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Es setzte betretenes Schweigen ein. Samantha fühlte sich auf einmal sehr unwohl und ging zurück zum Canapee und setzte sich darauf.
Gavrilo setzte sich in den Sessel ihr gegenüber und starrte vor sich hin.
Nach einer Weile sagte er: "Sie wollen also aus der Zukunft kommen, ja? So ein Blödsinn. Sie wollen mich bestimmt nur davon abhalten, stimmt's?"
"Hm, naja, vielleicht sollte ich das tun... Aber wenn ich die Vergangenheit verändern würde, könnte es ja passieren, dass ich gar nicht mehr geboren werde... Das wäre ziemlich blöd. Also denke ich, dass sie schon noch ihren Plan in die Tat umsetzen sollten. Ist doch egal, ob tausend Andere letztendlich deshalb sterben", meinte Samantha beherzt.
"Tausend?", fragte Nedeljko ungläubig.
"Vielleicht auch mehr, so weit waren wir noch nicht, dass ich sagen könnte, wie viele letztendlich umkamen. War aber ein ziemlich heftiger Krieg", antwortete Samantha gelassen.
Nedeljko schaute hilfesuchend zu Gavrilo. Der bemerkte den Blick und zuckte mit den Achseln. "Ich weiß auch nicht. Aber ich denke, erstens, sind wir schon zu weit, um jetzt einen Rückzieher zu machen, zweitens, kann das Mädel schlecht beweisen, dass es die Wahrheit sagt, und drittens, verbiete ich je wieder irgendwelche Mädels auf der Straße aufzusammeln und mit nach Hause zu schleppen!"
Nedeljko nickte betrübt.
"Na dann, los!" Samantha hüpfte vergnügt vom Canapee. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, hier zu sein. Irgendwie würde sie schon einen Weg zurück nach Hause finden, und dann wäre ihr dieses Wissen über die Vergangenheit sicherlich von großem Nutzen. Man könnte zum Beispiel einen Kurzvortrag in Geschichte halten und so seine Note verbessern.
"Sie wollen doch nicht etwa mitkommen?", fragte Nedeljko besorgt. Er schaute ihr fest in die Augen. Samantha war überzeugt, nicht klein beizugeben, und erwiderte den Blick. "Doch!"
Gavrilo seufzte. Wieso musste dieser Trottel von Nedeljko so ein Weib und ausgerechnet an diesem Tag mitnehmen?
"Was soll's", erwiderte Gavrilo. "Kommen Sie mit, aber halten Sie sich bitte raus!"
"Jawohl!", freute sich Samantha.
"Verraten Sie uns noch Ihren Namen?", fragte Nedeljko, "Über uns scheinen Sie ja ziemlich gut informiert zu sein..."
"Oh, stimmt! Ich heiße Samantha Lehe."
"Samantha Lehe...", wiederholte Nedeljko nachdenklich.
Die Kuckucksuhr im Zimmer schlug neun Uhr. Gavrilo und Nedeljko schauten sich bedeutsam an. Gavrilo nickte und erhob sich.
Die zwei Jungs und Samantha zogen sich schweigend an und traten auf die Straße.
Der 28. Juni 1914 war ein sonniger und warmer Tag in Sarajewo. Samantha rückte ihren großen Hut zurecht. Sie hatte Gefallen an dieser altertümlichen Mode gefunden.
Gavrilo atmete tief ein und klopfte Nedeljko auf die Schulter. "Auf geht's", sagte er und lief nach links. Nedeljko und Samantha blieben allein an der Eingangstür zurück.
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