Mütterliche Sorge
Offenbar hochzufrieden mit ihren Namen wandte sich Kyra wieder dem Spiel mit Irucan zu. Das schwierige Verhältnis ihrer Reiter zueinander schien die beiden Jungdrachen nicht zu beeinflussen. Marlena vermutete, dass die beiden vielleicht aber auch spürten, dass ihre Seelenpartner die Angelegenheit geklärt hatten.
"Da wartet übrigens noch jemand auf dich." sagte plötzlich jemand zu Marlena.
Die junge Halbling war so vertieft in das Spiel der beiden Jungdrachen gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, dass Murtagh zu ihr getreten war. Die Onkel deutete auf eine kleine Felsennische neben dem Eingang von Lenjaras Höhle. Diesen, vor neugierigen Blicken geschützt Punkt, hatte der erfahrene Drachenreiter genutzt um ein Gespräch mittels eines Spiegels mit der Ostmark zu führen.
"Deine Mutter möchte mit dir reden." erklärte Dorns Reiter auf einen fragenden Blick seiner Nichte hin.
Augenblicklich bildete sich ein eisiger Stein im Magen der jungen Frau. Jetzt stand ihr wohl eine Zurechtweisung bevor. Mit einem Gefühl als ginge es zu ihrer Hinrichtung lenkte Marlena ihre Schritte zu der Felsennische.
Etwas Trost emfand die junge Drachenreiterin bei dem Gedanken, dass sie im Grunde einige strenge Worte verdient hatte. Ihre erste Reiterprüfung wäre fast in einem vollständigen Chaos versunken. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass ihre Eltern nicht erfreut waren. Gerade von ihrer Mutter musste die junge Reiterin, dass diese Pflichterfüllung über alles schätzte.
Marlena hatte die Nische im Fels erreicht, atmete noch einmal durch und blickte dann in den Spiegel. Ein paar smaragdgrüne Augen die ihren eigenen sehr ähnlich waren blickten die junge Halbling an.
Ihre Mutter öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, als Marlena schon einen Wortschwall entfesselte:
"Es tut mir wirklich leid Mutter."
"Was denn?" erkundigte sich eine Stimme aus dem Spiegel.
"Wie die ganze Reiterprüfung abgelaufen ist. Du und Vater habt mir zum ersten Mal eine solche Verantwortung übertragen und alles ist aus dem Ruder gelaufen. Es tut mir wirklich leid aber wir haben glaube ich eine gute Lösung ge......"
Das Abbild der schönen Elfe in der Spiegeloberfläche hob gebieterisch die Hand und unterbrach damit Marlenas Redeschwall. Die junge Reiterin richtete sich seelisch auf ernste Worte ein. Als sie das Abbild ihrer Mutter allerdings genauer betrachtete sah sie etwas, was sie nicht erwartet hätte. Eine Spur von Verunsicherung, vielleicht sogar mit etwas Traurigkeit gepaart.
"Kind, ich habe immer versuchte eine gute Mutter zu sein. Ich gebe zu, dass ich mein Herz nicht immer auf der Zunge trage. Die dunklen Jahre in denen ich aufgewachsen bin waren harte und unnachgiebige Lehrmeister. Sie zwangen mich dazu, meine Gefühle zu verbergen. Doch war ich wirklich eine so tyrannischen Zuchtmeisterin, dass dir kein anderer Grund einfällt warum ich mit dir sprechen will als um dich zu tadeln?"
Zwar hatte Arya, so stellte Marlena fest, sich bemüht ihrer Stimme einen neutralem Klang zu geben aber die junge Reiterin kannte ihre Mutter. Die Elfe sprach von einer ehrlichen, tief empfundenen Sorge die sie hegte.
"Nein! Das was du wirklich nicht. Wir hatten zwar eine Zeit lang unsere Schwierigkeiten aber bei welcher Mutter/Tochter-Beziehung kommt das denn bitte nicht vor? Wie kommst Du darauf Mutter?"
Das Abbild von Arya im Spiegel hob die Hand zu einer erklärenden Geste.
"Ist das nicht offensichtlich Tochter? Ich möchte mit dir reden und du gehst direkt davon aus, dass ich deine Leistungen kritisieren will. Dabei besteht überhaupt kein Grund für Kritik."
Marlena war verblüfft.
