Eis und Schnee
Die Nacht im Silbertal war für Marlena und ihre Begleiter ruhig verlaufen. Tatsächlich hatten die Reisegefährten genug Brennholz vorgefunden um sich eine warme Mahlzeit zubereiten zu können. Es war zwar trotzdem ein einfaches Mal gewesen aber dennoch wurde es von allen geschätzt. Im Inneren der einfachen Hütte hatten Reiter und der Zwerg Atalet hinreichend Platz vorgefunden um die Nacht geschützt vor den Elementen verbringen zu können. Marlena war nur etwas besorgt gewesen wegen der geflügelten Mitglieder ihrer Reisegruppe. Für die beiden Drachendamen war sowohl der Eingang als auch die Hütte selbst zu klein.
Alonvy hatte dankbar auf die Fürsorge ihrer Reiterin reagiert aber ihre Befürchtungen zerstreuen können. Im Silbertal herrschte kein so schneidender Wind wie ihn die Reisegruppe am Mittag des vergangenen Tages erlebt hatte und die beiden Drachendamen betonten entschieden, dass die Kinder des Himmels und des Feuers gegen das meiste was die Elemente ihnen entgegenwerfen konnten abgehärtet waren.
Am nächsten Morgen stellte sich aber heraus, dass auch Töchter des Himmels und des Feuers ein wenig Wärme nicht abgeneigt waren. Svenaja und Marlena mussten schmunzeln als sie am Morgen aus der Hütte traten und sahen, dass sich Kyra und Alonvy im Windschatten der Hütte eng aneinander geschmiegt hatten. In fast mütterlicher Fürsorge hatte die ältere Drachendame einen ihrer Flügel über ihre goldene Schülerin ausgebreitet.
Vorsichtig weckten die beiden Drachenreiterrinnen ihre Seelenschwestern die natürlich überhaupt nicht verstehen konnten was ihre zweibeinigen Begleiter so amüsierte. Auf Nachfragen reagierten sie nicht erwiesen höchstens darauf hin, dass man sich doch bitte mit dem Aufbruch beeilen sollte.
Schließlich ließen die beiden Reiterinnen die Sache auf sich beruhen und nach einem kurzen Frühstück setzte die Gruppe ihren Flug fort.
Zunächst führte sie ihr Weg weiter durch das Silbertal dass sich in einem lang gestreckten Bogen die Berge zog. Während des Fluges erklärte Atalet den interessierten Zuhörern was man aus dem Schlamm, in der Region die sie jeweils gerade überflogen lernen oder gewinnen konnte.
Erst als Marlena begann die gewaltigen Ausmaße des Silbertals zu erkennen konnte sie wirklich glauben, dass sich soviel wie Morast am Grund des Tals verbarg. Sie vermutete, dass Ströme, Schmelzwasser und Flüsse aus dem ganzen Gebirge ihren Weg in dieses Tal fanden und abgelagerten was sie auf ihrem Weg mitgerissen hatten. Sie beschloss so bald wie möglich nach geeignetem Lesestoff über dieses einmalige Tal zu suchen. Ein Gelehrter, der wusste worauf er zu achten hatte, konnte sicherlich die komplette Geschichte des Beorgebirges aus diesen Ablagerungen und Sedimenten herauslesen. Vor diesem Hintergrund war es für Marlena auch nur logisch, dass die Zwerge den Stein als ihren Ursprung und etwas Wertvolles und Erhabenes verehrten. Er war nun einmal das Zentrum und die Stütze ihrer Welt und so hatten sie eine ähnliche Beziehung zu ihm wie das Volk der Elfen zu den Bäumen Du Weldenvardens. Zwar mochten sie sich irren wenn sie den Stein als ein lebendes, wachsendes Wesen betrachteten aber es war ganz gewiss auch nicht richtig in ihm nur etwas totes zu sehen das den Weg versperrte. Die Welt des Beor-Gebirges hatte einen Anfang und eine Geschichte. Sie brachte das Leben auf einzigartige Weise zur Entfaltung und die Tiere hatten einzigartige Fähigkeiten entwickelt um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Am Mittag schließlich ließen sie das Silbertal hinter sich und folgten einem Gebirgspass der sie wieder in höhere Regionen des Gebirges führte. Sehr zu Kyras Leidwesen bewirkte sich der Himmel und es begann zu schneien. Nach wie vor hatte das junge Drachenfräulein Abneigung gegen Schnee nicht verloren und ihre Laune sank.
Auf Marlenas Nachfrage hin versicherte Atalet jedoch, dass sie ihr Ziel bald erreichen würden. Kyra kommentierte diese Aussage des Zwerges mit einem gegrollten -" Hoffentlich"- setzte aber den Flug mit neuem Elan fort.
Es war früher Nachmittag als Atalet schließlich aufgeregt auf ein schneebedecktes Plateau deutete und den Mitreisenden versicherte, dass dieses Plateau ihr Ziel sei.
Da ausreichend Platz zur Verfügung stand setzten beide Drachendame gleichzeitig zur Landung an und versanken einige Zentimeter im Schnee. Ein Umstand der bei Kyra erneut Unmut auslöste. Mit ihrem Schwanz fegte sie einen Teil der weißen Pracht über die Kante des Plateaus, ließ ihrer Reiterin dann absteigen und betrachtete, mit ärgerlichem Knurren, den Schnee, der sich beharrlich an ihre Krallen und Füße klammerte. Ärgerlich schüttelte sie ihre Vorderpranken und bemühte sich die ungeliebte Substanz loszuwerden.
