Kapitel 15
»Dann sprich mit mir«
»Ich habe unser Kind verloren«
»Nein, Lavinia. Du hast erst zwei gesunde Söhne zur Welt gebracht«
Hielt er mich für geistig labil? Ich konnte mich an alles erinnern, dass geschehen war. Mit meinem Kopf war zumindest in dieser Hinsicht alles in Ordnung. »La Rovere vermutete, dass ich erneut schwanger war« half ich ihm auf die Sprünge, worauf er irritiert die Augenbrauen nach oben zog. Wenn ich da auch noch nachhelfen musste, zweifelte ich nicht länger an meiner Gesundheit, sondern an seiner.
Ich zog seufzend meinen Kopf ein und legte schützend die Hände über meine Brust. »Es tut mir leid« setzte ich hinterher, als er immer noch nichts sagte. Ich wollte ihm nicht weh tun. »Aber Bonnebelle wird ...« - »Hör auf« Mir stiegen Tränen in die Augen und ich drückte mich ein Stück von ihm weg. Paget raufte sich durch die Haare und verließ das Bett. Verzweifelt richtete ich mich so weit auf, wie ich konnte. »Ich hatte wochenlang nichts Anständiges zu Essen und so furchtbare Angst, mein Körper funktionierte einfach nicht« Paget hatte mir den Rücken zugewandt und ich konnte sehen, wie er heftig atmete.
Paget wandte sich zu mir um und da stand dieselbe Traurigkeit in seinem Blick, wie in meinem Herzen. »Worüber wollte der Minister mit dir sprechen?« - »Ich habe ihm nichts verraten, ich schwöre es dir« Paget lächelte mich schlaf an und setzte sich an meine Bettkante. »Das war furchtbar töricht von dir«
***
Als mein Rücken nicht aufhörte zu bluten, gab ich nach, das er nach meinem Hausarzt schickte. »Hast du es dem Arzt gesagt?« fragte Paget. Ich wusste sofort, was er meinte und zuckte zusammen. Schüttelte stumm den Kopf. Mir ging es gut und das Kind in mir war tot und in Malheur zurückgeblieben. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen. Der Schmerz in mir und auf mir erdrückte mich.
Erst die gälischen Flüche meines Arztes holte mich zurück in die Wirklichkeit. Ich wollte mich zu ihm umwandeln, erstarrte aber in der Bewegung. »Könnt Ihr mich hören?« fragte er und ich vernahm seine eiligen Schritte um das Bett. Stumm nickte ich. »Der Großteil der Narben ist aufgeplatzt. Ich weiß, das tut unendlich weh« erklärte er und ich lachte heiser auf. Ja, es brannte wie die Hölle. »Möchtet Ihr, dass ich die Narben zunähe?« ich vernahm Pagets Stimme aus dem Hintergrund, konnte aber nicht mehr genau verstehen, was er sagte. Jedenfalls nickte ich. »Trinkt das. Das wird euch vorläufig betäuben« beruhigte er mich, worauf ich nur klamm nickte. Das Fläschchen an meine Lippen setzte und so viel ich konnte davon runterwürgte. Ich wollte den Schmerz, die Schuld, die Angst nicht mehr fühlen.
***
Als ich aufwachte, war ich alleine. Ich spürte weder meinen Rücken noch meine Beine. Aber mich selbst spürte ich - zumindest meinen Magen. Mir war furchtbar schlecht. »Majestät« la Rovere schmiss die Tür hinter sich zu, eilte an mein Bett heran und strich mir beruhigend über meinen Kopf. Sie missdeutete meine Panik. Wobei ... wäre mir nicht so übel, hätte mich die Einsamkeit sicher gelähmt. Aber in diesem Moment war ich einfach nur dankbar für die Schüssel, die sie mir zuschob und in die ich die mich erbrach.
»Macht Euch keine Sorgen« sie läutete sofort nach einem Dienstmädchen, das wie ein Schatten ins Zimmer huschte und die Schüssel fortbrachte. »Der Arzt warnte uns, dass das die übliche Reaktion auf das Betäubungsmittel sei. Seufzend ließ ich mich zurücksinken. Langsam kehrte das Gefühl für meinen Körper zurück. Aber der übliche Schmerz blieb aus. Ich konnte durchatmen.