"Aber all der Unfrieden bei der Reiterprüfung! Dieses riesige Chaos."
Junge Halbling wurde nun Zeuge wie ihre Mutter milde lächelte und den Kopf schüttelte.
"Zum einen war das nicht deine Schuld Kind. Unter junger Freund Keanai hätte seine Verhältnisse in Ordnung bringen müssen bevor er anfängt um einen Platz in deinem Herzen zu werben. Er hat die Fehler begangen beide etwas versuchen wollte das schlichtweg unmöglich ist. Er wollte versuchen aus der Situation herauszukommen ohne dass jemand verletzt wird. Das ist bei so tiefen Gefühlen unmöglich! Ich mache dir keine Vorwürfe. Wenn überhaupt, dann ist das genaue Gegenteil der Fall. Ich bin stolz auf dich wie du die Probleme gelöst hast."
Marlena hatte mit allem gerechnet aber nicht damit. Verblüfft setzte sie sich auf einen flachen Stein, der von dem kleinen Feldsims lag auf dem der magische Spiegel platziert war.
"Ich war wohl doch zu streng bei deiner Erziehung wenn du so aus der Fassung gerät nur weil ich dich lobe." Arya ergriff wieder das Wort doch diesmal schwang ein schmunzeln in der Stimme der Elfe mit. "Du hast das wirklich gut gelöst. Als du mit der Situation dort im Norden konfrontiert worden bist musst du doch auch recht verletzt gewesen sein oder?"
Marlena nickte. Noch verstand sie nicht ganz worauf ihrer Mutter hinaus wollte. Diese jedoch sprach weiter.
"Siehst du! Du hast aber deine persönlichen Gefühle Svenaja gegenüber zurückgestellt und sie zu Reiterprüfung vorgelassen! Du wusstest, dass sich eine schwierige Situation entwickeln würde wenn der junge Drache wählen würde wie er es getan hat. Doch das war dir egal! Du hast das getan was ich von einem Drachenreiter dem ein Ei anvertraut wurde erwarte. Du hast zum Wohle des ungeborenen Drachen gehandelt. Es ist im Interesse eines ungeschlüpften Sculblaka der sich auf der Suche nach seinem Reiter befindet, mit möglichst vielen Individuen in Kontakt zu kommen. Dadurch wächst die Chance dass er einen passenden Partner für sich findet. Du hast das sichergestellt ungeachtet deiner persönlichen Gefühle. Danach hast du dich mit Svenaja an einen Tisch gesetzt und soweit mich Murtagh informiert hat seit ihrem zu einer recht gesunden Lösung gekommen oder ist das inkorrekt?"
"Nein, nein!" wehrte Marlena immer noch überrascht ab. "Svenaja hat mich als Lehrerin akzeptiert und ich habe einen recht positiven Eindruck von ihr. Sie hat eine starke Persönlichkeit und ist mir auch persönlich recht sympathisch. Ich habe sogar schon in Erfahrung gebracht, dass ihre Großmutter, eine Magierin der Siedlung hier, ihr einen Wortschatz in der alten Sprache mit auf den Weg gegeben hat. Ich muss noch genau prüfen wie umfangreich er ist aber es gibt also bereits Vorkenntnisse. Auch weiß ich, dass Svenaja zwar kein magisches Talent besitzt aber bereits gelernt hat andere Wesen im Geist zu berühren und ihren eigenen zu schützen. Ihr Sculblaka ist übrigens ein Weibchen und heißt inzwischen Kyra. Nach Dorns Mutter!"