"Du kannst Schnee wirklich nicht ausstehen, oder?" kicherte Svenaja als sie beobachtete wie ihre Drachendame mit besonders ausladenden Schritten über das Plateau stapfte und darum müht war möglichst wenig Schnee an ihren Schuppen zu behalten.
- "Wasser hat flüssig und durchsichtig zu sein!" - maulte Kyra und schüttelte sich erneut Schnee von den Pranken. - "Nicht weiß und glitschig!" -
- "Nun zumindest die Farbe gefällt mir." - kommentierte Alonvy die Worte ihre Artgenossin und erntete dafür einen bitterbösen Blick.
- "Anstatt euch über mich lustig zu machen solltest ihr mir lieber sagen warum wir überhaupt hier sind!" - schmollte Kyra. - "Hier ist doch nichts außer diesem weißen Zeug!" -
Die Heiterkeit, die unter den Reisegefährten Einzug gehalten hatte, wurde nun rasch von Ratlosigkeit abgelöst. Tatsächlich zeigte sich auf dem Plateau auf den ersten Blick nichts außergewöhnliches. Es war nur eine schneebedeckte, ebene Fläche die groß genug war das Kyra und Alonvy sich bequem darauf bewegen konnten. An der gegenüberliegenden Seite schmiegte sich das Plateau an eine massive Felswand die Bild mit Schnee überkrustet war.
"Ich möchte euch nicht beleidigen Atalet aber seid Ihr sicher, dass wir uns hier am Ziel unserer Reise befinden?" erkundigte sich Marlena schließlich höflich.
"In Anbetracht unserer Situation ist das eine durchaus berechtigte Frage." brummte der Zwerg und vertiefte sich in das Studium seiner Karten und der Kopie des Feldzeichens welches ihnen aufgetragen hatte diesen Ort aufzusuchen.
"Kein Zweifel." brummte der Zwerg schließlich. "Wir sind am richtigen Ort meine Freunde. Es muss hier etwas geben, dass ich unseren Blicken entzieht."
Marlena seufzte in sich hinein. Sie hatte im Grunde befürchtet, dass weitere Probleme auf sie und ihre Mitstreiter zukommen würden aber in diesem Fall hätte sie nichts dagegen gehabt sich zu irren. Der jungen Halbling war klar, dass die Zeit nicht für sie arbeitete. Niemand konnte genau sagen wie lange Marantera Verwirrung anhalten würde. Das unbekannte Wesen konnte in jedem Augenblick wieder zum Angriff übergehen und Boden, da man wusste, dass es in der Lage war magische Portale zu erschaffen war im Grunde kein Ort sicher. Auf das errichten von Bollwerken schien praktisch sinnlos. Wenn sich ein von den Zwergen und ihren Kriegern erschaffenes Hindernis als unüberwindlich erwies, würde Marantera ihre Strategie einfach ändern und ein Portal hinter den Verteidigungsanlagen erschaffen. Mauern und andere Schutzwälle redeten nicht wirklich ein Hindernis.
- "Moment mal." -
Alonvys vertraute Stimme riss Marlena aus ihren düsteren Überlegungen. Die weiße Drachendame erkundete mit schnauben den Atemzügen die scheinbar massive Wand die sich an das Plateau anschloss. Noch bevor Marlena an die Seite ihrer Seelenschwester eilen konnte bedeutete diese ihr und den anderen Mitgliedern der Reisegruppe möglichst weit von der Felswand zurückzutreten.
Während die junge Halbling und ihre Freunde taten was die Drachendame wollte fragte Marlena auf der geistigen Ebene:
- "Hast du etwas entdeckte?" -
Alonvy schnaubte nur unsicher und trat dann ebenfalls von der Wand zurück. Nachdem sie ausreichend Abstand gewonnen hatte sog Alonvy Luft in ihre Lungen und entfesselte zur Überraschung aller ihr Feuer. Weißgoldene Flammen schossen aus ihrem Maul und prasselten scheinbar wirkungslos gegen die Wand.
"Versucht euer Drache den Berg zu schmelzen?" erkundigte sich Atalet verständnislos.
Auch Marlena wusste nicht was ihre Seelenschwester mit ihrem Verhalten bezweckte doch vertraute sie Alonvy und Bart ihrer Reisegefährten daher um Geduld.
Schon während ihrer Ausbildung hatte die weiße Drachendame einer tödliches Talent für den Umgang mit ihrem Feuer bewiesen. Es hatte Saphira Schimmerschuppe nicht viel Mühe gekostet ihrer damaligen Schülerin die Kunst beizubringen ihre Flammen minutenlang auf ihr Ziel einstürzen zu lassen. Auch heute demonstrierte Alonvy diese Fähigkeit. Fast vier Minuten lang prasselte ihr Feuer auf den Bergrücken ein und verdeckte mit seinem gleißenden Licht die Sicht. Weder den beiden Reiterinnen noch Atalet war es möglich zu bewerten ob Alonvy mit ihrem Verhalten etwas bewirkte. Erst als die Flammen der Drachendame erstarben bot sich der Reisegruppe ein erstaunlicher Anblick. Unter der Zentimeter dicken Schneekruste die den Felsen verhüllte, befand sich eine Schicht aus massivem Eis. In dieser schillernden Wand aus erstarrtem Wasser, genau dort wo Alonvys Feuer am heißesten gewesen war zeigte sich ein ein Loch. Die Öffnung hatte etwa den Durchmesser eines normalen menschlichen Unterarms und jenseits des Eises ließ sich kein Fels erkennen. Gähnende Dunkelheit starrte der Reisegruppe entgegen. Offenbar war dort eine Höhle, verborgen durch Eis und Schnee.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro