Kaltes Bordeaux
Heute ist Sonntag, der 30.12.2016.
Ein Tag vor Silvester.
Nach dem Hope und ich das Einkaufszentrum gestern verlassen hatten, habe ich Ihre Einladung zum Tee trinken verneint und liege seit gestern in meinem Bett.
Lange habe ich Löcher in die Decke gestarrt und das Weiß in mir aufgesogen, was mir nach einer Zeit so ziemlich auf die Nerven ging. Dieses bedeutungslose Weiß, welches mich im Stich lässt. Weiß ist die Farbe der Hoffnung, Ahnungslosigkeit und Vergessenheit. Diese Farbe beschreibt mich im genauesten. Bis auf die kleinste Faser, bis auf das letzte Blutplättchen und bis auf den letzten Knochen. Es hat mich irgendwann aggressiv gemacht, weshalb ich dieses langweilige Weiß ersetzen möchte, durch schönes kaltes Bordeaux. So kalt, dass man in diesem Raum erfrieren könnte, so kalt, dass ich mir in diesem Raum keinen Adam mehr vorstellen kann und so kalt, dass ich selber nicht mehr hier reingehen möchte. Denn es ist schrecklich. Schrecklich schmerzhaft, in diesem Raum hier zu schlafen. In diesem großen Bett, welches das Parfüm Adam's trägt und meine Träume zu ihm lenkt. Zu seinen hellen braunen Augen, die von langen dichten schwarzen Wimpern umrandet sind und sich gerne hinter seinem Schopf an schwarzem Haar verstecken.
Gestern habe ich das festgelegt und Adam angerufen, dass er heute vorbei kommen soll, um mir zu helfen.
Ganz freundschaftlich natürlich. Das glaubt zumindest er, denn heute werde ich etwas hartnäckiger und ihn ins Dunkle führen. Seine Gedanken wieder auffrischen. Mit meinen Waffen spielen.
"Avelin?" höre ich von unten seine Stimme und kriege nie genug davon.
So weich und leicht wie diese sechs Buchstaben aus seinem Mund klingen, nicht einmal eine weiche Feder kann einem dieses Gefühl übermitteln.
Ich murmle nur ein Hmm und weiß genau, dass er mich nicht hören kann, doch genau das ist es was ich will. Ich möchte meinen Namen nochmals von ihm hören.
Ein kleines Klopfen ertönt, als er auch schon wieder meinen Namen haucht "Avelin?".
Mein Körper stellt sich auf Automatik, weshalb sich meine Augen augenblicklich schließen und mein Kopf sich vorsichtig zur Seite bewegt. "Mhm" seufze ich.
Sein raues Lachen erklingt und hallt in dem Raum, in welchem er vermisst wird. "Ich habe mich auf Action eingestellt und nicht auf einen schlafenden Schmetterling." höre ich sein Grinsen nur so raus und spicke mit einem Auge an die Tür, bevor sich auch auf meinem Gesicht ein Lächeln bildet.
'Schlafender Schmetterling'
"Noch zwei Minuten..." hauche ich bewusst und strecke meine Hände über meinem Kopf aus.
"Nein jetzt." höre ich ihn plötzlich neben mir antworten, weshalb eine Welle an Elektrizität durch meinen Körper fährt und mich taub lässt.
'Lass dich nicht beeinflussen!'
Flüstert mir meine kleine Raupe zu.
Bemüht hauche ich "Was jetzt..." und öffne meine Augen. Sofort sinke ich in das helle, tiefe Braun seiner Augen , für die ich schon immer der Schlüssel war.
Ich widerstehe dem Drang, ihm über seine männliche Kieferpartie zu fahren und klammere meine Hände stattdessen in das Bettlacken.
"Das." haucht er ein letztes Mal, bevor seine Finger anfangen mich zu kitzeln. Ein spitzer Schrei entfährt meinem Mund und ich fange an zu Lachen.
