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Und nun?, dachte Samantha. Plötzlich tippte ihr Nedeljko an die Schulter und nickte in Richtung Innenstadt. "Wir müssen zur Lateinerbrücke", erklärte er ihr.
Sie gingen zusammen los. "Und warum haben Sie sich eigentlich dazu entschlossen?", fragte Samantha interessiert. Nedeljko blickte sich um. Es war zwar schon recht viel los auf der Straße - immerhin wurde ja der österreichische Thronfolger erwartet - aber keiner der Passanten schien sich für die zwei jungen Leute zu interessieren.
"Naja, es ist schon so, dass der Kaiser von Österreich-Ungarn uns ziemlich unterdrückt. Wir sind Slawen. Und der Kaiser sitzt in Wien und hat keinen blassen Schimmer, was für uns wichtig ist!"
"Und kann man das Problem nicht irgendwie anders lösen? Mit einem Parlament, wo dann vielleicht Vertreter aus den einzelnen Regionen sitzen oder so?", fragte Samantha.
"Ein Parlament? Wo kommen Sie denn her? Wir sind doch nicht in England!", rief Nedeljko bestürzt. "Was wir brauchen, ist ein vereintes südslawischen Reich - ein Jugoslawien!"
"So, so.", nickte Samantha bedächtig und hoffte, dass sie sich alle Einzelheiten für den potentiellen Geschichtsvortrag merken könne.
"Und wie ist das Leben in der Zukunft?", fragte Nedeljko vorsichtig. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich die Wahrheit wissen wollte. Deshalb war er froh, als Samantha kurz angebunden und trocken antwortete: "Ganz anders. Sie können sich das gar nicht vorstellen! Es gibt Dinge, wovon keiner je gewagt hätte zu träumen."
Sie kamen zur Lateinerbrücke. Rechts und links am Brückengeländer standen viele Schaulustige. Nedeljko und Samantha stellten sich auf der rechten Straßenseite auf. "Ich finde Ihr Kleid sehr schön", Nedeljko lächelte Samantha an. "Öhm, ja, mir gefällt es auch. Danke. Aber darauf hatte ich keinen Einfluss. Normalerweise trage ich so etwas nicht", antwortete Samantha schüchtern.
"Ach nein? Was trägt man denn so in der Zukunft?"
"Naja, also letztes Jahr waren vor allem Röhrenjeans mit Sneaker in Mode", erklärte Samantha.
"Röhrendschiens? Was ist das?", fragte Nedeljko verwundert.
"Na, so eng anliegende Hosen."
"Und was tragen die Frauen?"
"Na eben diese Hosen."
"Wirklich? Ich finde ja, dass Frauen Kleider viel besser stehen. Wie Ihnen zum Beispiel." Nedeljko lächelte ihr zu und Samantha wurde ein wenig rot.
Da hörten sie auf einmal Motorengeräusche und schauten nach links. Nedeljko spannte sich an. Er steckte seine rechte Hand in die Jackentasche. Scheinbar hatte er dort seine Waffe vor den neugierigen Blicken der Anderen (und auch vor Samantha) versteckt.
"Warum unternimmt Trifko nichts?", murmelte Nedeljko und blickte angestrengt nach vorne, wo die ersten Wagen zu sehen waren. "Warum macht er nichts? Was ist los?" Nedeljko verlagerte nervös sein Gewicht von dem einen Bein auf das andere. Er schaute hilfesuchend zu Samantha. Da sie aber selber nicht wusste, was jetzt getan werden sollte, zuckte sie mit den Achseln.
Ein kleiner Windstoß kam auf und verrutschte ihren Hut, so dass sie schnell nach ihm greifen musste, damit er nicht davongeweht würde.
Als Nedeljko sich wieder der Straße zuwandte, war gerade der Wagen des Thronfolgers kurz vor ihm. Da Trifko, einer der Mitattentäter, scheinbar seinen Einsatz verpasst hatte, lag es nun an ihm - Nedeljko - die Sache zu erledigen. Er holte tief Luft und warf mit aller Kraft eine Granate in Richtung Wagen.
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