Lächelnd griff ich nach der Hand der Gräfin, die zuließ, dass wir unsere Finger miteinander verschränkten. »Ich verdanke Euch alles« - »Aber Majestät« Sie lachte auf und löste sich von mir. Ich konnte nicht begreifen, warum sie meine Dankbarkeit nicht annehmen wollte. Sie steckte ihren Kopf durch die Tür und beorderte Frühstück. »Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen« flüsterte sie und kniete sich neben mein Bett. »Ich wollte Euch helfen, seitdem die Wache Euch aus dem Park geführt hatte, wie eine Gefangene« fuhr sie fort. Mir blieb das Lachen im Hals stecken. Grace und ich waren glücklich. Frei. Mathew hat mir an diesem Tag geschworen, dass er mir niemals weh tun würde. Die Erinnerung brachte mich zum Lächeln.
»Niemand, der ein Herz hat, hätte dabei zugesehen, wie sie Euch misshandeln« beteuerte sie sachte, worauf ich zurückfuhr. Das Wissen, dass man mir Gewalt angetan hatte, war das eine. Es zu spüren brach mich fast in entzwei . Aber es ausgesprochen zu hören, löste eine unglaubliche Scham in mir aus. Ich war eine Erzherzogin, bevor ich abgereist bin und ich wollte es wieder sein. Aber mit einer Misshandlung im Hintergrund wusste ich nicht, ob das klappte.
Princesse Solei schlüpfte durch die Tür und balancierte selbst ein Tablett voll mit Köstlichkeiten in den Raum. Beschämt wandte ich den Blick ab. War sie gestern Nacht hier? Hatte sie gesehen ... aber es war ihr Haus. Zumindest musste ihr Paget am Morgen berichtet haben, was sich zugetragen hat. Aber ihr Lächeln war genauso wie gestern. Noch immer verkrampft, aber mittlerweile schien sie sich daran zu gewöhnen, mich krank in ihrem Haus liegen zu haben. Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln. »Ich lasse Euch alleine« beschloss la Rovere und erhob sich vom Boden. »Ich weiß nicht« stoppte sie Solei und ich fuhr zusammen, »Wollt Ihr, dass ich bleibe?«
Anstelle etwas zu sagen rutschte ich auf Pagets Seite des Bettes und klopfte auf den frei gewordenen Platz neben mir. Solei lachte leise auf, stellte das Tablett neben mich und setzte sich auf der anderen Seite ins Bett. Ich lächelte sie verschwörerisch an, aber die Princesse wich meinem Blick aus. Vorsichtig griff ich nach ihrer Hand, worauf sie zurückzuckte. Obwohl sie sich gerade erst gesetzt hatte, erhob sie sich und wandte mir den Rücken zu. Unsicher starrte ich zur ihr hinüber.
»Ihr habt es gesehen?« riet ich, worauf sie stumm den Kopf schüttelte. Eigentlich war ich die, die schweigen wollte. »Was ist es dann, Hoheit?« fragte ich vorsichtig. Sie war seit Anbeginn meiner Reise an meiner Seite. Ich wollte sie nicht auch noch verlieren. »Ich weiß nicht, was ich sagen kann« gab sie zu und drehte sich zu mir um. Ihre Wangen glänzten feucht und langsam tropften ihre Tränen auf ihr hellblaues Kleid und hinterließen dunkle Tropfen. Ich klopfte erneut auf den Platz neben mir. Sie zögerte.
»Warum wisst Ihr es nicht?« - »Bevor ...« sie brach ab und ihr stiegen erneut Tränen in die Augen, aber sie schaffte es, sie wegzublinzeln, »Ich habe mit Euch immer über den Hof gesprochen, über Seine Majestät der Erzherzog, aber das erscheint mir nachdem, dass Ihr durchmachen musstest, alles furchtbar kindisch« Einen Moment schwiegen wir beide. Sie hatte Recht. Ich war nicht mehr die Gleiche. Grausame Dinge waren geschehen. Aber nicht nur mit mir. Den Großteil meiner Schmerzen konnte man behandeln. Pagets, Mathews und Princsesse Soleis Schmerz nicht. Wahrscheinlich würde es nicht klappen, dass es wieder so wird, wie vorher und das machte mich unendlich traurig. Princesse Solei legte vorsichtig einen Arm um meine Schulter, als auch mir eine Träne die Wange hinab rann.
»Ich wollte Euch nicht traurig machen, Majestät«
»Danke, dass Ihr da seit«
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