selbstbewusst zu der hochnäsigen Verkäuferin.
„Sie meinen Freundschaftsringe?" fragte die schnippisch und führte sie zu einer Auswahl von billigen Silberringen.
Tom krauste die Stirne. „Nein, ich dachte schon an etwas Besseres!" Jetzt beschloss er, auch ein wenig zu improvisieren. „Die Biene da hat mich gerade aufgegabelt, will aber nur ins Bett mit mir, wenn ich ordentliche Ringe springen lasse!"
Sina wäre fast im Boden versunken, musste aber auch grinsen.
Aber Tom riss sich zusammen, der Ringkauf sollte nun nicht zum Slapstick werden, es war ihm sehr ernst damit. „Nein!" stellte er klar. „Wir suchen schon so was wie Eheringe, mit Vorsteckring und allem!"
Die Verkäuferin war jetzt total verunsichert. Die Bergretter genossen ja in der Alpenstadt schon hohes Ansehen, aber der hübsche Kerl war wohl etwas schräg drauf!
Sie zeigte eine Auswahl von einfachen Modellen. Tom sah auf den Preis, schüttelte mit dem Kopf.
„Also, sorry! Fangen wir noch einmal von vorne an. Diese Schönheit hier ist meine Freundin, die ich sehr liebe. Deshalb möchte ich gemeinsam mit ihr Ringe kaufen, denn heiraten werden wir nicht! Und jetzt zeigen sie uns bitte etwas, das dem Anlass angemessen ist." erklärte er freundlich.
Endlich verstand die Dame. Sie brachte ein Tablett mit wirklich schönen Ringen.
„Na also!" lobte Tom. Sina kämpfte während der ganzen Szene gegen einen Lachanfall.
Unterschätzt nicht Tom Bergmann! dachte sie.
Sie probierten ein paar Ringe an, entschieden sich für relativ breite einfache Weißgoldreifen und einem passenden Vorsteckring für Sina.
„Wunderschön!" stellte Tom fest, wobei er aber mehr Sina als die Ringe ansah.
„Stimmt!" stellte sie fest, wobei sie aber mehr Tom ansah als die Ringe.
„Aber die Ringe sind auch schön!" meinte er und küsste sie.
In diesem Moment kam eine Kundin in den Laden, die auch im Drogeriemarkt gewesen war, und Sinas Auftritt mitbekommen hat.
„Na, das ging ja schnell!" konnte sie sich nicht verbeißen, als sie sah, was die beiden gekauft haben.
„Wenn mir ein Mädel gefällt, fackle ich nicht lange!" erklärte Tom und nahm Sina verliebt in den Arm. „Und was sind schon ein paar Ringe für eine Nacht mit so einer heißen Braut!"
Doch dann dachte er, er sollte vielleicht das Ansehen seines Berufsstandes nicht zu sehr beschädigen und das Missverständnis aufklären.
Er nahm die Dame in den Arm. „Sorry, Gnädigste!" sagte er mit seinem gekonntesten Augenaufschlag. „Das war alles nur Show! Wir beide sind ein festes Paar, sind schon lange zusammen!"
Die Frau war erleichtert, dass der hübsche, tüchtige Kerl doch kein solcher Filou war.
„Und Sina hat Kevin aus dem Felsspalt herausgeholt, weil ich nicht durchgepasst habe, und dann musste sie drei Stunden auf dem Berg im Schneesturm auf mich warten!"
Die Dame nahm sie in den Arm. „Tapferes Mädchen!" sagte sie. „Aber auch böses Mädchen! Wir haben uns jetzt eine halbe Stunde den Mund zerrissen über die blöden Touristenweiber, die sich unsere Bergretter krallen." Alle vier lachten Tränen. „Jetzt kann ich wieder zurückhatschen und alles richtig stellen!"
„Entschuldigen Sie bitte!" Sina tat sehr geknickt. „Aber manchmal gehen mir die Gäule durch! Vor allem, wenn ich sehr glücklich bin!"
„Na, das ist wohl das Recht der Jugend! Aber Sie waren sehr überzeugend!" Sie lachte wieder, als sie sich an Sinas Auftritt erinnerte. „Passen Sie auf, junger Mann!" warnte sie Tom. „Die verkauft Ihnen einen Apfel für ein Ei, und Sie werden Zeit ihres Lebens schwören, dass es ein Ei war!"
„Danke für den Tipp!" Er küsste die Ältere auf die Wange.
„So jetzt gehe ich zu meinem Georg nach Hause und erzähle ihm, dass mich heute ein knackiger Kerl geküsst hat!"
Als die Frau den Laden verlassen hatte, bezahlte Tom mit seiner Kreditkarte die Ringe. Da kam ihm plötzlich ein blöder Gedanke.
„Die lassen wir gleich an, oder Süße?" fragte er und ging schnell mit ihr hinaus.
Verdammt, warum hatte er da nicht früher drangedacht! Er hätte das vorher klären sollen!
Er ging um eine Ecke mit ihr, hielt sie fest. „Du Sina, wegen des Geldes für deinen Ring...!"
„Willst du mich jetzt beleidigen? Geht das jetzt schon wieder los, ein paar Tage nach der Auseinandersetzung, dem großen Versprechen?" fuhr sie ihn an.
„Nein! Ja! Nein! Das hat jetzt nur indirekt damit zu tun! Aber ich will nicht, dass du glaubst, dass ich großspurig einen Diamantring für dich kaufe von deinem Geld!" versuchte er zu erklären.
