Unsanftes Erwachen
Der harte Schlag traf Marlena völlig unvorbereitet. Augenblicklich presste es ihr die Luft aus den Lungen! Völlig überrascht und nach Atem ringend kämpfte sie sich unter ihrer Decke hervor. Immer noch schrieben ihre Lungen nach Luft und erst nach einigen Sekunden wurde sich die junge Halbling bewusst, dass sie in ihrem Zelt war und auf äußerst unsanfte Art und Weise geweckt worden war.
- "Aufstehen! Aufstehen!" - die fröhliche Stimme eines Jungdrachen enthüllte schließlich was vorgefallen war. Unternehmungslustig hüpfte das goldene Drachenmädchen Kyra vor Marlena auf und ab und blickte sie aus großen Kulleraugen an. Das Küken war inzwischen drei Wochen alt und hatte überraschend früh begonnen zu sprechen.
Marlena Blicke an sich selbst hinunter und erkannte auf ihrem Nachthemd deutlich die Abdrücke von Kyras Vorderpfoten.
- "Lass mich mal raten mein kleines Fräulein." - erkundigte sich die junge Drachenreiterin bei dem goldenen Drachenfräulein. - "Alonvy hat dir erzählt, dass ich gerne auf diese Weise geweckt werde oder?" -
- "Ja, und Meisterin Alonvy würde mich doch nicht anlügen oder?" -
Kyras Augen schienen noch etwas größer zu werden und die reine kindliche Unschuld stand dem Drachenfräulein förmlich ins Gesicht geschrieben.
- "Natürlich nicht." - sagte Marlena und rang sich ein Lächeln ab. - "Als sie noch so ein Schlüpfling wie du war, hat sie mich genauso geweckt." -
- "Wunderbar!" -piepst das junge Drachenmädchen und hoppelten auf den Ausgang des Zeltes zu. - "Dann solltet ihr euch jetzt beeilen Meisterin! Heute kommt doch die Schwester von Meister Dorn bei uns an und ihrer Reiterin auch!" -
Mit diesen Worten verließ das Drachenkind das Zelt der jungen Halbling. Marlena streckte ihre geistigen Fühler nach Alonvy aus und erkannte dass diese sich bereits mit Kyra unterhielt.
- "Habe ich das gut gemacht Meisterin?" - fragte die kleine Goldene mit einem verschwörerischen Unterton in der Stimme.
- "Sehr gut sogar." - lachte Alonvy.
- "Ja! Wirklich sehr gut." -
Mit Genugtuung registrierte Marlena, dass die beiden Drachendame innerlich zusammen zuckten. Sie waren so vertieft in ihr Gespräch gewesen, dass sie Marlenas geistige Anwesenheit übersehen hatten.
Noch immer schmunzeln begann Marlena damit sich anzuziehen. In einem Punkt hatten die beiden Verschwörererinnen nämlich recht. Narie und ihre Drachendame Kira hatten sich in der Tat den heutigen Tag angekündigt. Die jüngere Verwandte ihrer Mutter hatte beschlossen die Reise allein zu machen, da einer der Schüler des Ordens, den sie gemeinsam mit ihrem Gefährten Marek unterrichtete, unverhoffter Weise seine magischen Fähigkeiten entdeckt hatte. Dieser Umstand machte die Anwesenheit eines erfahrenen Lehrers dringend erforderlich und so war Marek mit seiner Drachendame Laorie zurückgeblieben.
Narie und Kira würden daher Keanai und Irucan alleine zurück nach Cosaria begleiten. Dies war im Grunde kein Problem. Irucan hatte einen Wachstumsschub hinter sich. Zwar war er immer noch nicht in der Lage sein Reiter zu tragen aber er würde ohne Schwierigkeiten eine längere Strecke im Flug zurücklegen können.