"Oh mein Gott! Adam!" kreische ich und versuche ihn von mir ab zu rütteln, was mir nicht gelingt.
"Immer noch müde?" lacht auch er und lässt mir eine kurze Pause zum Atmen.
Ich ringe nach Luft, unfähig zu antworten und krächze ein Ja.
"Wie bitte? Ich verstehe dich nicht." grinst er und fängt wieder an mich durch zu kitzeln. Seine Finger gleiten von einer Stelle zur anderen und lassen diese pulsieren.
Ich hasse das Kitzeln, aber dieses Kitzeln ist so verdammt angenehm, dass es schon verrückt ist. Ich würde mich am liebsten Tod kitzeln lassen, nur um seine Finger auf meinem Körper spüren zu können. Verrückt, sagte ich schon.
"So schön es auch ist, dich hier zu foltern," '
wenn er nur wüsste..' unterbricht ihn meine Raupe, welcher ich zustimme.
"müssen wir uns an die Arbeit machen und deine Möbel abkleben, damit wir sie nicht dreckig machen."
steht er auf, sieht auf mich hinab und hält mir seine Hand hin.
Genervt stöhne ich auf, bevor ich ihm meine Hand reiche und er mich hochzieht.
"Ich hasse das Abkleben, das ist so Zeitaufwendig." meckere ich rum und laufe aus dem Zimmer.
"So hast du es gewollt." entgegnet Adam und folgt mir die Treppen runter.
Ich grinse über seinen provokativen Unterton und schnappe mir meine Autoschlüssel, während ich in meine Stiefel steige.
"Also, die ganzen Sachen liegen bei mir im Auto. Wir müssten sie nur noch holen."
"Also meinst du damit, ich werde sie holen?" grinst er, während auch er in seine Stiefel schlüpft.
"Ganz genau." grinse ich ihn beim Vorbeigehen an und laufe den kleinen Treppenabsatz runter, um zum Auto zu gelangen, das seit Adam's Einzug in die Garage, draußen übernachten muss.
Meine armer kleiner Schokoladentropf.
"Sag mal, wie hast du es eigentlich geschafft, an einem Sonntag, all die Utensilien und die Farbe herzubekommen?" fragt er und hebt den Farbeimer hoch.
"Unsere Nachbarn, Linden und Maik, haben sehr viel davon. Linden zeichnet beruflich. Eine tolle Dame, auch Maik ist ein absoluter Gentleman. Die Türen stehen bei Ihnen immer offen." antworte ich und sehe auf das gegenüberliegende Haus.
Adam deutet meinen Blick und sieht auch rüber.
"Warte, da wohnen sie? Und du bist trotzdem mit deinem Auto angefahren?" fragt er ungläubig und ich zucke schmunzelnd mit meinen Schultern.
"Ich kann das schlecht alles rüber tragen und Maik war nicht Zuhause. Linden ist zu schwach, um mir helfen zu können."
"Wieso hast du dann nicht einfach mich angerufen?" verschränkt er fragend seine Arme vor der Brust, weshalb sich sein T-Shirt über seinen Oberarmen spannt und dadurch seine Muskulatur deutlich zu sehen ist. Ich schlucke und senke den Blick in meinen Kofferraum.
"Ist dir nicht kalt?" frage ich und versuche ganz weit hinten die Pinsel zu erreichen.
"Fragen sind keine Antworten." erwidert er und beugt sich leicht über meine Schulter um auch an die Pinsel zu kommen.
Meine Nackenhaare stellen sich wie Speere auf, als Adams Hand über meine streift. 'Nochmal' schreit mein Herz, mein Verstand sagt 'zu früh'.
Ich denke, jeder sehnt sich danach, dass das Herz und der Verstand einmal, nur einmal zusammen arbeiten und einen nicht ständig durch ihre Unentschlossenheit zerreißen. Doch man sagt nicht umsonst 'Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.'
