Kapitel 12
Gräfin Yorker hielt sich in Griffweite von mir auf, während la Rovere bei den Wachen vor mir ritt. Ich hoffte, wir konnten ihnen vertrauen. Niemand hat uns daran gehindert das Anwesen zu verlassen. Meine Hofdamen schienen die Sympathie von Mamas ganzem Haushalt gewonnen zu haben. Der Dampf, der aus den Nüstern der Pferde aufstieg, führte mir nochmal vor Augen, wie kalt es wirklich war. Aber das bemerkte ich wenn überhaupt in meinen Fingern. Alles andere stand in Flammen. Mein Rücken schien sich aufs Neue zu zerlegen und ich spürte jeden blauen Fleck.
»Wo bringen sie uns hin?« flüsterte ich und selbst das erschien mir zu laut. Gräfin Yorker lächelte mir siegessicher zu. »Zur Grenze« raunte sie und mich überlief ein Schauer. Konnte das möglich sein? Wieso sollten die drei Männer ihr Leben dafür riskieren, mich nachhause zu bringen? Das ging zu leicht.
Als die Dämmerung langsam einsetzte, hing ich mehr auf meinem Pferd, als ich darauf reitete. Ich konnte mich unmöglich aufrichten, aber die gebückte Haltung ertrug mein Bauch beinahe nicht. Verzweifelt stöhnte ich auf, als die fremden Soldaten, dass Tempo erneut beschleunigten. Soweit konnte es zur Grenze doch nicht sein.
»Haltet« ich fuhr hoch, dass mich leise aufschreien ließ, als ich das herannahende Hofgeklapper und das Geschrei von fremden Männern hörte. Gräfin Yorkers Lächeln war verschwunden und ich sah alarmiert zu den Soldaten vor mir. Das waren ihre Leute hinter uns. Ich würde es verstehen, wenn sie die eigenen Kammeraden nicht bekämpfen wollten. »Ihr müsst uns nicht weiter eskortieren« keuchte ich und suchte den Blick des Mannes neben la Roveres. Vergebens suchte ich bei ihm nach Furcht oder zumindest Beunruhigung. Aber da war nur sture Entschlossenheit.
Mittlerweile schwankte mein Sichtfeld und ich stützte mich am Pferderücken ab. »Wir müssen uns verstecken. Sie schafft es nicht mehr weit« drang Gräfin Yorkers Stimme zu mir durch, worauf ich protestieren wollte, aber bei Gott die Kraft nicht mehr hatte.
»Haltet« mir rutschte das Herz in die Hose und presste blindlings meine Fersen in den Bauch meines Pferdes. Ein ruhiger Haflinger, der sich von meinem Herumgeschwanke auf seinem Rücken nicht beirren ließ. »Es ist in Ordnung, Majestät« flüsterte mir Maida zu, als meine Augen zu flattern begannen. Ich wünschte, ich könnte gegen diesen Schmerz ankämpfen, aber er war zu mächtig, zu gegenwertig.
Ich stöhnte auf, als das Brennen meines Rückens plötzlich auf meine Lippen wanderte. Schnaps. »Sie ist wach« ich sah ihn Mamas klare Augen, die neben mir auf dem Boden kniete. Ihre Lippen fühlten sich seltsam feucht an, als sie meine Stirn berührten. »Gut« Dorian trat hinter mir hervor und ich rang mir ein Lächeln ab. Verlegen streckte ich die Hand nach ihm aus. Ich konnte mich kaum bewegen, geschweige denn jemanden umarmen. Einmal davon abgesehen, dass mich Dorian nicht berühren durfte. Er drückte einen Kuss auf meine ausgestreckte Hand und mein Lächeln wurde breiter.
»Ich werde dich jetzt zu mir aufs Pferd setzen« erklärte er und ging vor mir in die Hocke. Ich sah ihn zweifelnd an und versuchte meine Füße anzuziehen, dass mich zischend sein ließ. Nur einen Moment ohne Schmerz. Ich brauchte einen Moment Frieden.
Dorian nickte Mama zu, die sich darauf zu mir auf den Boden setzte. »2 Minuten, dann müssen wir hier verschwinden« Dorian stieg über meine Beine und ich vernahm Yorkers Stimme hinter mir. Aber alles das zählte, waren Mamas feuchte Augen. »Man wird dir viele Fragen stellen, aber das schaffst du! Du warst so tapfer, mein Liebling«, beschwor sie und drückte meine Hände an ihre Brust. »Ich wünschte, du wärst nicht so jung« - »Das sagt Paget auch ständig« Mama lächelte mich überrascht an und strich über meine Wange. »Dann ist er ein Narr« Meine Mundwinkel zuckten. Das hatte ich in letzter Zeit oft gehört. »Du hast eine klangvolle Stimme und ein wunderbares Lachen. Lass dir das von ihnen nicht wegnehmen«
Ich stöhnte auf, als sich Dorians Arme von hinten um mich legten und er mich aufhob. Er setzte mich auf den Rücken meines Haflingers und sprang einen Moment später hinter mich, um mich festzuhalten.
»Du Narr« ich schluchzte auf, als die Stimme des Ministers erkannte. Mama stellte sich schützen neben uns und drehte sich wie ich, als seine Stimme zum ersten Mal aus dem Wald hörte, um die eigenen Achse. »Rettest ein Mädchen, dem du kaum den Dreck unter deinen Füßen Wert bist« stichelte er, worauf sich Dorians Finger in meine Hüfte drücken. Mamas Kopf zuckte immer noch in alle Richtungen und ich hätte ihr gerne gesagt, dass die Dunkelheit sein Freund war. »Du bist niemanden etwas Wert, außer dem Mann, den du nicht willst. Bevor du bei uns warst, hat dir niemand gezeigt, wie man mit dir umgehen sollte - du musstest bestraft werden, das verstehst du doch, oder?« sein Gesicht tauchte in meinen Gedanken auf. Dieses grausame Lächeln.
Ich schrie.
So lange, bis ein Schuss ertönte.
So lange, bis Dorian seine Hand über meinen Mund schob.
Solange, bis das Pferd sich in Richtung zuhause in Bewegung setzte.
Ich wollte nicht aufwachen. Verzweifelt presste ich meine Augenlieder zusammen, versuchte mich zu zwingen wieder in dieses Nichts einzutauchen. Vorsichtig strich mir jemand über die Wange, worauf ich zurückfuhr. Suchend sah ich mich im Raum um. Sie werden dich nicht holen kommen. Deine Familie wird dir nicht helfen.
»Ihr seid zuhause, Majestät!« die immer selben Worte. Aber sie wollten nicht ganz zu mir durchdringen. Alles in diesem Raum erinnerte mich an zuhause. Die hellen Tappeten, die edlen Holztische, die schweren, noch nicht von Motten zerfressenen Vorhänge. Dies war der Glanz, der mich zu Beginn an Bonheur zu verschreckt hatte. Kaum ein Jahr später rührte er mich zu Tränen.
»Euer Mann und seine Majestät der Kaiser sind auf dem Weg zu uns« sprach Princesse Solei weiter. Ihr Lächeln war traurig. Meines auch. Ich lag schon wieder krank in einem ihrer Betten. Stöhnend ließ ich mich zurücksinken und griff nach ihrer Hand.
Niemals wieder wollte ich alleine sein.
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