Marlena freute sich Narie wiederzusehen. Sie mochte die Cousine ihrer Mutter. Außerdem begrüßte sie, so leid es ihr im Grunde tat dies zuzugeben, dass Keanai zunächst abreißen würde. Zwar hatte es der junge Drachenreiter verstanden sowohl Marlena als auch Svenaja aus dem Weg zu gehen aber dennoch waren einige Begegnungen unvermeidlich gewesen. Die Situation waren dann meistens recht verkrampft gewesen und die junge Halbling begrüßte es, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein würde. Svenaja betrachtete sie inzwischen nicht nur als Schülerin sondern als echte Freundin und auch ihre junge Seelenschwester hatte sich als wahrer Sonnenschein herausgestellt.
Inzwischen hatte die junge Halbling sich fertig angezogen und Koch aus ihrem Zelt. Alonvy und Kyra lagen in einiger Entfernung am Ufer des Sees und vermieden betont den Augenkontakt mit der Drachenreiterin.
"Kann es sein, dass du Opfer einer Verschwörung geworden bist Meisterin?" erkundigte sich eine freundliche Stimme.
Svenaja trat neben Marlena.
"Ich befürchte schon aber ich habe es schadlos überstanden. Hör aber bitte auf mit dem Meisterin."
Svenaja lachte nur leise. Meisterin nannte sie Marlena nur immer dann wenn sie die andere Reiterin ärgern wollte.
"Ich habe so etwas befürchtet." lächelte Svenaja. "Normalerweise verbringt Kyra genauso viel Zeit in meinem Geist wie ich in ihrem. Heute schien sie irgend etwas von mir verstecken zu wollen."
- "Und so habe ich meiner Schülerin erfolgreich vermittelt, wie man seine Privatsphäre schützt." - warf Alonvy ein als sie würdevoll zu den beiden Reiterinnen herüber schritt. Kyra trollte dabei ausgelassenen vor ihrer Lehrerin durch die Wiese.
- "Natürlich. Das war selbstverständlich der einzige Grund." -
Diese Äußerung ihrer Reiterin bedachte Alonvy mit einem Geräusch, dass beide Menschen wohl ein verlegenes Hüsteln gewesen wäre.
- "Nun? Was wollen wir denn machen bis Narie und Kira hier eintreffen?" -
Marlena ging auf Alonvys Versuch einen das Thema zu wechseln und überlegte. Bereits gestern hatten sie beschlossen heute keinen Unterricht abzuhalten, da das ganze Dorf daran arbeitete sich auf die Ankunft der anderen Drachenreiterin vorzubereiten. Die anfängliche Skepsis der Dorfbewohner war in echte Begeisterung umgeschlagen. Es verging praktisch kein Tag an dem Marlena nicht neugierigen Fragen zum Orden der Reiter, den anderen Völkern und dem Rest von Alagaesia beantworten musste.
Natürlich dachte keiner der Dorfbewohner daran das Tal zu verlassen welches solange die Heimat ihrer Gemeinschaft gewesen war aber man wollte sich nicht mehr so vollständig vom Rest der Welt abschotten. Besonders Murtagh und Dorn hatten die Bewohner des Nordens ins Herz geschlossen. Schließlich hatte er auch seinen Teil dazu beigetragen Galbatorix zu stürzen. Der Umstand, dass der Reiter des Roten Drachen einst in die Dienste des Königs gezwungen wurde schreckte die Menschen nicht ab. Im Gegenteil. Die Furcht von den Tyrannen versklavt zu werden war stets allgegenwärtig gewesen. Dass es Murtagh gelungen war im entscheidenden Moment seine Fesseln abzustreifen und den Sieg möglich zu machen war in den Augen der Dorfgemeinschaft eine Leistung die dem dunkelhaarigen Reiter besondere Bewunderung einbrachte.
Marlena hatte sich köstlich darüber amüsiert, dass ihr Onkel nicht recht wusste wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Er war es gewohnt sich für das was man ihm aufgezwungen hatte zu rechtfertigen und hatte dies über die Jahre mit immer größerem Selbstbewusstsein getan aber dass man ihn für seine Vergangenheit bewunderte stellte etwas völlig Neues für Dorns Reiter da.