Als seine Hand sich auf meinen Oberarm legt, rüttle ich diese zu schnell ab. Bloße Berührungen wie diese, lösen in mir nicht nur ein Prickeln aus. Nein, ein Donner tobt in mir und schlägt seine Blitze an die betroffenen Stellen ein.
Ich sehe zu ihm hoch und erinnere mich an seine Frage. "Du warst mit Kathrin beschäftigt." gebe ich monoton von mir, bevor ich mir die Pinsel schnappe, umdrehe und zur Tür laufe. Ich weiß nicht einmal, ob das stimmt.
'Gott, zügle deine verdammte Eifersucht. Du verschreckst ihn doch bloß!'
"Ist da jemand eifersüchtig?" trällert Adam grinsend und stellt kurz die Farbe auf dem Boden ab, um aus seinen Stiefel zu schlüpfen.
"Adam, ich habe dir schon einmal gesagt, dass ICH nicht wüsste worauf." versuche ich ruhig zu sagen und laufe die Treppen hoch.
Tuck Tuck, Tuck Tuck, Tuck Tuck. Schlägt mein Herz und ich atme unbemerkt tief ein und aus. Alles gelogen. Die Eifersucht schwimmt durch mein Blut und befällt mein Herz.
"Ach komm, kleiner Schmetterling."
Ich ignoriere ihn und fange an die Folie auszurollen.
"Avelin." singt er, während er sich auch eine Rolle schnappt.
"Avelinchen."
Ich drehe mich genervt um und sehe nun in meinen Schrank. Tolle Aussicht und sehr schlau von mir.
"Alié." nervt er weiterhin.
"Sag mal, wer hat dich eigentlich reingelassen? Ich war das nicht." werfe ich meine Arme in die Höhe und sehe ihn leidend an.
Er grinst "Wie solltest du auch. Du warst in dem Moment ein schlafender Schmetterling."
Genervt rolle ich meine Augen und breite die Folie über meinem Bett aus.
"Nimm das andere Ende." beauftrage ich Adam und er gehorcht.
"Ich bin nicht eifersüchtig." sage ich nochmals und sehe ernst zu ihm.
'Und wie du das bist. Ich habe gerade ein Erdbeben in meiner Wohnung.'
"Ich habe mich bloß an gestern erinnert, an das Weinen, das du mitbekommen hast und mir war das peinlich. Deshalb der schroffe Unterton."
'Diese Ausrede ist wenigstens besser als die für die Blondinen gestern.'
Seine Gesichtszüge entspannen sich und er lässt die Enden der Folie fallen. Mit langsamen und vorsichtigen Schritten kommt er auf mich zu, als wäre ich ein kleines schreckhaftes Tier, das jeden Moment wegrennen könnte. Wie ein Schmetterling, der davonfliegen würde.
"Ach kleiner Schmetterling." seufzt er und bleibt vor mir stehen. "Du sollst dich vor mir nicht verschliessen, wenn wir unsere Beziehung wieder aufbauen möchten. Wenn du möchtest, dass ich mich erinnere, dann behandle mich so, wie du es davor getan hast, nenne mich so, wie du es davor getan hast und sei so, wie du es davor auch schon warst."
Verloren sehe ich in seine Augen und sinke wieder in diese unglaubig intensive Tiefe. Mein Körper handelt von allein und lässt meine Hände auf seine Brust legen und meine Lippen seinen nähern. Unter meiner Handfläche spüre ich seinen schnellen Herzschlag, doch das bilde ich mir bestimmt ein. Ich bewege meine Lippen zu seiner Wange und lasse sie einige Sekunden auf ihr ruhen. Dann ziehe ich mich etwas zurück und hauche "Danke.".
Wieso, weiß ich auch nicht.
Er zieht mich in eine Umarmung und für einen kurzen Augenblick denke ich, meinen Adam wieder zu haben.
Doch, bevor das so ist, müssen wir weiterhin die Monster bekämpfen und die Steine aus dem Weg räumen.
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