„Und dieses Theater willst du jetzt bei jedem Geschenk aufführen, das du für mich kaufst?"
„Nein! Ich mache doch kein Theater! Ich wollte dir nur erklären, dass ich noch ziemlich viel Geld auf dem Konto hatte und wirklich einen dicken Batzen an Urlaubsentgeld bekomme!"
„Und das hältst du für nötig mir zu erklären? Und du glaubst, damit beleidigst du mich nicht?"
„Sina! Bitte! Es ist etwas anderes, ob wir Lebensmittel einkaufen oder einen Ring für dich!" Er zeichnete mit der Schuhspitze Kreise in den Straßenstaub, sah sie bittend an.
„Ich habe immer gedacht, Dackel haben braune Augen, aber deinem Blick nach habe ich mir einen mit grünen eingefangen!" Ein Lächeln stahl sich in ihre Augen.
Er hatte ja Recht! Sie musste sich nur dir Situation umgekehrt vorstellen, er hätte das Geld und sie würde einen Ring für tausende von Euro für ihn kaufen, weil sie wusste, dass sie noch so viel auf dem Konto hatte!
Und so ein Ring war ja eine einmalige Sache!
Er sah das Lächeln aufblitzen, hoffte auf Absolution, fasste vorsichtig mit einer Hand nach ihrem Gesicht.
„Sei nicht so streng mit dem armen, verliebten Tom!" bat er und sein Dackelblick intensivierte sich. Jetzt wusste sie auch, wie er die Damenwelt rumgekriegt hatte! Auch sie schmolz unter dem Blick aus den grünen Augen dahin!
„Also gut! Dann sage ich: Danke, armer, verliebter Tom für den wunderschönen Ring!" Er küsste sie erleichtert. Sie hob die Hand, es sah gut aus, so fest nach Paar, er legte seine Hand auf ihre, die Ringe berührten sich.
„Für immer!" versprach er.
„Ja, für immer!" bestätigte Sina, und ein paar Tränen rollten über ihre Wangen.
„Das ist jetzt hier zwar nicht der romantischste Ort, aber versprochen haben wir es uns ja gestern auf dem Kanter-Gipfel, nicht wahr?" fragte er und küsste ihre Tränen weg. „Glückstränen schmecken gut! Böser-Tom-Tränen nicht!" scherzte er.
Sina musste lachen. „Du bist echt ein Kasper! Ein Kasper mit Dackelblick!"
Er drehte sich mit ihr im Kreis. „Und ich bin der glücklichste Kasper der Welt! Der verliebteste Kasper der Welt!" Sie tanzten zu einem Taxistand, ließen sich zum Krankenhaus bringen.
Peter Wagner freute sich sehr über ihren Besuch, Kevin noch mehr.
„Ah, die nette Sina besucht mich!" Er strahlte sie glücklich an. Sie nahm ihn in den Arm. Er war trotz seiner sprachlichen und körperlichen Verwahrlosung wohl ein kluges Kerlchen. Das hatte sie schon vorher gedacht, sie hatte schließlich mit ihm gesprochen wie mit einem viel älteren Kind.
Er schmiegte sich in ihre Arme, war offensichtlich ausgehungert nach Zärtlichkeiten.
„Meine Mutter hat ihr Kind bekommen! Der Dieter hat gesagt, ich kann erst einmal hier bleiben. In der Wohnung ist jetzt kein Platz mehr für mich!"
Mein Gott, wie kann man das zu einem Vierjährigen sagen?
„Und, möchtest du denn hierbleiben?"
„Logo! Hier bei Papa und Gabi ist es voll cool!" Er stockte. „Darf man das so sagen?"
Sina tat, als würde sie überlegen. „Ja! Doch! Das kann ich durchgehen lassen!"
Peter Wagner beobachtete, wie Sina mit dem Jungen umging. „Habt ihr Kinder?" fragte er Tom.
„Nein! Wir kennen uns erst vier Wochen! So schnell sind nicht einmal wir!" gab der lachend zur Antwort.
„Sie wäre eine gute Mutter, denke ich!" meinte der Bürgermeister.
„Das habe ich ihr gestern auch klargemacht!" Tom war gar nicht verlegen über das Thema.
Peter Wagner wechselte das Thema. „Hast du meinen Scheck bekommen?"
„Ja! Ich spende das Geld dem Verein, den ich vor Jahren gegründet habe. Der kümmert sich um Drogenprävention bei Jugendlichen."
Diese Antwort beschämte Peter. „Ich wollte dich nicht beleidigen!"
„Nein, beleidigt war ich nicht, waren wir nicht, vielmehr gesagt! Vielleicht etwas unangenehm berührt!"
Sina trat an das Bett des Bürgermeisters. „Kann ich sonst irgendetwas für euch tun?" fragte der. Er wollte sich doch unbedingt erkenntlich zeigen!
„Ja!" sagte sie. „Liebe deinen Sohn! Schau, dass er Gewicht verliert! Fördere ihn, er ist ein schlaues Kerlchen! Ich schau ab und zu vorbei und kontrolliere, ob es ihm gut geht!" Sie lächelte ihn an.
Tom nahm seine Süße in den Arm. Ja, sie würde die beste Mutter sein auf der ganzen Welt.
Sie nahmen ein Taxi zurück zum Stützpunkt. Tom hatte sich erinnert, dass die Wagen vor dem Krankenhaus standen. Gestern war in seinem Kopf zu viel Watte gewesen.
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