"Das klingt doch sehr viel versprechend was unseren jüngste Novizin betrifft." antwortete Arya und lehnte sich dann näher zum Spiegel hin. "Dein Vater und ich sind zufrieden mit dir. Narie und Marek werden sich auf die Reise in den Norden machen und Keanai abholen. Wir sind sicher dass sie ihn gut ausbilden werden. Genauso sind wir überzeugt, dass Svenaja von dir ein solides Grundwissen erhalten wird. Du hast dich gut und richtig verhalten. Wir vertrauen deshalb Reitern die ungeschlüpften Eier an, damit diese mögliche Probleme vor Ort erkennen und beseitigen. Du hast also genau das getan was wir von die erwarten. Ich habe seit der Neugründung des Ordens schon einige Prüfungen durchgeführt. Trotz sorgfältigste Planung sind immer gewisse Probleme aufgetreten. Mal wollte ein Aspirant nicht akzeptieren, dass er ihm kein Drachen schlüpfte oder Eltern hatten Bedenken ihr einziges Kind in die Obhut des Ordens zu entlassen. Ich könnte dir unzählige Geschichten erzählen. Aber das will ich im Augenblick gar nicht. So positiv, wie das was du mir über Svenaja berichtet hast auch ist, im Augenblick ist auch das zweitrangig für mich. Was mich interessiert ist wie es meiner Tochter geht? Falls Du nicht mehr Geheimnisse vor deinen Eltern hast als mir bekannt sind erlebst du gerade deine erste Liebe. Und Keanai hat dafür gesorgt, oh absichtlich vielleicht aber dennoch, dass du sie nicht unbeschwert genießen kannst. Ich will dich nicht tadeln Kind, ich frage dich ob du jemanden brauchst der dir zuhört."
Marlena spürte deutlich wie Tränen der Rührung in ihr aufstiegen. Gleichzeitig schämte sie sich fast dafür. Die Frau die Sieger aus dem Spiegel anblickte war ihre Mutter! Es war wirklich dumm von ihr gewesen die Situation nur aus dem Blickwinkel einer Drachenreiterin zu bewerten.
"Danke." flüsterte sie. "Es bedeutet mir schon sehr viel, dass ich euch nicht enttäuscht habe was die Reiterprüfung betrifft."
Arya lächelte.
"Gut. Aber nun genug von den Pflichten. Wie geht es dir? Ist es schwer für dich, dass Du und Keanai euch fürs erste trennen müsst?"
Marlena überlegte einen Moment.
"Im Grunde nicht. Sicher ich werde ihn und Irucan vermissen aber im Augenblick habe ich einfach das Gefühl im Frieden mit dieser Lösung zu sein. Die Ereignisse der letzten Tage sind natürlich nicht spurlos an mir vorbeigegangen und ich denke etwas Abstand ist das was ich brauche. Wenn ich jetzt mit ihm in einem Raum bin habe ich so ein Gefühl wie als wenn viele Stimmen auf mich einreden würden und jeder Versuch mich zu überzeugen eine bestimmte Richtung zu gehen. Die eine schreit, dass ich ihm alles vergeben soll. Die nächste dass ich ihm böse sein soll und die dritte rät mir zu Wut auf Svenaja die überhaupt nichts für die Situation kann. Ich habe das Gefühl, dass sich durch den Abstand zur Ruhe kommen kann und herausfinden kann was ich wirklich will."
Das Abbild von Marlenas Mutter nickte nur einfach verstehend und fügte hinzu: "Das ist sehr klug und erwachsen von dir. Ein weiterer Grund für mich stolz auf dich zu sein."
Marlena legte einer Hand an die glänzende Oberfläche des Spiegels und das Abbild ihrer Mutter tat auf der anderen Seite dasselbe.
"Danke."
"Jederzeit Kind."
Diese wenigen Worte drückten für Marlena mehr aus als die Kürze der Sätze verriet. Deutlich erkannte die junge Reiterin auf dem Gesicht ihrer Mutter, dass es dieser genauso ging.
Nach einem Augenblick des Schweigens war es Arya wieder das Wort ergriff.
"Ich hoffe du weißt, dass Du jederzeit mit mir sprechen kannst und damit meine ich mich nur, dass Argetlam Marlena uns über den Ausbildungsstand der Novizin Svenaja und ihrem Drachenmädchen Kyra Bericht erstatten wird. Verstehst du?"
Arya wartete ab bis Marlena gelegt hatte und fuhr dann fort:
"ich soll dich auch noch von deinem Vater fragen, ob du es für nötig hält dass er ein menschliches Ritual mit Keanai durchführt. Trotz meiner langjährigen Erfahrung bin ich mit diesem speziellen Brauchtum nicht ganz vertraut: ich glaube dein Vater nannte es "den Hosenboden stramm ziehen"?
Das schelmische funkeln in den Augen ihrer Mutter verriet Marlena, dass das Lachen das nun aus ihr heraus brach, und in das Arya mit ein stimmte, genau die Reaktion war, die die Elfe beabsichtigt hatte.
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