Marlena hingegen gönnte es dem Bruder ihres Vaters von ganzem Herzen.
Die Dorfgemeinschaft beriet inzwischen darüber wie man am besten Handelsverbindungen zum Rest von Alagaesia aufbauen konnte. Die Menschen wollten nicht gänzlich von Magie abhängig sein und hatten einiges anzubieten.
Zum einen waren da natürlich die Eigenarten ihrer Bauweise aber auch verschiedene Produkte die sie der heimischen Tierwelt abgewannen würden sich in Alagaesia sicher gut verkaufen lassen. Die Schwierigkeit bestand darin eine Verbindung mit dem Rest von Alagaesia herzustellen die nicht zu schwierig oder gefährlich war.
Der Landweg bot sich nicht unbedingt an. Er führte durch eine unwirkliche Eiswüste und war extrem beschwerlich. Doch auch per Schiff war das Tal nicht einfach zu erreichen. Zwar war das Meer nicht weit entfernt aber das ewige Eis des Nordens würde auch diese Verbindung zur Außenwelt Recht schwer gestalten. Eine weite Fläche von Packeises musste überwunden werden bis Handelsreisende wirklich feste Land unter den Füßen hätten. Auf den sich ständig wandelnden Eisflächen ließ sich kein Hafen errichten unter die Dicke des Eises sich mit der Jahreszeit ständig wandelte war ein Marsch über das Eis selbst mit einem erfahrenen Führer nicht ungefährlich.
Marlena hatte in der letzten Nacht intensiv darüber nachgedacht und schließlich war ihr eine Idee gekommen. Vielleicht war dieser Tag an dem der Unterricht ruhte die ideale Möglichkeit die Gegebenheiten zu überprüfen und festzustellen ob sich ihr Vorschlag umsetzen lassen.
"Ich hätte da eine Idee. Wird er bereit uns zu einem kleinen Ausflug außerhalb des Tals zu begleiten? Es gibt doch diesen Flusslauf der von einer warmen Wasserquelle gespeist wird. Ich würde gerne überprüfen wie genau er unter dem Eis verläuft und wie dick die Eisschicht wird je näher man zum Meer kommt."
"Ich habe nichts dagegen." antwortete Svenaja. "Ich kann euch genau zeigen wo der Fluss verläuft. Aber was ist mit Kyra. Ist sie nicht noch etwas jung für einen Flug durch die Wolkenkuppel?"
"- Bin ich überhaupt nicht!" - ereiferte sich das junge Drachenmädchen.
- "Oh doch! Das bist du." - widersprach Alonvy mit fast mütterlicher Autorität in der Stimme. Vorsichtig ergriff sie ihre Artgenossin wie es eine Katze mit ihren jungen tun würde und setzte Kyra auf ihrem Rücken ab. - "Du fliegst da oben mit! zusammen mit deiner Seelenschwester und meiner Reiterin!"-
Das junge Drachenfräulein wirkte ziemlich enttäuscht und knurrte etwas ungehalten vor sich hin. Marlena wusste, dass bei einem so jungen Geist eine Trotzreaktion durchaus möglich war. Sie beschloss bereits im Vorfeld etwas dagegen zu unternehmen.
"Du kannst ja geistigen Kontakt zu Alonvy halten Kyra. Du wirst den Wind unter ihren Flügeln spüren als wenn es deine eigenen wären. Auf diese Weise lernst du bereits etwas über die Fallwinde in der Wolkendecke und wirst deine Reiterin wenn du alt genug bist sicher hindurch tragen können als jeder andere Sculblaka. "
Diese Vorstellung in Kyra durchaus zu gefallen und sie warf Alonvy einen fragenden Blick zu. Die weiße Drachendame summte zustimmend und die kleine Goldene schien versöhnt.
Zufrieden mit dieser Lösung machte sich Marlena daran Alonvy zu satteln.
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